Cool im heissen Stuhl

Mit ZAK hievte er eine Sendung ins Programm, die sich von der betonierten ARD-Beschaulichkeit wohltuend abhob. Seither sind über fünf Jahre vergangen, und Friedrich Küppersbusch muß sich fragen, ob er denn nun eher das Jugend-kompatible Aushängeschild - oder doch nur ein öffentlich-rechtliches Feigenblatt ist.

Dein Feuerzeug hier mit dem Firmen-Emblem des Küchenherstellers Küppersbusch – darf man das schon als erstes Indiz fürs bevorstehende Überlaufen zur werbefinanzierten Fernsehkonkurrenz betrachten?

Nein, dieses Feuerzeug hat eine viel banalere Geschichte. Es war im letzten Jahr. Die ganze Redaktion hatte sich nach Fertigstellung des ersten Piloten von „Nightline“ hemmunglos betrunken…

„Nightline“ sollte eine Art tägliches Spätabend-ZAK werden, was der ARD aber am Ende doch zu teuer war.

Richtig. Die erste Pilotsendung war gut gegangen, aber wir sollten gleich zwei machen und hatten leider total vergessen, dafür die entsprechenden Gäste einzukaufen – was bei einer Sendung mit Gespräch etwas heikel ist.

Ich habe dann in einer Nacht- und Nebelaktion Herrn Möllemann zu einem Gespräch überredet, der natürlich als Gegenleistung mitten im letzten Bundestagswahlkampf- von mir so etwas wie Wahlkampfeinsätze forderte. Es ist mir gelungen, das wenigstens zeitlich hinter die Bundestagswahl zu plazieren, daß ich nämlich in Möllemanns Münsteraner Veranstaltungsreihe „Liberaler Club“ bei einer Diskussion auftrete.

Und im Liberalen Club liegen diese Feuerzeuge, und Du hast Dir eins mitgenommen.

Nein. Die Veranstaltung war, ehe ich das richtig begriffen hatte, vom Gebirgs-, nein Quatsch, vom Bezirks-Vertreter der Firma Küppersbusch okkupiert. Vorm Hotel wehte sogar eine Küppersbusch-Fahne…

Drinnen gab’s die Feuerzeuge.

Genau. Und anderes mehr. Ich sollte auch immer Öfen lobend erwähnen. Anschließend sollte ich noch mit 20, wie er es nannte, „wertigen“ Geschäftsfreunden essen gehen. Ich habe meiner Empörung angemessenen Ausdruck verliehen und fortan behauptet, wir hätten zu Hause nur Bauknecht in der Küche.

Was allerdings eine Notlüge ist. Habt Ihr denn wenigstens Rabatt auf Eure Küppersbusch-Küche bekommen?

Ich bin ja so p.c., daß es schon zum Kotzen ist. Meine Frau hatte einen Rabatt von 50 Prozent in Aussicht gestellt bekommen. Ich habe gesagt: „Nehme ich nicht.“ Weil mir 50 Prozent so vorkam, als würden die einen damit schon kaufen.

Ging das etwa so weit, daß Ihr dann den vollen Preis bezahlt habt – und das für ein Küchenunternehmen, für das Du unbeabsichtigt Reklame machst?

Nein. Ich bin zu einem normalen Dortmunder Händler gegangen und habe gesagt: „Wir wollen ’ne Küche kaufen, und meine Frau will eine Küppersbusch haben.“ Den Rest haben die sich dann gedacht, und wir haben dann auch einen sehr schönen Rabatt bekommen. Der Unterschied war halt der, daß das ganze nicht über die Pressestelle von Küppersbusch ausgeschlachtet werden konnte. Es ist übrigens enorm viel Luft in so Küchen-Preisen.

Wie lange machst Du jetzt ZAK?

Fünfeinhalbjahre.

Beschwert es Dich allmählich?

So Dinge setzen ja Jahresringe in einem

Küppersbusch über ZAK und das öffentlich-ratlose Fernsehen NATIONAL – THEATER COOL IM HEISSEN STUHL

selbst an. Ich habe noch nie länger als sechs Jahre an derselben Sache gearbeitet. Vielleicht kommt daher meine Unruhe. Wir haben in dieser Zeit an der Sendung alles mal verändert, nur eins nicht: Und das ist der Ansager.

Der Redakteur in mir sagt: Ich würde jetzt gerne an ZAK mal brachialere Schnitte machen.

Haltst Du Dich für ein ungeliebtes Kind der ARD, von dem die Programmdirektoren sagen: »Naja, wenn die Jugend ihn denn mag, ist er wohl nicht zu vermeiden“? Kokettierst Du damit vielleicht ein bißchen?

Es ist so: Du hast erstmal eine Anfangszeit, in der es die großen Hirsche gut finden, daß was nachwächst an Leuten. Und wo sie es possierlich finden, was die jungen Böcke da so untereinander machen.

Dann irgendwann merken die Zwölfender, daß du jetzt auch schon ein Fünfender bist – und dann finden sie’s plötzlich nicht mehr so lustig.

Abo Du stellst da Eifersucht fest. Kann man sagen: Es geht in der ARD um ganz viele Partikular-Interessen, aber nicht um das Große, Gute, Ganze, also nicht wirklich ums Programm?

Die größte Stärke der ARD ist auch ihre größte Schwäche. Die größte Stärke ist, daß du in keinem Sender soviel Binnenvielfalt findest wie hier. Die drei großen US-Fernseh-Networks sind sich untereinander ähnlicher als die ARD sich selbst Das heißt aber auch: Wenn der Mitteldeutsche Rundfunk nicht nur Programm-Formate sondern auch -Inhalte durchdrückt oder der Bayerische Rundfunk ein Jahr lang einen „Brennpunkt“ über die Zwick-Affäre erfolgreich verhindert, dann krieg ich unweigerlich Magenbeschwerden.

Andererseits sind wir als erste in Solingen mit Hintergrundberichten da, wenn da ein Haus angezündet wird. Weil wir eben in jedem Dorf einen Reporter haben. Das ist also nicht der Nachteil der ARD.

Sondern?

Elf Sender, elf Verwaltungen. Das sorgt bei jedem Marktwirtschaftler für einen Magendurchbruch. Das ist einfach Nonsens. Man darf sich auch fragen, warum wir uns nicht auf drei Bühnenbau-Abteilungen in Hamburg, Berlin und München beschränken, die dann bei entsprechenden Spediteuren ab und zu einen Tieflader bestellen. Wir haben elf Abteilungen. Und so weiter. Und so weiter.

Die Verlogenheit von Herrn Biedenkopf ist ja, daß ausgerechnet der MDR, in Biedenkopfs Vorgarten in Dresden, der einzige Sender ist, der sich eine Honorarbuchhaltung mit einem anderen Sender teilt – mit dem „linken“ ORB ausgerechnet. Der Biedenkopf hätte also sagen können: „Statt die ARD aufzulösen, guckt mal hier: So kann man effizient sparen.“ Aber das wäre ja ein Beitrag zum Erhalt der ARD gewesen. Und das will er offenbar nicht.

Ich glaube, die ARD wußte sicher auch ohne Biedenkopf, daß es diese Kooperation gibt. Beim WDR, Deinem Heimatsender, hat es ein Gutachten durch die renommierte Unternehmensberatung Berger gegeben. Der veröffentlichte Teil beschäftigt sich mit nur 20 Prozent der Planstellen des IVDR, nämlich mit der Effizienz des eigentlichen Programmbereichs. Diese Ergebnisse waren durchaus vorzeigbar. Die Daten über Verwaltung, Technik und so, also 80 Prozent des WDR, wurden hingegen nichtöffentlich gemacht.

Also ich kriege meine Honorar immer pünktlich, was früher nicht ganz so war, als ich noch nicht so prominent war. Aber ich glaube, daß unsere Buchhaltung als ausgegründete „Buchhaltung Köln GmbH“ am Markt ’ne Chance verdient hätte, auch für noch ein paar andere mittelständische Unternehmen die Buchhaltung zu machen. Ich glaube allerdings nicht, daß du die „Tagesschau“ privatisieren kannst, damit die auch für RTL noch was machen.

Du würdest, zur Rettung der Öffentlich-Rechtlichen, die Verwaltung und die Buchhaltung also privatisieren.

Der Kernpunkt ist doch der, daß wir sparen müssen. An Stelle von Helmut Thoma von RTL würde ich auch sagen: „Die ARD soll gefälligst am Programm sparen.“ Wir dürfen aber nur an den Entstehungskosten des Programms sparen. Und das sind eben die 80 Prozent Planstellen, die nicht direkt Programm machen.

Aber es ist ja wohl klar, daß die Mehrheitsverhältnisse inzwischen dafür sorgen, daß wir 20 Prozent vom Programm die 80 Prozent von der Verwaltung nicht mehr dominieren können. Leider.

Das heißt doch im Klartext: Die eigentlichen Programmacher haben in den Anstalten nicht mehr viel zu sagen?

Ich nehme es zwar immer mit Überraschung zur Kenntnis, daß es immer wieder gelingt, Journalisten, also Programmleute wie Nowottny oder Pleitgen, in die hierarchisch wichtigen Positionen zu bringen. Aber die Beharrungskräfte der Hierarchie-Ebenen darunter sind nach wie vor gewaltig.

Hast Du noch mehr konkrete Vorschläge zur Rettungder ARD?

Also ehe „Focus das „Literarische Quartett präsentiert – was ich wegen der unzähligen grammatikalischen Fehler in „Focus“ schon wieder für originell halte -, wäre es sinnvoller, daß Sendungen wie „Spiegel TV“ oder „Stern TV“ in der ARD stattfinden. Das ist ehrliches product placement. Da zahlt der „Spiegel“ und bürgt für eine gewisse journalistische Qualität, kriegt andererseits aber auch den Werbeeffekt, den eine derartige Präsenz im Fernsehen nun mal mit sich bringt.

Wie ist es mit Brigitte TV, Cosmopolitan TV, RollingStone TV?

Besser, als wenn Bitburger den Tag der Kapitulation präsentiert oder so. Ich fand es bedauerlich, daß die journalistische Kompetenz von „NZZ“, „ZEIT“ oder „Süddeutscher Zeitung“ da bei Vox völlig unter Wert prostituiert wird. Wir müssen mal so erkaltete Feindbilder loswerden, daß man da nicht zusammengehen könne.

Bist Du ein Einzelgänger?

Glaub ich schon. Ich habe mich in meiner Situation häuslich eingerichtet. Ich bin verschlossen, rede über vieles nicht. Wenn ich meine Frau nicht hätte, weiß ich nicht so genau, was ich machen würde.

Worüber redest Du nicht?

Über ungare Sachen. Also – wo ich noch keine fertig durchgedachte Meinung habe, wodurch ich mich verletzlich machen würde, wenn ich die herauslasse. Früher hatte ich so Ur-Ängste, etwas Unfertiges zu sagen, daß ich tagelang an meinen Moderationstexten rumgefeilt habe. Das ist im Laufe der Jahre sicher besser geworden. Manche meinen sogar, daß meine Texte besser sind, wenn ich nicht soviel Zeit zur Vorbereitung habe. Weniger kompliziert.

Lebst Du Deine Eitelkeit über Deinen ja nicht unbeträchtlichen Sprach witz aus?

Ja, ich denke schon. Aber ich verkaufe nicht meine Großmutter für eine gute Pointe. Manchmal wirke ich für die Zuschauer wohl deswegen so kompliziert, weil ich alles so übergenau formulieren will. Das könnte ich mir vermutlich schenken. Denn über einen versauten Witz lachen die Leute in der Regel nun mal mehr als über ein verschwurbeltes Bonmot.

Ihr wolltet, analog zu Deinen Vorschlägen zur Privatisierung der Honorarbuchhaltung, die geplante ZAK-Nachfolge „Nightline“ ab eine selbständige Produktionsfirma in Angriff nehmen. Damit also die Anstaltsflucht von Redaktionen einleiten. Hitrum?

Wenn heutzutage die Bürokratien privatisiert werden, müssen wir doch auch einen Beitrag leisten und den Sender dadurch flexibler machen.

Das bedeutet für Dich und ein paar andere bessere Verdienstmöglichkeiten – und für die Schwächeren im Redaktionsumfeld weniger soziale Sicherheit, richtig?

Also wenn mein Redaktionsleiter bei ZAK jemanden bei „Schreinemakers“, was ja ebenfalls in Köln produziert wird, abwerben wollte, unterste Charge wohlgemerkt, dann müßte er sagen: „Komm zu uns, weil bei uns der Redaktionsleiter weniger verdient als Du bei ,Schreinemakers‘.“ Meistens überzeugen solche Argumente die Leute nicht.

Warum bleibst dann Du beim WDR?

Ich empfinde „private“ oder „kommerzielle“ Kollegen manchmal etwas ankerlos. Man stellt sich ja die Frage: Warum mache ich das eigentlich? Den meisten dort scheint zu reichen, daß sie bei diesem Unterhaltungsbetrieb Fernsehen irgendwie mitmachen können. Ich hab für mich immer das Bedürfnis nach einem „Sinn“. Da ist vielleicht dieser Ruch von Moralität und Stehkragen, den manche primär bei den öffentlich-Rechtlichen wahrnehmen.

Manche sind aber gerade bei den öffentlich-Rechtlichen, weil sie den quasi Beamtenstatus vorziehen, der darin Ausdruck findet, daß man weder nach vier noch nach 400 schlechten Quoten rausfliegt. Außerdem muß man sich nicht den Launen von Frau „Schreinemakers“aussetzen.

Also ich stelle fest, daß manche gute Leute lieber einen Handschlag-Vertrag mit Herrn Klumpe, also Firma „Schreinemakers“ haben. Und 16 000 Mark auf die Hand. Für manche ist soziale Sicherheit ein neuer Begriff.

Das Problem ist doch ein ganz anderes. Wenn wir mal ein neues Sendeformat haben, gibt es einen dermaßenen Institutionsvorlauf, daß das Ding drei Jahre alt ist, ehe es auf den Sender kommt. Honda probiert seine Autos auf dem Markt aus, Mercedes hingegen leistet es sich, mit zweifellos erprobten, leider aber alten Modellen auf den Markt zu kommen. Daraufhin mußte Mercedes prompt umdenken – und wir auch.

Man hat immer die Nase über RTL gerümpft, daß die nach drei Folgen eine Sendung aus dem Programm werfen. Die sind aber nicht zuletzt deswegen Marktführer. Während wir mit unserer Methode, wirklich nur den gut abgehangenen westfälischen Knochenschinken ins Programm zu hängen, die Marktführerschaft verloren haben.

Was genau passiert, wenn Du zum Programmdirektor mit einer guten Idee kommst?

Dann fragt der mich erstmal: „Wieviele Planstellen kostet das?“ Ich sage dann: „Gar keine. Die Leute, die ich brauche, gibt es hier im Hause gar nicht. Ich will dafür eine neue Firma gründen.“ Und dann kriegt die Idee eine Schubladen-Bestattung. Ein Jahr später kann ich dann nur feststellen: Das Format, das gerade bei den Privaten Furore macht, ist vor einem Jahr bei uns schubladenbestattet worden.

Warum will der Programmdirektor nicht, daß Du Dich selbständig machst? Ich meine, Du bist doch sowieso ein freier Mitarbeiter.

Weil es bei uns einige Leute gab, die einerseits als Unternehmer Profite gemacht haben, andererseits aber Rückkehr-Garantien auf ihre Planstellen behalten haben. Für die Traditionalisten im Hause ist es daher wichtig, daß sich keiner eine goldene Nase verdient. Ist ja klar, daß Festangestellte neidisch sind, wenn andere Festangestellte auf dem freien Markt nebenbei Millionäre werden.

Andererseits sind viele Festangestellte sogar als Festangestellte Millionäre geworden. Das ist dann die hohe Kunst des „Dienststunden-Nachweises“. Oder es geht so: Du drehst einen Film über neue Armut in Deutschland, und der Kameramann besteht darauf, seinen privaten Mercedes

600 zu benutzen, weil es dafür einen höheren Ersatz gibt als für die Fahrt mit dem Dienstwagen. Und dann fahrst du damit z.B. in Wanne-Eickel vor und machst ein höchst betroffenes Interview mit einem Sozialrentner.

Tatsache?

Tatsache.

Stadtverwaltungen, die ja dem WDR strukturell und tendenziell gar nicht unähnlich sind, gründen derzeit eine GmbH nach der anderen, um sich zu verschlanken. Warum tun sich ARD und ZDF mit solchen Modernisierungen so schwer?

Das liegt am sehr starken Durchgriff gewerkschaftlicher Positionen, die ich obwohl ich Mitglied bin nicht mehr teile. Ich glaube, daß die konsequente Sicherung sämtlicher Arbeitsplätze bedeutet: Du schaffst den ganzen Laden ab. Das ist bitter, aber nicht zu ändern.

Zum anderen gibt es den Begriff des „hoheitlichen Programms“. „Hoheitlich“ ist etwas bei uns, wenn ein politisches Interesse darin liegen könnte. Politiker möchten zum Beispiel die Hinrichtung eines Verantwortlichen fordern können. Das geht natürlich nicht, wenn der Intendant dann sagt: „Tut uns leid, das hat irgend so eine GmbH verbrochen. Das Programm, in dem Sie so schlecht wegkommen, wurde woanders produziert.“

Klingt nicht so ganz überzeugend. Infotainment und Unterhaltung tangieren den Politiker doch kaum. Im Zweifelsfall läßt er den Chefredakteur auswechseln.

Das haben die Politiker anfangs ja auch gedacht, zumindest bei der SPD. Dann haben sie das, was die CDU bei SAT.l vorher schon bemerkt hat, auch bei ihrem selbstgebackenen Marktführer RTL entdeckt. Und zwar so sehr, daß sie gleich noch Vox hinterher geworfen haben. Ich meine, Vox überhaupt: In anderen Verhältnissen würde man das Wirtschaftskriminalität nennen, was der hiesige Minister der Staatskanzlei, Herr Clement, mit Vox macht. In der gesetzwertigen Sendelizenz von Vox steht, Vox müsse eine „informationsorientiertes Vollprogramm“ sein. Das ist Vox noch nie gewesen. Aber es sendet schon seit zwei Jahren auf Frequenzen rum, die eigens dafür dem WDR enteignet wurden. Wenn jemand Taxi ohne Personenbeförderungsschein fahrt, ist das kriminell. Aber in der Größenordnung von Vox und Bertelsmann nennt man das ungeniert Wirtschaftspolitik.

Möchtest Du vielleicht noch kurz Herrn Murdoch beschimpfen, wo wir gerade dabei sind? Der ist inzwischen ja Mehrheitseigner von Vox. Jedenfalls offiziell.

Bis der mal was investiert, was er vorerst nicht getan hat, ruft Stefan Aust vom „Spiegel“ noch immer in Redaktionen rund, ob die vielleicht irgendwelche Dreh-Cassetten hätten, die man ungeschnitten mal auf Vox senden könnte, weil das so ja viel billiger ist.

Nein – die Politiker haben gelernt, daß ein Programm, in dem sie nicht vorkommen, ihnen nicht notwendig schadet. Das ist eine richtige Einschätzung, weil ja nur eine Minderheit nach politischen Inhalten wählt.

Das Wahlergebnis in NRW hast Du genossen, bei dem die SPD die absolute Mehrheit nach ungefähr 500 Jahren verloren hat?

Mich hat die niedrige Wahlbeteiligung geärgert, die aus der arroganten Sattheit der SPD hier entstanden ist. Den Leuten nämlich, statt einen Wahlkampf zu führen, nur das voraussichtliche Endergebnis zu prognostizieren.

Noch mal anders gefragt: Kriegst Du jetzt in NRW die rot-grüne Regierung, die sich die Intellektuellen angeblich alle klammheimlich gewünscht haben?

Man kann den ökologischen Kern der Grünen zumindest als einzigen neuen Denkansatz der letzten 20 Jahre begrüßen. Daran sind nicht mal die Republikaner vorbeigekommen, weil sie die deutsche Heimat bewahren wollten. Und die ist ja ziemlich grün.

Aber die NRW-Grünen werden in der Regierung natürlich ihre Unschuld verlieren, oder ihren „Sofortismus“, wie Joschka Fischer es genannt hat. Aber was ich begrüße, ist die Abschaffung dieser F.D.P.

Ich dachte, an Möllemann sei Dir so außerordentlich gelegen.

Diese F.D.P. wird wegen ihres hohen Unterhaltungswertes bestimmt noch sehr lange existieren.

Nein – aber es gibt ja so ein Lamento um das Ende der F.D.P., weil alle vergessen, daß sie einfach deswegen überflüssig wird, weil sie alle ihre Ziele längst umgesetzt hat. In diesem Begriffskompositum „soziale Marktwirtschaft“ hat die F.D.P. in 25 Jahren ununterbrochener Regierungsbeteiligung dafür gesorgt, daß darin das Wort „Markt“ eindeutig das Übergewicht erlangt hat. Bismarck wäre in der heutigen F.D.P. ein Linksliberaler, denn um die Sozis klein zu halten, hat er eingeführt, daß Unternehmer und Arbeitnehmer je zur Hälfte die Sozialversicherungen zahlen. Die F.D.P. hat jetzt zum Abschluß ihrer Tätigkeit den Einstieg in den Ausstieg daraus auch noch geschafft. Seit 1982 sind 65 leistungsmindernde Gesetze im Sozial- und Rentenwesen durchgesetzt worden.

Also: Der Wirtschafts-Flügel der F.D.P. hat durchbracht, was immer durchzubringen war. Und den Bürgerrechts-Flügel haben sie einfach den Grünen geschenkt.

Ich wollte eigentlich gerne noch beim Fernsehen bleiben. Geht es der ARD ein bißchen wie der F.D.P., daß sie durchs eigene Programm am meisten bedroht ist? Durch den Verlust der jüngeren Generationen? Du bist ja einer der wenigen verbliebenen Jugendkompatiblen“ bei der ARD. Jugend jetzt mal großzügig mit „unter 50“ definiert.

ZAK ist das nachweislich jüngste Magazin im öffentlich-rechtlichen Abendprogramm.

Der Erfolg von ZAK liegt zum großen Teil daran, daß es sich von seinem Umfeld scharf unterscheidet. Wenn es mehr wie ZAK in der ARD gäbe, müßten wir uns verändern. Aus dem gleichen Grund ist Hape Kerkeling bei RTL gescheitert: Das ganze Programm ist bereits Kirmes, und auf einmal kommt Kerkeling und macht Kirmes. Dann sagt man sich: Na und? Wenn er aber in der ARD nach dem „Musikantenstadl“ kommt, hat das einen anderen Wirkungsmechanismus. Das ist wichtig.

Was war jetzt mit dem ARD-Programm? Reizt es Dich, morgen Programmdirektor zu sein und einen Haufen Wünsche frei zu haben?

Ich sehe das Programm nicht als so schlimm an. Ich sehe alles an eher kaufmännischen Fragen scheitern. Der WDR ist voll von Leuten, die durchaus Programmkompetenz haben. Deswegen holen die Privaten sie ja von uns. Frau Schreinemakers beispielsweise.

Nein, nein, bei uns stinkt der Fisch vom Kopf her. Deswegen glaube ich auch nicht, daß es was bringen würde, wenn ich morgen Programmdirektor wäre und drei Wünsche frei hätte.

Also die Programmdirektoren der ARD haben sowieso nichts zu sagen und können nichts ä ndern?

Die haben schon was zu sagen, aber die Gestaltungsbreite, in der die sich bewegen können, ist viel zu gering. Die können kein neues Auto auf den Markt bringen, weil sie die alten nicht vom Markt nehmen dürfen.

Nehmen wir an, sie hätten richtig viel zu sagen. Würdest Du dann gerne andere dort sitzen sehen? Ich meine, nach Deiner Auffassung schadet’s ja augenblicklich nicht, egal wer’s macht.

Sicherheitsverwahrt als Programmdirektor? Charmanter Gedanke. Nein, solange die nicht schnell was entscheiden dürfen, kann ich gar nicht beurteilen, ob die gut sind oder nicht. Aber auch hier liegt das Problem woanders. Nämlich bei der flächendeckend undiskutierten Frage: Ist Information Ware oder hat sie nur auch einen Waren-Charakter?

Wenn Information Ware ist, brauchen wir die öffentlich-Rechtlichen nicht, weil sie nur den Markt verzerren. Aber sie ist eben keine reine Ware. Es ist objektiv falsch, daß die Information, die am meisten nachgefragt wird, auch die wahrhaftigste ist. In dem Moment, wo du das akzeptierst, ist die Debatte vorbei, ob es neben den Privaten auch starke öffentlich-rechtliche Sender geben muß.

Es gibt schon Information, die vom Zuschauer nicht abgerufen wird, weil sie ihm entweder nicht relevant erscheint oder weil sie so langweilig verpackt ist, daß, sie im Regal bleibt.

Mmmh. Also unser Dilemma ist doch, daß wir entweder Scheiße senden für viel Geld oder daß wir soviel Geld kriegen, daß wir eigentlich auch Scheiße senden müßten.

Oder anders gesagt: Wenn die Quoten bei uns einmal hoch sind, schreibt „Bild“ doch prompt: „Ihr sollt gefälligst etwas Kulturell-Wertvolles senden, was keine Quoten hat.“ Und wenn wir das tun, „Zweite Heimat“ oder so, und natürlich keine Quoten haben, dann heißt es: „Und für solche Scheiß-Quoten kriegen die soviel Geld.“

Das impliziert erstens, daß Du mit Qualität niemals Quoten erzielen kannst. Und zweitens, daß die ARD immer alles richtig macht. Wenn sie Quoten will, kriegt sie Quoten, wenn sie Qualität will, kriegt sie die auch hin. Es geht nur nicht beides zusammen. Beide Annahmen stimmen doch einfach nicht. Die ARD hat viel schlechte Qualität und deshalb zu Recht viele schlechte Quoten. Rüge, Bednarz und von der Lippe andererseits haben gute Quoten, weil sie qualitativ gut sind.

Wirklich hohe Quoten kriegst du heute doch nur noch mit absolut nivelliertem Zeugs. Aber „die Quote“ ist inzwischen doch ein hohler Zahn geworden. Die Werbeindustrie interessiert sich verstärkt für den einzelnen Zuschauer, für seine Kaufkraft und seine Bereitschaft und Fähigkeit, seine Marke zu wechseln. Mit einer Million kaufkräftiger, entscheidungsbefugter Zuschauer kannst du dich künftig weit besser im Programm halten als mit „Der Preis ist heiß“, wo fünf Millionen Senioren vor der Kiste sitzen.

Diese eine Million wird bei den Privaten immer interessante Programme bekommen, weil Porsche-Fahrer auch immer umworben werden. Wenn du aber ein kleiner Rentner oder Arbeitsloser bist, wirst du bis ans Ende der Tage zu ARD und ZDF geschickt, um dir dort dein Fernsehen abzuholen.

Und außerdem: Informationen, die den Interessen der werbenden Wirtschaft in irgendeiner Form zuwider laufen, werden es im Privat-Fernsehen schwer haben. Diese Informationen gibt es dann nur bei uns.

Deswegen bin ich zwar durchaus für Einstiegsdrogen ins ARD-Programm, aber ich finde nicht, daß wir für jede neue Fernseh-Generation jeden verdammten Scheiß mitmachen und die mit unseren Programmen anfixen müssen – genau wie ein Dealer auf dem Schulhofsklo.

Wen oder was würdest Du dazu als erstes abschaffen in der ARD?

Was wir im Moment am Nachmittag machen, ist eine einzige Katastrophe. Auch quotenmäßig wäre es weitaus besser, unsere Archive zu stürmen – als bei derselben Agentur, bei der Hans Meiser oder Ilona Christen ihre fünf Windelsex-Fetischisten kaufen, nochmal fünf andere Windelsex-Fetischisten nachzubestellen, damit unser Herr Fliege die dann auch noch befragen kann.

In Amerika sind sie mittlerweile mit dieser Masche ja schon bei einer Art Hinrichtungs-Fernsehen angelangt, ganz nach dem Motto: „Und hier ist die Frau, mit der Ihr Mann Sie seit zehn Jahren betrügt.“

Diese Entwicklung können wir dann sowieso nicht mehr mitmachen. Deshalb sollten wir einen Schnitt machen und uns vom Windelsex lieber schon jetzt verabschieden.

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