Cohen, Bowie, Mercury und Drake: Lieder voller Schmerz und Zuversicht
Das eigene Verschwinden, verewigt auf dem letzten Album? Kein häufiges Thema in der Popmusik. Leonard Cohens „You Want It Darker“ wirft ein Schlaglicht auf drei weitere große Abschiedswerke.
Nun ist auch Leonard Cohen gestorben, am gestrigen Mittwoch (10. November), etwas mehr als einen Monat zuvor legte er noch sein letztes Album vor: „You Want It Darker“. Der Tod ist ja beleibe kein Unbekannter in der Popmusik, wenn er zum künstlerischen Motiv wie in der Literatur und Malerei wird. Von Robert Johnson bis zu Nick Cave. In manchen Subgenres ist die Beschäftigung mit dem Jenseits gar weit verbreitet. Das Abgründige und Jenseitige als schwarze Triebfeder von Death Metal, Dark Wave und allerlei Gothic-Spielarten. Doch nur selten reicht hier der Tanz des Morbiden über comichafte Formeln hinaus. Es bleibt bei Friedhofskult und Grusel.
Der andere Ansatz kommt vom Blues, vom tief empfunden künstlerischen Ausdruck für die letzten Dinge. Fürwahr keine einfache Sache. Zudem die anfangs unbedarfte Popmusik die heiteren Seiten aufzeigen wollte. Sounds für Teenager, in denen man alles Dunkle abgeschliffen hatte. Schließlich war man jung, schön und konnte sich die Welt kaufen.
Mit dem Erwachsenwerden des Pop und den ersten echten Toten, welche die Wucht und die Verlogenheit des Showbiz nicht mehr ertragen konnten, entstanden Risse in diesem himmelblauen Himmel. Jim Morrison etwa kommentierte sein „The End“ von 1967 mit einem morbiden Zitat: „Es ist seltsam, dass die Menschen den Tod fürchten. Das Leben schmerzt mehr als der Tod. Mit dem Zeitpunkt des Todes ist der Schmerz vorbei. Ja – ich denke, er ist ein Freund!“ Eine Beschwörung der inneren Dämonen, die ihn vier Jahre später über den Abgrund getrieben haben?
Nick Drake – Pink Moon
Ein ganz anderen, weit weniger exaltierten Weg sich zu verabschieden, wählte die notorisch unerfolgreiche Songwriter-Legende Nick Drake. Er legte die Masterbänder seines letzten Albums „Pink Moon“ vor die Tür seiner Plattenfirma. Er wollte schlicht nicht mehr! Weg vom Musikgeschäft – und auch keinen Kontakt mehr zu den Labelmanagern. Nach seiner Zeit in der Psychatrie hatte er schlichtweg keine weitere Kraft mehr. „Pink Moon“ vereint Texte voller Verzweiflung, mit denen er sein genialistisch-spartanisches Gitarrenspiel begleitete. Eine persönliche Katastrophenbeschreibung. Veröffentlicht im Februar 1972 ohne größere Folgen, was Drakes angeschlagenem Selbstbewusstsein den Rest gab. Dennoch machte er Pläne, nahm gar vier weitere Songs auf, die wiederum gleichzeitig brillant wie erschreckend zerstörerisch waren.
„Ich finde keine Worte mehr“, sagte er damals seinem Produzenten. „Ich fühle nichts. Ich will weder lachen noch weinen. Ich bin innerlich tot.“ Zwei Jahre später, am 25. November 1974 fand ihn seine Mutter Molly leblos im Bett. Gestorben an einer Überdosis des Psychopharmakas Tryptizol. Ob er wirklich Selbstmord begannen hatte, konnte nie ganz geklärt werden. Was bleibt, ist „Pink Moon“ als Farewell eines Singer/Songwriters.
Queen – Innuendo
Der Titel „Innuendo“, übersetzt „Anspielung“ oder „Andeutung“ ist typisch für Freddie Mercury. Obwohl er bereits geschwächt von seiner Immunschwäche-Krankheit war, wollte er das letzte Album mit Queen keineswegs offen propagieren. „The Show Must Go On“ heißt dagegen ein Schlüsselsong. Wumms und Paukenknall statt Melancholie.
„Es hat mir einen Riesenspaß gemacht mit euch. Ich muss jetzt ziehen, doch die Show geht weiter“, sang er. Dass Queen nicht mehr tourten und es auch ansonsten im Bandgefüge knackte, blieb für die Öffentlichkeit den üblichen „künstlerischen Differenzen“ geschuldet. Man spielte Freddies süffisantes Bekenntnis „I’m Going Slightly Mad“, mit aller Kraft für die Band! Erst dann machte Mercury auf – und eröffnete der Crew seinen fortgeschrittenen Krankheits-Zustand! „Innuendo“ erschien am 4. Februar 1991, gut zehn Monate später, am 24. November, war Mercury tot.
David Bowie – Blackstar
„Ein Abschiedsgeschenk an seine Fans“ nannte es Produzent Tony Visconti, der bereits zu Beginn der Produktion über den angeschlagenen Gesundheitszustand von David Bowie informiert war. Er musste also einen konzipierten Abschied orchestrieren und dabei alle kreative Sorgfalt und Inspiration wirken lassen. Fürwahr eine heikle Mission.
“Bereit dafür war ich nicht“, erinnert sich Visconti an die Albumproduktion. Ganz zuletzt entstand der Song „Lazarus“.Und noch einmal tanzt Bowie durch das entsprechende Video. Doch der Hauptpart spielt in einem Klinikbett, auf der Bowie mit weißer Maske liegt: „Look up here, I’m in heaven – I’ve got scars that can’t be seen – I’ve got drama, can’t be stolen, Everybody knows me now” singt er und verschwindet schließlich in einem düsteren Schrank.Aus dem „Rock’n’Roll Suicide“, der in Bowies Sturm-und-Drangjahren immer mal wieder zum Schlagwort für einen Lebensstil herhalten musste, findet hier seinen konsequenten Abschluss. Als eine letzte Selbstinszenierung, die im eigenen Ende eine künstlerische Herausforderung sieht. „Blackstar“ als Todesplanet ist ein erschreckend konsequenter Abschluss seiner Saga. Zwei Tage nach Veröffentlichung des Albums verstirbt David Bowie am 8. Januar 2016.