Cleef Witch Project
Für einen Doku-Fiction-Film spielen Leute von Kettcar und Tomte mit Schauspieler Jürgen Vogel in der Hansen Band. Wir sprachen mit ihnen über "Keine Lieder über Liebe".
Da trafen mal wieder zwei Sphären aufeinander, an einem Frühjahrsabend 2004 im berühmten Konzertclub „Bei Chez Heinz“ in Hannover, und wenn Sphären aufeinandertreffen, geht immer ein Raunen durch die Menge. Als die Hansen Band komplett auf der Bühne stand, fragten sich einige Leute im Publikum, wer denn wohl der kahle Mann zwischen Marcus von Kettcar und Thees von Tomte sein könnte. Andere waren überrascht oder genervt davon, daß der Schauspieler Jürgen Vogel jetzt auch noch singt, fanden die Musik trotzdem gut, erzählten das nach dem Konzert einem herumlaufenden Kameramann – und waren plötzlich selbst so etwas wie Schauspieler.
Der Film, in dem sie spielen, heißt „Keine Lieder über Liebe“, er handelt eigentlich gar nicht von Musik und dreht sich trotzdem um eine dieser rätselhaften Rockbands (wie die Rutles oder Spinal Tap), die es zuerst nur im Kino gibt und die sich dann durch die mächtige Macht der Fiktion – auch in der Welt materialisieren: Für acht Konzerte hatte der Berliner Indie-Regisseur Lars Kraume die unbekannte Hansen Band auf Norddeutschland-Tour geschickt, auf Plakaten simpel angekündigt als Act des Hamburger Grand Hotel Van Cleef-Labels. Kein Zuschauer sollte vorher wissen, daß Jürgen Vogel neben den echten Grand Hotel-Musikern der Sänger sein würde. Und daß die Auftritte den einzigen Zweck hatten, Szenen für den geplanten Film zu generieren.
Vogel schnoddert: „Bei einer abgewichsten Profi-Produktion wäre das so gelaufen: Man holt sich Komparsen für die Konzertsequenzen, damit die auch sicher klatschen. Die Musik wird vorher aufgenommen, auf der Bühne sing ich Playback…“ Das hätte schon deshalb Kraumes kleines Projekt kaputtgemacht, weil „Keine Lieder“ ohne Drehbuch improvisiert wurde. Mit Vogel als Rocksänger Markus Hansen, der von seinem Bruder Tobias (Florian Lukas) und dessen Freundin Ellen (Heike Makatsch) auf Tour begleitet wird. Der Tobias-Charakter argwöhnt, daß Ellen und Markus heimlich etwas miteinander haben – die Geschichte im Groben, alles andere sollte von selbst passieren. Streß, Chill-out, Lagerkoller und Flachs einer Pop-Tournee mußten bei der falschen Hansen Band also so echt wie möglich sein.
„Ich hab mir so in die Hose geschissen vor dem ersten Konzert“, sagt Vogel. „Ich wußte gar nicht, daß es solche Schmerzen gibt. Magenkrämpfe, Fluchtgedanken, insofern bin ich in dem Moment wirklich real.“ Bremen, Wilhelmshaven, Hamburg, Oldenburg. Für eine Show machten sie extra keine Werbung, damit zur Abwechslung mal wenig Leute kommen. Allein der Name Grand Hotel Van Cleef zog gewöhnlich 200 Zuhörer, und das war ein Jahr vor der Top-Ten-Platte von Kettcar.
Auch Vogel hatte die Band nicht gekannt. Ganz am Anfang war eine Anfrage von Universal Records gekommen, ob er nicht mal eine Platte machen wolle. Wollte er zwar nicht, aber mehr oder weniger zufällig paßte das zu der Filmidee, die bei Kumpel Lars Kraume in der Schublade lag. Angeblich hörte sich Vogel zum Casting 20 deutsche CDs an und fand nur Tomte und Kettcar gut. Daniel Lieberberg, Sohn des Großkonzertmeisters und Grand Hotel-Intimus, hatte auch die Hände im Spiel – jedenfalls wird das Soundtrack-Album (es kommt zusammen mit dem Film Ende Oktober) nun vom Major Universal vertrieben, zum ersten Mal in der Geschichte des Grand Hotel-Labels. „Das ist unser BWL-Husarenstück“, witzelt Thees Uhlmann von Tomte über die Cross-Promotion zwischen Film und Platte, und Ende Juli hat die Hansen Band doch tatsächlich weitere Konzerte gespielt, obwohl die Dreharbeiten längst vorbei sind. Die Songs haben Uhlmann, Kettears Marcus Wiebusch und Max Schröder von der Olli-Schulz-Band (seit der Tour der neue Freund von Heike Makatsch) extra für „Vogel-Man“ geschrieben, der bei den Uhlmann-Stücken wie Uhlmann und bei Wiebusch-Stücken wie Wiebusch singt. Vogel selbst sagt, er klinge wie eine Mischung aus Klaus Nomi und Ilja Richter.
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Kleine Warnung: Wer im Privaten oft komplizierte, langwierige, redundante Beziehungs-Gespräche führt, sollte Selbstschutz-Vorkehrungen treffen, bevor er den Film sieht. Keinesfalls verpassen darf man die tollen Szenen, in denen – die logische Umkehrung – die Musiker als ungelernte Schauspieler agieren. Und so realistisch dieses Cinema-Verite-Experiment auch ablief: Die Tour-Erfahrenen entlarvten jedes noch so kleine Rock’n’Roll-Klischee im Hinterkopf des Regisseurs. „Im ,Klingklang‘ in Wilhelmshaven“, erzählt Kettcar-Wiebusch, „da hat man früher gespielt. Ein bißchen versifft, miese Unterbringung, das würden wir heute nicht mehr machen. Und dann kommen wir da hin, und die ganze Filmcrew brüllt: ,Mann, ist das geil hier!“‚
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