Darum will Marius Müller-Westernhagen seine Echos wirklich zurückgeben
Insgesamt sieben Trophäen hat Westernhagen bei sich zuhause stehen. Sie kommen nun weg, um Platz zu schaffen - im Heim und in seinem Herzen.
Man könnte denken, dass Marius Müller-Westernhagen vielleicht ein wenig spät dran ist, um sich an dem Echo-Trubel zu beteiligen. Seit Tagen reibt sich die Republik an der anscheinend mehrheitlich abgelehnten Entscheidung der Musikpreisveranstalter auf, den Rüpel-Rappern Kollegah und Farid Bang mit einem Echo auszuzeichnen. Dabei hätte wohl schon allein ein Auftritt ohne Trophäe genügt, um den Volks- und Musikerzorn zu erregen.
Aber Westernhagen scheint sich die Sache erst einmal gut überlegt zu haben. Sieben Echos in der Vergangenheit – zu Zeiten, als der Preis noch lediglich für die Anzahl der verkauften Platten, DVDs und was auch immer vergeben wurde – sind kein Pappenstil. Der Sänger gehört neben Herbert Grönemeyer und Udo Lindenberg noch immer zu den größten in diesem Land. Sein Wort und seine Taten haben Gewicht. Erst 2017 erhielt er unter viel Beifall und sichtlich gerührt den Ehrenecho fürs Lebenswerk. Auch der soll nun zurück zur Akademie, damit sie sich, so suggeriert es Westernhagen mit dem Schritt, ein paar Gedanken machen kann, wie in Zukunft Preise verteilt werden.Westernhagen: „Künstler haben eine besondere gesellschaftliche Verantwortung“
In einem Statement auf Faceboock schrieb der 69-Jährige: „Ich halte mich zur Zeit in Südafrika auf und erfuhr in diesen Tagen von den peinlichen Vorkommnissen bei der diesjährigen Echo-Verleihung. Die Verherrlichung von Erfolg und Popularität um jeden Preis demotiviert die Kreativen und nimmt dem künstlerischen Anspruch die Luft zum Atmen. Eine neue Stufe der Verrohung ist erreicht.“
Doch nach der Verteidigung, warum er erst jetzt reagiert (Aufenthalt in Südafrika), beschreibt er das Dilemma, das auch schon von Campino während der Verleihung in markigen Worten ausgemalt wurde: „Künstler haben eine besondere gesellschaftliche Verantwortung.“ Das schließt laut Westernhagen aus, „sich hinter künstlerischer Freiheit zu verstecken oder kalkulierte Geschmacklosigkeiten als Stilmittel zu verteidigen.“ Für den Sänger ist klar: „Provokation um der Provokation willen ist substanzlos und dumm. Und eine Industrie, die ohne moralische und ethische Bedenken Menschen mit rassistischen, sexistischen und gewaltverherrlichenden Positionen nicht nur toleriert, sondern unter Vertrag nimmt und auch noch auszeichnet, ist skrupellos und korrupt.“
Damit weist Marius Müller-Westernhagen – wie auch schon Klaus Voorman vor ihm – die Schuld in der Sache vor allem den Veranstaltern zu, also dem Bundesverband Musikindustrie (BVMI).
Erschreckend ignorant
Die beiden Rapper verteidigt er zwar nicht explizit, gleichwohl gesteht er ihnen zu, dass sie auch aufgrund der Kunstfreiheit mit provokativen sprachlichen Hülsen spielen können, ohne gleich als Antisemiten durchzugehen. „Ich bin nicht der Meinung, dass die mit dem Echo ausgezeichneten Rapper Antisemiten sind“, so der Musiker auf Facebook. „Sie sind einfach erschreckend ignorant. Money makes the world go round. Aufgrund seiner inhaltlichen Fehlkonstruktion war der Echo in der kulturellen Welt nie relevant. Aber hier geht es nicht um das Kalkül der profitmaximierenden Musikindustrie und ihrer Mechanismen. Es geht im Kern um den Zerfall einer kultivierten Gesellschaft, der zunehmend der innere moralische Kompass abhanden kommt, und dem sehen wir schon viel zu lange zu, ohne genügend Widerstand zu bieten.“
Aus diesem Grund blieb Westernhagen, so schreibt es es im Netz, nur eine Entscheidung: „Ich schließe mich meinem geschätzten Freund und Kollegen Klaus Voormann an und werde alle meine ECHOS zurückgeben. Das schafft Platz bei mir zu Hause und in meinem Herzen.“