Das Gebiß des Grauens
Erst "Quatsch Comedy Club", nun Grand Prix: Thomas Hermanns gibt keine Ruhe
Lange hat man angenommen, daß der schlimmste Unfall, der einem im deutschen Fernsehen passieren kann, die Begegnung mit der moderierenden Kreissäge Sonya Kraus ist. Die erscheint regelmäßig im Bild, wenn man bei Pro Sieben nicht schnell genug wegzappt – und kann einem mit ihrem billigen Sosein jeden TV-Abend versauen. Vorzugsweise moderiert die professionelle Bclästigerin Sendungen, bei denen die Beiträge völlig überflüssig sind, weshalb man beim kriselnden Spaßsender offenbar meint, wenigstens die Stücke dazwischen mit einer sich ungelenk räkelnden und Absurdes absondernden Berufsblondine veredeln zu müssen.
Man könnte das Erscheinen von Sonya Kraus, das ein mit wenigstens einem Hauch von Intellekt ausgestatteter Mensch nur erträgt, wenn er vorher schon eine Überdosis Neun Live verabreicht bekommen hat, also mit Fug und Recht als größten anzunehmenden Unfall der Fernsehgeschichte einbuchen, gäbe es da nicht als Steigerung jemanden, der Frau Kraus in Sachen Omnipräsenz locker das Wasser reichen kann und sie in der Kategorie Belästigung durch bloßes Erscheinen klar abhängt.
Nun ist Thomas Hermanns kein schlechter Mensch. Durchaus zurechnungsfähige Zeitgenossen, die schon mehrfach mit ihm haben arbeiten müssen, berichten von einer außergewöhnlichen Liebenswürdigkeit und außerordentlicher beruflicher Professionalität, wenn es um das Entdecken neuer Spaßtalente geht. Allerdings vergessen diese Zeugen oft, daß der Mittvierziger einen entscheidenden Fehler hat: Er erscheint im Fernsehen.
Es ist also diese Fernseherscheinung Thomas Hermanns, dieses Grinsen, das selbst Stefan Raab nicht dämlicher hinkriegen wurde. Diese Zähne. Böse Zungen behaupten ja, Hermanns würde öffentlich das Gebiß des Fernsehpferdes Fury auftragen, und manchmal behauptet er das sogar selbst. Er findet sich dann offenbar ganz doll lustig und schwenkt die Arme, daß es aussieht, als gerate gerade ein riesiges Windrad ins Taumeln.
Das Problem Thomas Hermanns ist nahe dem anzusiedeln, welches der Hase mit dem Igel hat. Kaum schaltet man irgendwo hin, stellt man erschrokken fest: Thomas Hermanns ist schon da. Als dauerbekennende Schwulette tuntet er sich durchs Programm und verbreitet allüberall, wie toll er doch Abba findet und daß er mal in Genf gemeinsam mit seinem ähnlich unerträglichen Kollegendarsteller Georg Uecker ein Paar Stiefel ersteigerte, das einst Frida gerhörte. Es gibt viele Tage, an denen man sich wünscht, die beiden würden friedlich daheim hocken und ihre Erwerbung bestaunen. Tun sie aber nicht, sie wollen der Welt zeigen, was sie alles können. Thomas Hermanns kann zum Beispiel besonders gut schlecht moderieren. Er beweist dieses immer wieder beim „Quatsch Comedy Club“, einer im Prinzip durchaus ehrwürdigen Veranstaltung, die bekannten und nicht so bekannten Komikern ein Forum bietet und das schon ziemlich lange – gerade wurde zehnjähriges Jubiläum gefeiert. Olli Dittrich durfte dort seine ersten Gehversuche als „Dittsche“ präsentieren, lange bevor irgendwer von Fernsehen redete. Auch heute noch ist der „Quatsch Comedy“ Club bei Pro Sieben keine durchweg dumme Veranstaltung. Allerdings wird sie immer wieder unterbrochen von Thomas Hermanns, der irgendein „Fundstück der Woche“ präsentiert – und sich als einziger witzig findet. Man hat in solchen Momenten Mitleid mit dem Mann und wünscht ihm, er wäre noch Veranstalter von Karaoke-Parties in Hamburg.
Aber es kommt noch schlimmer. Am 9. März wird Thomas Hermanns den deutschen Vorentscheid zum „Eurovision Song Contest“ moderieren oder vielmehr das präsentieren, was er für Moderation hält. Damit setzt er einer schon im Vorfeld höchst suspekten Veranstaltung das Krönchen der Absurdität auf.
Behaupteten die ARD-Gewaltigen bislang immer, ihnen ginge es um Künstler, die international mithalten können, so lassen sie diesmal ein Dreierteam antreten, das allenfalls regional punkten kann. Vicky Leandros mag ja erfahren sein, aber das war in der musikalischen Steinzeit. Olli Dittrich ist nett und seine Band auch, aber was will der Mann beim Grand Prix? Zu guter letzt kommt noch Thomas Anders dazu, der in den Vorjahren Nebenveranstaltungen des Wettbewerbs moderieren durfte. Dieser Umstand weckt fürchterliche Vorahnungen. Wenn Anders früher moderierte und jetzt singt, was wird dann Hermanns nächstes Jahr tun? Sicher ist nur: Der Schrecken ist noch lange nicht vorbei.