Club to go
WÄHREND SICH DIE Gentrifikation hinter einer Phalanx von Coffeeshops und Bauernmärkten von Kensal Rise im Westen nach Clapton und Packham im Osten schiebt, müssen auch die Clubs und das Nachtleben immer wieder umziehen – und dabei stets den „Aber nicht bei uns!“-Nachbarn, der Polizei und den Behörden einen Tanzschritt voraus sein.
In den 90er-Jahren erlebten wir das zum ersten Mal in Soho: Eine kurze Zeit lang bekam fast jeder, der wollte, die Genehmigung, Clubs und Bars zu eröffnen. Doch in den folgenden zehn Jahren wurden die Läden wieder dichtgemacht oder die Öffnungszeiten eingeschränkt, weil sich Anwohner über Lärm und Schmutz beschwerten oder das Partyvolk ihnen vor die Haustür pinkelte und kotzte. Genauso lief es in den Nullerjahren in Shoho (Shoreditch und Hoxton) – und jetzt ist die Kingsland Road in Dalston an der Reihe.
Um 2006 herum hatten Partyveranstalter den Reiz exotischer Locations wie Reggae-Clubs, Massagesalons und türkisch/kurdischer Cafébars entdeckt, die das Viertel im Nordosten der britischen Hauptstadt prägen. Und so zog das hippe Nachtleben dort ein. Die meisten Läden hatten zwar nicht die erforderliche Konzession, aber meist dauerte der Spaß ja eh nur eine Nacht. Es folgten neue feste Clubs, die bekanntesten: „Barden’s Boudoir“(heute „The Nest“) und der „Dalston Superstore“, ein schwulenaffiner Club mit Bar und Bistro. Der „Superstore“ startete 2009, ungefähr zu der Zeit, als die italienische „Vogue“ Dalston zu einem der coolsten Spots Europas erklärte – zum Erstaunen der Stadtteilbewohner, die immer noch zwischen Crackhäusern und Billigshops lebten. Schon damals prophezeite mancher, der „Vogue“-Artikel und das Interesse, das er an Dalston auslöste, wären der Todesstoß für das Viertel. Seit 2009 sind dort 49 neue Konzessionen für Pubs, Clubs und Restaurants erteilt worden – und damit seien „die Kapazitäten des Stadtteils erschöpft“.
Nun werden die Bedingungen für die Konzessionsvergabe verschärft – mit Folgen vor allem für die innovative Clubszene. „Wir versuchen nur, ein Gleichgewicht zwischen dem pulsierenden Nachtleben und den Anwohnerinteressen herzustellen“, beschwichtigt Emma Plouviez, Vorsitzende des zuständigen Genehmigungsausschusses.
„Pulsierend“ trifft’s – in Dalston tut sich was. Zum einen eröffnen zahlreiche interessante kleine Geschäfte im Viertel, zum anderen ziehen viele betuchtere Leute in die Neubaublocks und die schicken Hochhäuser am funkelnagelneuen Dalston-Junction-Bahnhof. Und die lieben zwar das neue, hippe Image dieses Teils von Hackney – den Lärm des Nachtlebens wollen sie aber nicht.
Stuart Glen, Inhaber der „Tipsy Bar“, dessen Antrag auf Konzessionsverlängerung gerade abgelehnt wurde, sagt, die Leute, die in Dalston ausgehen, seien „wirklich unproblematisch. Sie sind nicht gewalttätig, sie feiern und amüsieren sich gern, es sind kreative, intelligente Menschen, die sich gern unterhalten.“
Die werden nun weiterziehen – in das nächste zu entdeckende Viertel.
Die neuen Bewohner lieben die Hipness des Viertels – wollen aber auch ihre Ruhe