Construction time again: AXEL SEITZ aus Münster hat das Depeche Mode-Album „Ultra“ im alten Sound aufgenommen
Sieben Uhr morgens. Axel Seitz sitzt auf dem Sofa einer Studenten-WG an Manhattans Upper Westside und macht noch ein Bier auf. „Ich trinke sonst nie“, sagt er, „aber heute muß ich feiern.“ Heute wird er ins Studio fahren, seine Tonbänder abholen und dann nach London fliegen, um zu erfahren, ob den Musikern von Depeche Mode seine CD gefällt. „Vielleicht mögen sie die Musik. Vielleicht schimpfen sie. Vielleicht ist es ihnen auch egal, und sie werden gar nicht mit mir reden.“
Es interessiert Seitz freilich doch, was Martin Gore, David Gahan und Andy Fletcher dachten, als sie ihr Album „Ultra“ veröffentlichten – und gleichzeitig auf MTV ein Video mit dem Song „Sister of Night“ von jenem Album auftauchte, der in Gesang und Sound statt nach Gitarrenrock so elektronisch klingt wie ihre frühen Alben. MTV verlautbarte, eine Band namens Diesel Christ habe den Song produziert.
Axel Seitz spricht von „Retro-Cover“ und von jenem Augenblick, als er vom Stilwandel der Band überrascht worden war. Der Münsteraner hat sich – so wie Tausende von Fans – nie mit dem Wandel Depeche Modes abfinden können. Als die auf „Songs of Faith and Devotion“ statt Kurzfrisur und weißen Hosen plötzlich Leder und lange Haare trugen sowie statt Elektronik auf einmal Rock à la U2 spielten, beobachtete er „Fans, die geheult haben, die völlig irritiert waren.“ Seitz sagt, er sei nicht fanatisch, aber trotzdem schockiert: „Ich fühlte mich verraten und dachte: Schade, ich hätte gerne eine andere Platte gehört.“
Nach dem Schreck hat Seitz, der Bands wie die Krupps produzierte, mit einem Quartett namens Diesel das Album im alten Stil aufgenommen. Die Coverversion von „Walking In My Shoes“ verkaufte 15000 Stück. MTV wollte Depeche Mode und Diesel damals zusammenbringen, aber die Wuppertaler hätten die „Sache versiebt“ – sie wollten mit eigener Musik bekannt werden.
Von „Ultra“ besorgte er sich auf Umwegen ein Demo-Band. Damit niemand Verdacht schöpfte, änderte er seinen Namen in Alex Sacher. In New York stöberte er John Friar auf, der den Sound der ersten DM-Alben gemischt hatte. „Der wußte noch genau, wie er den Gesang hat klingen lassen“, so Seitz. John hat gearbeitet wie ein Wahnsinniger.“ In 14 Tagen hatten sie das gesamte Album eingespielt, das Video drehten sie an einem Wochenende. Tagelang hörten sie sich den Titel an, um den Text zu kopieren – nach deutschem Urheberrecht darf der nicht verändert werden. Schließlich fanden sich die Texte im Internet.
Reaktionen der Fans reichen von „Das kannst du nicht machen!“ bis „Cool!“ oder „Wer hat das erlaubt?“. Axel Seitz interessiert das nicht. Das deutsche Copyright erlaube ihm seine Coverversion, basta! Bevor er die aber auch in Amerika pressen lassen kann, muß der Publisher zustimmen. Zehn Prozent der Fans, rechnet er, werden seine Version als Ersatz fürs Original akzeptieren. Der Rest wird sauer sein.