RS-Story

Das bizarre Ringen um den musikalischen Nachlass von Prince

Prince: „Ich habe den Plattenfirmen auch nicht immer die besten Songs überlassen.“

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ROLLING STONE im Juli 2017 - Titelthema: Radiohead
Kaum hatte Prince den Vertrag unterschrieben, machte er sich an die Arbeit. Dass er nun nicht nur den Soundtrack für „Purple Rain“ liefern würde, sondern auch die Hauptrolle im Film übernehmen sollte, löste bei ihm einen produktiven Rausch aus. Noch vor Beginn der Dreharbeiten hatte Prince mehr als hundert Songs zu Papier gebracht – und er nahm das neue Material auch in einem atemberaubenden Tempo auf. Ob er im hauseigenen Studio arbeitete oder die Songs vor Publikum testete (wie immer im First Avenue in Minneapolis): Im Lauf der nächsten neun Monate ließ er die Bänder praktisch ständig mitlaufen. „Die Proben dauerten sechs Monate“, erinnert sich die Gitarristin Wendy Melvoin, „und er schnitt absolut alles mit.“ Doch nur neun Songs kamen auf den Soundtrack – und das un­veröffentlichte Material beschäftigt seit nunmehr 33 Jahren die Fantasie der Prince-Gemeinde.

Jetzt wird der Vorhang gelüftet: Die vier CDs der erweiterten „Pur­ple Rain“-Edition beinhalten Alternativ­versionen und B‑Seiten sowie ­eine DVD mit einem Konzert vom März 1985, als The Revolution in Syra­cuse/New York auftraten und mit einer 20-minütigen Version von „Purple Rain“ glänzten. Die Sensa­tion aber ist die CD mit Outtakes: Einige davon – die komplette Fassung von „Father’s Song“, die Studioversion von „Electric Intercourse“ – sind zum ersten Mal zu hören. Überhaupt ist es ist die erste Veröffentlichung von Material, das in den Tresoren des Paisley Park schlummert. Glaubt man den Nachlassverwaltern, warten dort noch „Abertausende“ Bänder auf Sichtung und Veröffentlichung. 2014 verriet Prince dem ROLLING STONE, dass dort komplette Alben mit The Revolution, The Time und Vanity 6 lagern. „Ich habe den Plattenfirmen auch nicht immer die besten Songs überlassen“, behauptete er.

Unklare Rechtsposition

Der große Rest seines umfangreichen Musikkatalogs allerdings wird von einem juristischen Tohuwabohu blockiert, das seit seinem Tod noch zugenommen hat. Im Februar dieses Jahres zahlte Universal Music 30 Millionen Dollar, um die Prince-Aufnahmen vertreiben zu können, die er 1986 nach Auslaufen seines Warner-Vertrags produziert hatte. (Obwohl im bitteren Streit gegangen, kehrte Prince 2014 noch einmal zu Warner zurück.) Ebenso vielversprechend klang die Ankündigung, dass man „die US-Rechte an den klassischen Prince-Alben aus den Jahren zwischen 1979 und 1995 erworben“ ­habe. Der Deal beinhalte zudem unveröffentlichtes Material. Doch ist dieser Deal inzwischen Makulatur. Die Teile seines Katalogs, die vor 1996 entstanden, seien bis 2021 blockiert – was den gesamten Deal für Universal unattraktiv machte. Auf Ankündigungen ­wei­terer Archivveröffentlichungen ­wurde verzichtet, da die rechtliche Ausgangs­position (an welchen Aufnahmen hat Warner überhaupt Rechte, und bis zu welchem Zeitpunkt?) unklar ist.

Prince
Prince

Prince’ gesamter Nachlass ist in ­einem ähnlich prekären Zustand. Da er kein Testament hinterlassen hat, kämpften Schwester Tyka und seine fünf Halbgeschwister zunächst um die Deutungshoheit bei der Nachlassverwaltung. Nachdem sich die Familienmitglieder grundsätzlich geeinigt hatten, bestimmte das zuständige Gericht die Privatbank Bremer Trust zum offiziellen Nachlassverwalter. Die Banker machten sich an die ­Arbeit und verkauften Rechte an Streaming­dienste und Merchandisingfirmen, um eine anstehende Erbschaftssteuer in Höhe von zwölf Millionen Dollar bereitstellen zu können. Da die Familie aber mit den konkreten Entscheidungen nicht einverstanden war, bestellte das Gericht einen neuen Nachlassverwalter: Comerica, wieder ­eine Bank aus Minneapolis. Diese engagierte Troy Carter, den früheren Lady-Gaga-Manager und heutigen Spotify-­Berater, um Archivmaterial sichten und künftige Deals einfädeln zu lassen.

Problemfall: „Deliverance“

Comerica sah sich erstmals zum Eingreifen gezwungen, als eine EP mit sechs unveröffentlichten Tracks auf den Markt kommen sollte, die Prince zwischen 2006 und 2008 mit Toningenieur Ian Boxill aufgenommen hatte. „Ian hatte Zugriff auf weitaus mehr Material“, betont David Staley, dessen Firma Rogue Music die EP namens „Deliverance“ veröffentlichen wollte. „Er war der Überzeugung, dass Prince die Auswahl und Veröffentlichung des Materials aus ganzem Herzen unterstützt hätte.“ Comerica erwirkte eine einstweilige Verfügung – mit dem Resultat, dass die fertigen CDs nun in einer Lagerhalle liegen, bis das ­Gericht sein Urteil fällt.

Michael Putland Getty Images
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