Country Metal
Multitalent David Pajo liebt die Abwechslung und sucht nach der Balance zwischen den Extremen
Ich glaube nicht, dass besonders viele Leute wissen, in welchem Jahr ich geboren wurde“, meint der 38-jährige David Pajo, als ich ihn auf den Titel seines neuen Albums „1968“anspreche. „Das ist einfach nur eine beliebige Zahlenkombination, so wie beim letzten Prince-Album, das auch einfach ,3121′ hieß.“
Ansonsten haben der kleine Mann aus Minneapolis und der kleine Mann aus Louisville – außer ihrer Körpergröße natürlich – nur noch gemein, dass sie gerne alle Instrumente auf ihren Alben selbst spielen. Aber Prince ist ein Superstar, Pajo kennen die wenigsten- und das, obwohl er in den letzten isjahren sicher wesentlich mehr wegweisende Platten gemacht.
Pajo war Gitarrist bei Slint, als die ihr kultisch verehrtes „Spiderland“ aufnahmen, gehörte zu Tortoise, als die ihr spannendstes Album „Millions Now Living Will Never Die“ machten, mischte auf Bonme „Prince“ Billys Meisterwerk „I See A Darkness“ mit und nahm unter Monikern wie Aerial M und Papa M wundervolle Post-Rock- und Americana-Platten auf. (Vor einigen Jahren spielte er auch bei Billy Corgans Totgeburt Zwan Bass, aber das kann man nicht zu seinen Meriten zählen).
„Ich habe vermutlich eine sehr kurze Aufmerksamkeitsspanne“, erklärt David Pajo selbstironisch die vielen Projekte, an denen er schon beteiligt war. „Ich spiele so lange in einer Band, bis ich sie verstehe, dann ziehe ich weiter. Bei Tortoise hat das sehr sehr lange gedauert, das ist eine Band, die keine Grenzen kennt.“
Vor zwei Jahren veröffentlichte David Pajo das erste Mal ein Album unter seinem eigenen (Nach-)Namen: „Pajo“. „Es schien mir ein persönlicheres, intimeres Album zu sein, daher dachte ich, es wäre Quatsch, sich wieder hinter irgendwas zu verstecken.“ Doch Pajo wäre nicht Pajo, wenn er nicht mit dem nächsten Album in die entgegengesetzte Richtung gehen würde. „Alles wa s ich mache, ist eine Reaktion auf das, was ich davor gemacht habe“, erklärt er. Die Texte auf „1968“ seien etwa überhaupt nicht introspektiv, „das sind einfach kleine Geschichten, die ich teilweise aus Texten anderer Künstler zusammengesetzt habe.“ Als Inspiration dienten etwa der Sufi-Dichter Hafiz, die Gorguts („eine Art Heavy-Metal-Captain-Beefheart“) und Horror-B-Movies. „Ich finde es spannend, eine Balance zwischen Extremen herzustellen. Davon lebt amerikanische Musik ja generell. Vermutlich weil die USA ein so widersprüchliches Land sind. Ich liebe auch alte Country-Songs, wo zu süßlicher Musik oft brutale Geschichten erzählt werden.“
Natürlich ist Pajo nicht der knorrige Roots-Songwritertyp, aber Blues, Folk und Country waren immer die Grundlage seiner Musik. „Bereits als wir ‚Spiderland‘ aufnahmen, standen wir total auf kargen Delta Blues. Das hört man der Produktion der Platte auch an“, meint Pajo.
Mit Ausnahme des Papa M-Albums „Whatever Mortal“ vielleicht hat er seine Americana-Leidenschaft nie zuvor so ungebrochen zur Schau gestellt wie auf dem fast nostalgischen „19öS“. Er covert sogar den alten Schmachtfetzen „Let it Be Me“. Da kann man gespannt sein, welche Richtung er als nächstes einschlagen wird. „Meine neue Band heißt Dead Child. Ein bisschen Glam, ein bisschen Metal. Da kann ich meine Liebe zu Black Sabbath ausleben.“ Logisch.