Da scheiden sich die (Zeit-)geister: Bonaparte live in Köln
Bonaparte bieten den Soundtrack für eine Generation junger Menschen, die sich nach Jahren der Lethargie aufbäumt, gegen Studiengebühren demonstriert, sich leidenschaftlich in sozialen Netzwerken der Freundschaft versichert und dazu berauscht Party machen möchte. Bonaparte sind nach wie vor nicht Mainstream.
Bonaparte polarisiert. Kaum jemand findet sie egal. Der Graben zwischen Freunden und Feinden verläuft irgendwo parallel zur Altersgrenze Ende Zwanzig, der Generation, aufgewachsen zwischen „Raider“ und „Twix“. Wie sehr Bonaparte Reaktionen provoziert wird mir schon Tage vor dem Konzert klar, als bei bloßer Erwährung des Namens stammtischähnliche Diskurse unter Musikliebhabern allen Alters losgetreten werden.
Doch erstmal zum Konzert. Die Live Music Hall wird erst am Nachmittag noch von der Stadt Köln freigegeben, nachdem drei Tage zuvor die halbe Decke auf das Publikum der Metallband Callejon herab gefallen war (es wurde niemand schwer verletzt). Spuren der Verwüstung sind beseitigt, dafür tummeln sich nun Fellmützen- und Spandex-tragende Menschen mit lustigen Bemalungen im Gesicht unter den Konzertbesuchern. Bonaparte ist mehr als eine Band, es ist ein Gefühl. Und so transportiert sich die euphorische Stimmung binnen der ersten Minuten von den Protagonisten auf das partywütige Volk.
Elekro-Pop-Trash-Punk nennt sich das. Doch jenseits all der, dank Kostümierungen und Tanzeinlagen, beeindruckenden visuellen Reize, bietet der Zirkus auch eine hörenswerte Performance. Mal zwischen Calypso und Jazz schwingend („Bonahula“), mal durch Rock’n’Roll mit Balkanflair aufwartend („Technologya“), gibt es stets ein Bonaparte-typisches Element: Tobias Jundts Dada-Gesang, oder na ja, Geschrei. Selbst bei 80’er Jahre-Aerobicdance-Mitmach-Einlagen folgt ein beachtlicher Teil des Publikums begeistert dem Gehampel auf der Bühne. Ich staune nicht schlecht, die Show funktioniert.
Rückblick: Irgendwann um 2006 hat sich ein internationale Ensemble aus Musikern und Tänzern um Frontsau und Manege-Philosoph Tobias Jundt versammelt und ist binnen kurzer Zeit zum Indie-Geheim-Tip in Sachen Performance-Happening avanciert. Wie keine andere Band stehen sie sinnbildlich für Berliner Exzentrik; Botschafter einer schillernden, erotischen und kosmopolitischen Hauptstadt, deren Ruf sich auch weit außerhalb deutscher Grenzen erstreckt. In Zeiten, als Tiermasken noch Karnevalszubehör und Moustaches ausschließlich von alten Männern getragen werden, bieten sie eine Performance, für die das Label „Gaukler-Steampunk-Zirkus-Nostalgie-Orgie“ erst erfunden werden muss. Songs mit plakativen und äußerst tanzbaren Botschaften, wie „Anti Anti“ oder „Computer in Love“, treffen den Zeitgeist – und ins Schwarze. Soundtrack einer Generation junger Menschen, die sich nach Jahren der Lethargie aufbäumt, gegen Studiengebühren demonstriert, sich leidenschaftlich in sozialen Netzwerken der Freundschaft versichert und dazu berauscht Party machen möchte.
Wie es sich für eine Vorreiter-Band gehört: Bonaparte waren ihrer Zeit voraus und wurden letztlich doch von ihr eingeholt. Sie waren Trendsetter im Untergrund. Jedoch, was sie erfolgreich nach außen vermarktet haben, ist ihnen jetzt, beim dritten Album „Sorry, we’re open“, zum Verhängnis geworden. Ihre gesamte Ästhetik, einst Avantgarde der 2000er Jahre ist so oft kopiert worden, dass sie nun erfolgreich im Mainstream etabliert ist. Nur Bonaparte, die sind nach wie vor nicht Mainstream.
Ironie, oder nicht: Als während ihrer neuen Single „Alles schon gesehen“, einer Kollaboration mit Deichkind, ebendiese im Fellmützen-Outfit groß auf Leinwand zu sehen sind, drängt sich der Gedanke auf: Ok, vielleicht haben wir jetzt alles schon gesehen.
Das wäre jedoch sehr schade. Vielleicht ist es aber auch nur an der Zeit sich von dem ein oder anderen tradierten Bühnen-Gimmik zu verabschieden, um Raum für Innovation zu schaffen. Denn: Wer so sehr spaltet, der setzt dabei bekanntlich viel Energie frei, Bonaparte muss diese in die Zukunft des Zirkus investieren.