C’mon Everybody
Als Headliner und Held einer legendären Rock'n'Roll-Tour feierte Eddie Cochran an der Seite von Gene Vincent in England die letzten Triumphe.
John Peels stimme verlor ihren mokanten Unterton, wenn er von diesem Konzert erzählte, im Empire von Liverpool ging es über die Bühne, im März 1960. Peel erinnerte sich an kleinste Details. Wie Gene Vincent auf dem Boden kauerte und mit einem langgezogenen „Weeelll“ zu „Be Bop A-Lula“ ausholte. Und wie Eddie Cochran als Monument ultimativer Coolness mit dem Rücken zum Publikum stand, funkensprühende Riffs dreschend, wie die Menge tobte, als er sich gerade noch rechtzeitig dem Mikro zuwandte und den kollektiven Nerv kitzelte: „C’mon everybody, let’s get together tonight.“ Gemeinschaftserlebnisse solcher Intensität und Explosivität habe es bis dahin kaum gegeben, so Peel. Bill Haley, Buddy Holly und Jerry Lee Lewis hätten zwar Britannien besucht und ein wenig in Wallung gebracht, doch was dieser finale Fanfarenstoß des Rock’n’Roll bei rund 50 Gigs binnen zwei Monaten anrichtete, könne nicht hoch genug veranschlagt werden. „Got some money in my jeans and l’m really gonna spend it right“, sang Eddie, und es habe niemand im Empire gegeben, der es bereut hätte, die paar Shillings für das Ticket zu berappen. „Unvergesslich“, urteilte John Peel, „und ohne Zweifel eines der zehn großartigsten Konzerte meines Lebens.“ Das hat Gewicht, wenn es aus dem Munde eines Mannes kommt, der Zeuge tausender Live-Auftritte war. „Ein fantastischer Abend für mich und meine Kumpels“, resümierte Peel, „aber auch ein Motivationsschub für eine ganze Generation junger Musiker, für einige eine Art Erweckungserlebnis.“
Tatsächlich lassen sich zahlreiche Zitate berühmter Künstler finden, die Peels Urteil bestätigen, bis hinauf zu Keith Richards und George Harrison. Immerhin war es die Zeit des Erwachens britischer Popmusik, unmittelbar vor dem großen Coup, den man Beat nannte und der die Musikwelt umkrempeln sollte. Sogar in Amerika. Besonders in Amerika. Noch war Cliff Richard der englische Elvis, noch orientierten sich Britanniens Gesangsstars ausschließlich an US-Vorbildern. Doch obwohl Gene Vincent und Eddie Cochran Headliner und Helden dieser immens erfolgreichen Package-Tour waren, signalisierte der Titel, unter dem die Gastspielreise firmierte, fast so etwas wie Gleichberechtigung: „A Fast-Moving Anglo-American Beat Show“.
Cochran und Vincent stellten das amerikanische Star-Kontingent, indes die englischen Upstarts im Verlaufe der Tournee durchaus eigene Highlights zu setzen wussten, insbesondere Billy Fury, Joe Brown und Georgie Farne. Rock’n’Roller samt und sonders in Aussehen, Attitüde und Sound, wiewohl die dazugehörige Bewegung längst keine mehr war. Eddie Cochran genoss dieses letzte Aufbäumen einer Stilrichtung, weil er es anders interpretierte: als Comeback. Mit seiner bildhübschen, selbst singenden Freundin Sharon Sheeley an der Seite und mit einem garantierten Salär von 250 Pfund pro Show plus Spesen ließ sich gut leben. Eddie verliebte sich in England, ihm imponierten Land und Leute. Vor allem das Interesse der Fans an musikalischen Details und Hintergründen frappierte ihn. „In den Staaten kommen die Kids, um eine gute Zeit zu haben“, äußert er sich in einem Interview, „hier wollen sie auch noch wissen, wem ich meine Gitarrentechnik verdanke und wie ich im Studio Hall erzeuge.“ Letzteres übrigens, für den Fall, das Sie ebenfalls wissbegierig sind: mittels eines leeren Getreidesilos.
Eddie Cochrans Begleitband auf der von Impresario Larry Parnes perfekt organisierten Tour waren die Wildcats, Marty Wildes Gruppe, mit dem brillanten Gitarristen Big Jim Sullivan. Zwei Tage lang wurde geprobt, dann wusste man, was man voneinander zu halten hatte, „It’s a mutual appreciation society“, kommentierte Sullivan, Eddie lobte: „These cats know their stuff“ Die meisten Sets eröffneten mit „Somethin‘ Else“ und endeten mit „What’d I Say“, manchmal auch mit dem Blues-Heuler „My Babe“, bei dem dann Wilde, Fury und Brown einstimmten. Gegen Ende der langen Tour schien der anfängliche Elan freilich verflogen, Eddie litt unter dem Stress, sich allabendlich aufraffen zu müssen, vermisste vor allem „Coke and Jack Daniels“, beides nicht leicht zu bekommen im Nachkriegs-England. Immerhin Ersteres konnte ihm Cliff Richard in kleinen Mengen besorgen, als er Eddie zu einem Jam mit den Shadows nach London einlud. Man diskutierte eine mögliche Kollaboration in naher Zukunft, die es für Eddie Cochran nicht mehr geben sollte.