Das Ende des Wirtschaftswunders

In der Bundesrepublik ging die Kritik an den herrschenden Verhältnissen auch weiterhin von den eher gesitteten Liedermachern aus, deren Publikum bedächtig lauschte, statt zu tanzen und zu toben. Auf seinem zweiten Album, „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“, sang Franz Josef Degenhardt 1965 über Materialismus und Konsumdenken, die Diskriminierung der Arbeiterschaft, den Vietnamkrieg und die Gefahren von Atomkrieg und Faschismus – dabei blieb er jedoch immer vor allem ein Beobachter, ein Bänkelsänger, der mit Poesie Politik machte und nicht umgekehrt (das sollte sich allerdings Ende der Sechzigerjahre ändern, als er sich mit der Erkenntnis „Zwischentöne sind bloß Krampf – im Klassenkampf” zum politischen Agitator aufschwang). Zum Abschluss seines zweiten Albums wandte er sich gegen sich selbst. Er wolle auf kein Podest gehoben werden, kein Popstar sein, erklärte er und zeigte sich stattdessen als Liedermacher, Ehemann, Vater und Trinker: 

 

„Vertraut dem nicht zu sehr, gebt Acht. 

Auch, wenn er so gemütlich lacht, 

der, der meine Lieder singt …“ 

 

Auch seine Beschreibung des „Deutschen Sonntag”, die den steigenden Überdruss am Wirtschaftswunderdeutschland und den Drang nach Veränderung so wunderbar präzise, komisch und poetisch aufzeigte, befand sich auf diesem Album.  

In der Bundesrepublik wurde die Auseinandersetzung zwischen dem Staat und seinen Kritikern schärfer – im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung versteht sich. Das Land war in eine Rezession geschlittert, durch das billigere Erdöl verlor zugleich die Kohle aus dem Ruhrgebiet an Bedeutung und ein langsamer Strukturwandel in der Region begann, der viele Arbeiter ihre Stellen kosten sollte. Bundeskanzler Erhard hatte sich gegen eine aktive Konjunkturpolitik gestemmt, da diese seiner Meinung nach dem Konzept der sozialen Marktwirtschaft widersprach, und sich so schließlich mit dem Koalitionspartner FDP überworfen. Am 30. November 1966 musste er zurücktreten. Kurt Georg Kiesinger, einst Mitglied der NSDAP und in Zeiten des Dritten Reiches Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes, wurde neuer Kanzler einer großen Koalition, und mit der NPD zog zu dieser Zeit erstmals wieder eine rechtsradikale Partei in deutsche Landtage ein.  

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