Das allererste Musikvideo von Chuck Berry: „Big Boys“
Sehen Sie hier: „Big Boys“, die Single aus dem „Chuck“-Album
Deshalb ist „Big Boys“ aus dem posthum veröffentlichten Album „Chuck“ eine Premiere: der erste Song-Clip im Schaffen Berrys. Die Ikone selbst ist darin nicht zu sehen – die Regisseure Matt Bizer und Curtis Wayne Millard sagen jedoch, das Video sei entstanden, als Berry noch lebte –, aber ein Doppelgänger kriegt die Sache halbwegs okay hin:
Warum Chuck Berry der größte Rock’n’Roller ist
Von Joe Perry
Wie viele Gitarristen meiner Generation entdeckte ich Chuck Berry durch die Beatles und die Rolling Stones. Damals war ich hin und weg, als ich sie diese Hardcore-Rock’n’Roll-Nummern wie „Roll Over Beethoven“ und „Around And Around“ spielen hörte. Auf den Plattencovern las ich unter den Songtiteln den Namen „Chuck Berry“. Und hatte zum Glück – ebenfalls wie viele Jungs meiner Generation – einen Freund mit einem älteren Bruder, der die Originalplatten besaß: „Wenn euch die Stones gefallen, dann hört euch erst mal das hier an!“ Ich hörte „Chuck Berry Is On Top“ und bin wirklich ausgeflippt. Dieses Kribbeln im Bauch, diese Aufregung, die Gänsehaut im Nacken – das gab mir Berry mehr als jeder andere.
Die Stones kamen gleich danach, weil sie eine der wenigen Bands waren, die Berrys Sachen spielen konnten und dabei wirklich klangen, als wüssten sie, worum’s geht. Die hatten die richtige Kombination aus Technik und dieser Punkattitüde: „Rotzen wir’s hin!“ Sie hatten ihre Hausaufgaben gemacht, aber sie kriegten auch das Feeling, den Rhythmus hin, der in Chuck Berrys Musik so wichtig war.
Der Hemingway des Rock’n’Roll
Dabei geht’s gar nicht so sehr um das, was er gespielt hat – eher um das, was er nicht spielte. Seine Musik ist sehr ökonomisch. Seine Leadgitarre trieb den Rhythmus an, sie lag nicht oben drüber. Die Sparsamkeit seiner Licks und seiner Leads – das trieb den Song vorwärts. Und er baute seine Soli immer so auf, dass ein nettes kleines Statement den Song woandershin lenkte, so dass man bereit war für die nächste Strophe.
Als Texter ist Chuck Berry der Hemingway des Rock’n’Roll. Er kommt direkt zum Punkt. Er erzählt eine Geschichte in kurzen Sätzen. In deinem Kopf entsteht ein Gesamtbild von dem, was passiert, und zwar sehr rasch, durch wohlgewählte Worte. Berry war auch ziemlich clever: Er wusste, wenn er den Mainstream knacken wollte, musste er den weißen Teenagern gefallen. Das gelang ihm. In diesen Songs geht’s ausschließlich um Teenager. Ich schätze mal, er wusste, dass er in den R&B-Charts mit eigenwilligeren Sachen auch erfolgreich gewesen wäre, aber wollte da halt raus und den ganz großen Erfolg schaffen.
Chuck Berry feierte den Lifestyle der Rockmusik
Er feierte auch den Rock’n’Roll – den Lifestyle wie die Musik – in Songs wie „Johnny B. Goode“ und „School Days“. Wie da einer eine Gitarre klingen lässt wie eine Glocke. Wenn man die Worte „Rock’n’Roll“ in einen Songtext packt, muss man immer vorsichtig sein, aber er machte das perfekt. „Johnny B. Goode“ ist bestimmt einer der meistgecoverten Songs überhaupt. Barbands, Garagenrockbands – alle spielen ihn. Und so viele spielen ihn schlecht. Der Song macht zwar unheimlich Spaß, aber man kann ihn auch leicht ruinieren. Aber auch in meinem Fall war das wohl der erste Chuck-Berry-Song, den ich gelernt hab. Er trifft einen einfach auf allen Ebenen: Text, Melodie, Tempo, Riff.
Es ist lustig – mein Sohn Roman kam heute vom Gitarrenunterricht zurück, und als ich fragte: „Welchen Song habt ihr heute gelernt?“, sagte er: „Wir lernen ,Johnny B. Goode‘“. Da steckt der ganze Appeal von Chuck Berry drin. Wenn man heute ein junger Gitarrist ist, dann sieht man sich mit diesen ganzen Meistern konfrontiert: Eric Clapton, Eddie Van Halen, Jimmy Page. Aber deine Gitarre nach Chuck Berry klingen zu lassen, das kriegst du in kürzester Zeit hin.
Show, Show, Show
Das andere ist: Chuck Berry war ein Showman. Spielte die Gitarre hinter dem Kopf und zwischen den Beinen, spazierte in seinem Entengang, dem Duckwalk …, aber wenn man die Augen schließt, hört man, dass sein Spiel nicht darunter litt. Bei ihm sah das alles so leicht und natürlich aus.
„Chuck Berry Is On Top“ höre ich mir heute noch an. Abgesehen von ein, zwei Stücken wie „Blues For Hawaiians“ rockt das ganze Ding einfach tierisch. Drum liebe ich die Platte – und aus dem gleichen Grund zum Beispiel auch die Platten von AC/DC. Die hören einfach nicht auf. Das war auch noch eine seiner Qualitäten: Er blieb in diesem Groove. Er hätte ja auch ein paar Songs Marke „Johnny B. Goode“ machen und sich dann anderem zuwenden können. Aber er blieb bei genau diesem Groove und machte ihn sich zu eigen. Ich habe auch ein paar Compilations, und da höre ich seinen direkten Einfluss auf mich. Wie er phrasiert oder dieser double-time-stop, wenn man zwei Saiten gleichzeitig zieht und so dieser typische Rock’n’Roll-Sound entsteht.Was die breite Öffentlichkeit betrifft, ist Berry so was wie ein Artefakt aus grauer Vorzeit. Dabei werden seine Songs immer gecovert werden. Wenn Bands ihre Hausaufgaben machen, müssen sie Chuck Berry hören. Wenn du Rock’n’Roll spielen willst, dann musst du hier anfangen.