Darren Aronofsky: Bei der Berlinale ist jeder Tag wie Weihnachten
Eine politische Berlinale-Eröffnungs-Gala mit der ersten Jury, mit der man gerne ein Bier trinken würde
Filmbegeisterte versammeln sich seit Donnerstag wieder zur 65. Berlinale am Potsdamer Platz um für die nächsten 10 Tage die über 400 Filme des Festivals zu begutachten, zu feiern oder zu verreißen. Den Auftakt gab es gestern mit der von Anke Engelke moderierten Galaeröffnung, bei der sich die internationale (Juliette Binoche, Audrey Tautou, James Franco, Gabriel Byrne) und deutsche Prominenz (Daniel Brühl, Heike Makatsch, Toni Garrn, Fritzi Haberland, David Kross u.v.m) elegant auf dem (kalten) roten Teppich zeigten. Anschließend die offizielle Eröffnung des Festivals mit dem Film “Nobody Wants The Night”, von Regisseurin Isabel Coixet, in dem Juliette Binoche als Sinnsuchende Frau des Polarforschers Robert. E. Peary auftritt.
Eine politische Berlinale-Eröffnungs-Gala
Die von Anke Engelke locker moderierte Eröffnung der Berlinale diente in diesem Jahr auch dazu, die Wichtigkeit der Freiheit der Kunst zu betonen. Dass die 65. Berlinale nach dem Charlie-Hebdo-Attentat eine starke Wirkung mit sich bringt, hat auch schon Festivaldirektor Dieter Kosslick bei der Program-Pressekonferenz betont: “Die Berlinale ist eine einzige Solidaritätsbekundung für die Freiheit der Kunst und Meinung.“ Die Frage, wie politisch ein Festival sein darf oder vielleicht auch sogar sein muss, griff auch Monika Grütters auf, Staatsministerin für Kultur und Medien. Die Räume der Kunst zu schützen und zu schätzen, ist aus ihrer Sicht eine der essenziellen Aufgaben der Berlinale als Festival mit Signalwirkung. Mit Verweis auf den iranischen Regisseur Jafar Panahi, dessen Film “Taxi” im Wettbewerb läuft, der allerdings selbst nicht nach Berlin reisen darf, bekommt die Brisanz dieser Thematik schließlich ein prominentes Gesicht.
Die erste Jury, mit der man gerne ein Bier trinken würde
Die Stimmung in der Jury ist ausgelassen. Wenn man sich die Truppe anschaut, die da auf der Pressekonferenz vor der Meute von Journalisten Rede und Antwort steht, kann man sich gut vorstellen, dass Darren Arnofsky, Daniel Brühl, Bong Joon-ho, Martha De Laurentiis, Claudia Llosa, Audrey Tautou und Matthew Weiner nach dem Kinobesuch gemeinsam in irgendeiner Berliner Eckkneipe versacken, um sich bei ein paar Drinks über den Filmzirkus zu unterhalten. Auch wenn das nicht so richtig zum Festivalplan von Daniel Brühl passen dürfte, der nach eigener Aussage bei dieser Berlinale endlich mal weniger trinken möchte, um auch noch am zehnten Tag fit wie ein Turnschuh zu sein. Aronofsky („Requiem For A Dream“, „Black Swan“) führt dabei das Jury-Rudel mit entspannter Gelassenheit und jeder Menge Humor, die man hinter dem grummeligen Dreitagebart gar nicht so direkt erwartet hätte. Man stichelt sich gegenseitig und ist sich gleichzeitig einig, dass auf der diesjähirgen Berlinale mit dem riesigen Filmangebot eigentlich “Jeder Tag wie Weihnachten ist”, wie Aronofsky treffend feststellt.
Eröffnungsfilm “Nobody Wants the Night”
Als zweite Regisseurin in der Geschichte der Berlinale eröffnete Isabel Coixet das Festival mit “Nobody Wants the Night” in dem Juliette Binoche im Jahre 1908 die Frau des Polarforschers Robert. E. Peary darstellt, die ihrem den Nordpol suchenden Mann hinterher reist. In starken Bildern reist der Zuschauer mit der von Liebe getrieben Josephine Peary (Juliette Binoche) auf einem gefährlichen Trip in die Dunkelheit der kalten und tödlichen Polarnächte. Josephine Peary wird dabei als snobistische Frau aus dem Westen mit arroganter Attitüde (gleich in der ersten Filmszene erschießt sie ihren ersten Eisbären) fantastisch von Juliette Binoche verkörpert, die schließlich auf der Suche nach ihrem Mann dazu gezwungen wird, sich der Suche nach sich selbst zu stellen.
Beim Warten auf die Rückkehr ihres Mannes in einer eisigen, einsamen Hütte trifft Josephine Peary schließlich auf die junge Inuit-Frau Alaka (mit kindlicher Naivititä gespielt von Rinko Kikuchi, „Babel“), die sich als geliebte ihres Abenteurer-Mannes herausstellt. Mit der Dramatik des drohenden Winters entwickelt sich schließlich eine Beziehung zwischen den beiden Frauen, die ihren sehr einfach gehaltenen Dialog-Höhepunkt in einem Iglu findet. Der Satz “Nobody Wants The Night” wird in diesem Sinne zum Kultur überbrückenden, vereinenden Gedanken, der Josephine schließlich vor dem Tod bewahrt. Für Binoche hat der Film somit auch eine besondere Relevanz, wie sie auf der Pressekonferenz erklärt: ”We have to got into the night when we want to become human beings.”
Diese pathetische Betrachtung von Selbstwerdung funktioniert in der Theorie noch gut, im Film wird es dann allerdings zunehmend kitschig und leider auch sehr beliebig. Eine eisigere, weniger weichgespühlte Stimmung hätte “Nobody Wands The Night” sicherlich gut getan; so bleibt das neue Werk von Coixet leider ein historischer “feel-good”-Film für kalte Berliner Nächte, den man nicht gesehen haben muss.