Neunte Kunst: Lucky Luke sollte sofort in Rente gehen
Klischee-Juden, billige „Star Wars“-Witze und blasse Figuren: Der neue „Lucky Luke“-Band „Das gelobte Land“ ist eine einzige Enttäuschung.
Seit René Goscinnys Tod wetteifern „Asterix“ und „Lucky Luke“, die beiden inzwischen längst zur Legende gewordenen Comic-Serien, die der französische Autor mit seinen klugen Einfällen und einem feinen Gespür für Marotten und der Variation von Klischees maßgeblich geprägt hat, um die am schlechtesten geschriebenen, einfallslosesten Storys. Während Uderzo im Alleingang zeichnete und schrieb und für die Gallier irgendwann keine spannenden Ideen mehr fand, zeichnete Morris bis zu seinem Tod im Jahr 2001 im Verbund mit neuen Autoren. Das war klug.
Seit 2003 übernahm Achdé den Federstrich. Geübt hatte er schon 1999 mit der genialen Hommage „Lucky Luke und Machine Gun Kid“. Er verleiht der Reihe fortwährend zeichnerisch ein herausragendes Niveau. Im Grunde liegt das auch daran, dass Achdé sich stets und grundlegend vor Meister Morris verneigt, all seine Stärken ausspielt und die wenigen gestalterischen Schwächen (den Detailreichtum Uderzos erreichte der Belgier selten) nicht sichtbar werden lässt.
Doch muss man sich nichts vormachen: Der Comic-Serie mangelt es an guten Autoren. Achdé selbst lieferte als Haupttexter höchstens nette Einsichten, zum Beispiel in „Ein starker Wurf“. Laurent Gerra spiegelte zwar die Probleme der Gegenwart – am verdrießlichsten in „Der Mann aus Washington“, mit allerhand schalen Anspielungen auf die tumbe US-Politik – fand aber niemals wirklich zu einer einheitlichen Erzählweise.Wo sind die guten Autoren?
Ausnahme: „Die Daltons in der Schlinge“. Ein ironischer, außergewöhnlich tiefsinniger Blick auf die Daltons mit Gastauftritten von Liz Taylor und Kirk Douglas. Dass Lucky Luke hier Selbstgedrehte verlieh, wurde dann lieber doch vorzeitig rausgestrichen. Die ausgezeichneten Schriftsteller Daniel Pennac und Tonino Benacquista folgten dem Konzept 2012 mit dem sehr lesenswerten Band „Auf eigene Faust“.
Nun ist mit „Das gelobte Land“ bei Egmont Ehapa der neuste, inzwischen 95. Band erschienen (seit 02. März im Handel). Um es vorwegzunehmen, er ist eine einzige Enttäuschung. Nicht nur sind die Zeichnungen von Achdé irritierend schlicht, vor allem die Handlung um eine Gruppe von Juden, die Lucky Luke von Saint Louis nach Montana eskortieren muss, ist dermaßen banal und ohne Sinn für Pointen, dass es keinen Hund aus seiner Hütte lockt. Verantwortlich für die Handlung ist zum ersten Mal Autor Jul (bekannt durch „Silex In The City“, längst auch als TV-Serie umgesetzt).Es dürfte sein letzter Einsatz gewesen sein, denn was hier an haarsträubenden Witzen über die permanent Jiddisch parlierenden Figuren auf dem Weg ins gelobte Land nach Osteuropa gerissen wird, passt auf keine Kuhhaut. Wirklich viel erfährt man nicht über ihre Herkunft und Bräuche – außer eben das, was jedes Kind in einem Lexikon nachlesen könnte. Natürlich gibt es auch einige jener intellektueller Reminiszenzen, die „Lucky Luke“ ja seit je her am Leben erhalten und ihn vor allem auch für ein älteres Publikum interessant machen. Hier sind es ein Gastauftritt der Marx Brothers und ein Indianerstamm, der – wie passend – zu einem verlorenem Stamm Israels gemacht wird. Aber dann muss natürlich auch noch „Star Wars“ eingebracht werden (Lukes Mutter!). So etwas nannte man früher Kalauer, und er hätte lediglich ins „Mad“-Magazin gepasst. Heute fasst man sich an den Kopf.
Starke Nebenfiguren fehlen
Die Story will nie so recht in den Gang kommen, die Bösewichte (zwei ungleiche Fieslinge, die dem Treck nachstellen) sind uninteressant und auch sonst tritt niemand auf den Plan, der den eigentlich immer schon konturlosen Cowboy herausfordern könnte – Achtung, nun folgt der Kalauer auch hier -, über seinen eigenen Schatten zu springen. Die mal bizarren, mal urkomischen Nebenfiguren machen eben den Reiz der Reihe aus. Leider verfestigt sich der Eindruck nach der Lektüre: In dieser Form sollte Lucky Luke, inzwischen seit 72 Jahren auf dem Sattel, lieber in Rente gehen.
Wir warten stattdessen auf einen neuen, ansprechenderen Band und setzen unsere Hoffnungen auf „Asterix in Italien“. Auch deswegen weil das Gespann aus Jean-Yves Ferri (Texter) und Didier Conrad (Zeichner) mit „Asterix bei den Pikten“ und „Der Papyrus des Cäsar“ vor Ideenreichtum sprühte und die eine oder andere Pflaume aus den letzten Jahren, die Uderzo lieblos zusammengeschustert hatte, vergessen ließ.Neunte Kunst ist der neue Comic-Blog des ROLLING STONE. Hier finden Sie Nachrichten, Reviews und Listen aus der Welt der bunten Bilder.