Christian Ulmen – Heroin und Hose
Christian Ulmen entdeckte den Rock'n'Roll durch Guns N'Roses.
„Use Your Illusion II“ von Guns N’Roses war mit 14 oder 15 meine erste Berührung mit Popmusik. Das war das erste Album, das ich mit Hingabe gehört habe. Ich hatte sogar eine kurze Phase, in der ich aussehen wollte wie Axl Rose. Er hat mich bei den Konzerten beeindruckt mit seinem fixierenden Blick in die Menge. Ich trug eine Woche lang dieses Stirnband und einmal sogar diese Radlerhose. Aber insgesamt war das Outfit nicht von Erfolg gekrönt, und ich habe das ganz schnell wieder verworfen. Die Mädchen mochten „Use Your Illusion I“ lieber, weil „November Rain“ drauf war. Aber man sah schon am Cover, dass „Use Your Illusion II“ die ehrlichere, dunklere Platte war. Als ich sie gekauft hatte, hielt ich mich für einen harten Rocker mit tiefem musikalischen Sachverstand. Auch wenn ich das Bild vorne drauf wohl falsch verstand: Ich dachte, da würde sich ein krasser Typ Heroin spritzen, das fand ich total abgefahren. In Wirklichkeit schreibt ein Engel einen Brief – an Slash oder so. „Use Your Illusion II“ war der Soundtrack zu meiner Pubertät. Die Offenheit, mit der Slash über Sex geredet hat, hat mich damals allerdings schockiert und verunsichert. Auch die Texte von Guns N’Roses waren schwierig. Auf ihrer Platte „G N‘ R Lies“ gibt es den Song „One In A Million“, da singt Axl Rose: „Police and niggers get out of my way“. Ich wurde zu political correctness erzogen, und wenn ich den Song laut gehört habe, habe ich bei der Zeile immer leise gedreht. Guns N’Roses waren also auch meine erste Berührung mit dieser Rockattitüde – der Abschreckung, aber gleichzeitig der Faszination. Doch dann hat man das als Posertum durchschaut und die Radlerhosen von Axl Rose waren plötzlich extrem peinlich. „Use Your Illusion II“ ist nicht zeitlos. Aber die Erinnerung, die ist zeitlos gut.