Dark Dark Dark: Spiel mit der Doppeldeutigkeit
Am 15. Dezember spielten Dark Dark Dark in Berlin. Eine Band, deren Name zu Missverständnissen führen kann. Wir trafen Sängerin Nona Marie Invie vor dem Auftritt.
„Meet In The Dark“: wie eine Einladung in düstere Gedankenspiele von Nona Marie Invie mutet dieser Titel an. Er ist der Opener des aktuellen Albums einer Band, die ausgerechnet Dark Dark Dark heißt. So erscheint der Titel auf einmal doppeldeutig.
Pathetisch wirkt das alles zunächst, dunkel, deprimierend. Das düstere Pianospiel verstärkt den Eindruck. Aber nur ein wenig: Die Texte klagen an, wie „hart das Leben“ ist („How It Went Down„), lassen neuen Mut schöpfen („Tell Me“) oder exerzieren das Ende einer Beziehung durch („Who Needs Who“). Gemeint ist die Beziehung zwischen Sängerin Invie und Marshall LaCount, Mitbegründer und Produzent der Gruppe. So sind keine der Inhalte fiktiv. „Sie basieren alle auf persönlichen Erfahrungen“, sagt Invie. Das Paar trennte sich Anfang 2011, keiner der beiden verließ danach die Band. Während „Without you“ von dem Gefühl der Orientierungslosigkeit handelt („Without you I am a river my love/ Wondering aimlessly“), kann man bei „The Great Mistake“ eigene Fehler einsehen und schlussendlich weiter ziehen („The Great Mistake was mine“).
Dennoch drehen sich „bei weitem nicht alle“ Lieder um Beziehungen und Fehler. „All diese Songs beleuchten die verschiedensten Ecken meines Lebens, die letzten Jahre“, erzählt Invie im Interview. Wir treffen uns dafür im Berliner Club Bi Nuu, wenige Stunden vor dem letzten Konzert der Band in Deutschland. Trotz der Umstände sind Dark Dark Dark nicht in kühle Professionalität abgerutscht. „Wir sind alle noch miteinander befreundet. Die Songs kamen einfach so aus mir raus, es wurde nicht viel überlegt oder Rücksicht darauf genommen, wie andere sich dabei fühlen. Ich wollte damit niemanden vor den Kopf stoßen.“
Oftmals diene Invie das Schreiben auch dem Erkenntnisgewinn. „Manchmal weißt du vorher gar nicht genau, was du sagen willst. Man fängt dann an, das im Song aufzuarbeiten. Wenn man sich den Titel danach noch einmal anhört, kann das die Situation klarer machen. Musik ist mein Ventil, eine Art spirituelle Ausdrucksweise.“ Vielleicht ist das der Grund, wieso der Sound gleichzeitig mit atmosphärischer und kühler Gelassenheit auffährt. Dark Dark Dark sind eine Band, die das Spiel mit Doppeldeutigkeiten ganz gut beherrscht. So lautet der Name der ersten EP konträr zum Bandnamen „Bright Bright Bright“, auch deren Internetauftritt ist über diese URL zu finden. „Die verschiedenen Facetten einer Person oder einer Situation sind Teil unserer Beziehungen untereinander. Das spielt bei uns rein, so ergänzen wir uns ganz gut.“
Wenig überraschend, dass man bisweilen die Zeilen so liest, man könne man die Emo-Core-Songs auf einer Beerdigung spielen. Das stört Invie nicht, auch wenn sie sich noch nicht ganz sicher ist, was sie davon halten soll. „Ich denke, die Leute können mit unserer Musik machen, was sie wollen“, kommentiert die Sängerin lachend, die bei den meisten Songs zusätzlich am Klavier sitzt. Vielleicht ist es aber auch nicht so wichtig, weil man mit ersten Vermutungen bezüglich dieser Musiker gänzlich daneben liegt. In Wahrheit sieht man sich mit einem fünfköpfigen Folk-Orchester konfrontiert, welches Indie-Klänge auf hauseigene Abspieler transportiert. Erlebt man die Musiker live, so wie Mitte Dezember in Berlin, verteilen sich etliche Instrumente auf die fünf Musiker: ein Schlagzeug, eine Klarinette, mindestens zwei elektrische Gitarren, ein Saxophon, ein Keyboard, da live oft kein Klavier zur Verfügung steht, und ein Akkordeon. Walter McClements versteht es im gleichen Moment ein Blas- und ein Handzuginstrument zu spielen. Auf „Who Needs Who“ ist es das Gefühl für die richtige Abmischung der Elemente, die den Texten der Sängerin eine Seele einhauchen, die es so auch im Genre des Dark Wave gibt.
Am interessantesten ist dann doch die Frage, ob die Band die Stimmung Von „Who Needs Who“, dessen schwere Texte zu keiner Zeit erdrücken, auch live hinbekommt.
Ich befürchte schon fast einen Auftritt, bei dem Invie zergeht in dahin deprimierendem Gehauche und Geschluchze, Wutausbrüchen. Doch Invie sitzt lieber Kerzengerade am Keyboard, stellt ihr Leben in stimmlich schillernden Facetten dar und verzieht ansonsten nicht einmal ihre Miene. Nichts daran wirkt bedeutungsschwanger, mit chirurgischer Präzision werden Titel aneinander gereiht. Noch nicht einmal eine Kerze auf der Bühne hat man sich gegönnt. Man kann jetzt raten, ob es die Übung ist, die Professionalität oder eben gewollte Charade. Vielleicht liegt das, worüber sie singt, auch einfach viel zu weit zurück. „Wenn man das immer und immer wieder tut, merkt man, wie sich die Gefühle im Laufe der Zeit verändern. Das wurde zu einem wichtigen Teil davon, wie ich mit Sachen umgehe.“ Bisweilen fällt das nicht ganz so leicht: „Es kann gelegentlich wirklich schwer sein. Manchmal tut es aber auch sehr gut, es ist Teil des Heilungsprozesses.“
Am Samstag, in der diesigen Kulisse des Bi Nuu, ist Invie wohl im Reinen mit sich. Erst beim vierten Song „Tell Me“ taut sie auf, und das Publikum wird aufmerksamer. So kann die Frau neben mir die Augen öffnen, der Funken springt jetzt auch so über. Bei „How It Went Down“, einem der besten Songs der Platte, steht Invie schließlich auf, überlasst McClements das Keyboard (er kann anscheinend alles) und singt von der Erfahrung, wie beschissen man auf dem Nachhauseweg unter dem fluoreszierendem Licht der U-Bahn-Beleuchtung aussehen kann. Das Publikum überlässt sie sich selbst. Es sei „nicht ihre Aufgabe zu bestimmen, was das Publikum fühlen soll.“ Was ist diese Band also? Herrlich unaufdringlich. Am Ende weiß man Vieles aus dem Leben dieser Frau und bleibt gleichzeitig darüber im Dunkeln. Die mittlerweile vertraute Dualität der Band funktioniert also vor allem hier.