Chris Isaak – Solitary Man
Chris Isaak über das alte Sun-Studio, seine Cartoons und Wrestling-Masken aus Mexiko
Sein ganzes Künstlerleben lang singt Chris Isaak über Tränen und gebrochene Herzen. Als David Lynch 1990 eine Szene in „Wild At Heart“ mit einer instrumentalen Version von „Wicked Game“ unterlegte, wurde Isaak vom sinister-eleganten Rockabilly-Sänger zum Kuschelrocker für die Massen. Gelegentlich schauspielert er auch, doch bis heute hat er nur eine wahre Liebe: die Musik. Wenn er nicht gerade tourt oder aufnimmt, lebt Isaak in San Francisco – in einem Single-Haushalt. Für „Beyond The Sun“ widmete er sich den Helden seiner Jugend, coverte neben Elvis und Johnny Cash auch unbekanntere Sun-Records-Künstler wie Jimmy Wages.
Herr Isaak, Sie haben Ihr neues Album im Sun-Studio in Memphis aufgenommen. Ist es dort noch wie früher?
Es sind dieselben Akustikelemente an den Wänden wie 1956, dasselbe Linoleum auf dem Fußboden. Als mein Bassist fragte, wo er seinen Bass aufstellen soll, sagte ich: „Guck, da ist ein Loch im Boden, in das schon Bill Black (Elvis‘ Bassist) den Fuß seines Instruments gesteckt hat.“ Ich glaube nicht, dass sich viel verändert hat. Die meisten berühmten, geschichtsträchtigen Orte entwickeln irgendwann eine Geschäftsmentalität und verbieten alles Mögliche. Aber die Leute vom Sun-Studio meinten nur: „Ihr könnt aufnehmen, fotografieren, filmen. Und hier ist der Schlüssel zum Imbiss nebenan.“
Sie haben auch Roland Janes getroffen. Er hat in den 50ern auf vielen Veröffentlichungen von Sun Records Gitarre gespielt und war außerdem mit Jerry Lee Lewis unterwegs …
Er könnte ein Buch über diese Zeit schreiben. Ich habe ihn gefragt, warum er sich von Jerry Lee getrennt hat. Er antwortete: „Ich glaube, das habe ich noch nie jemandem erzählt: Wir haben darüber gestritten, wer mehr Baumwolle pflücken kann.“ Verrückt, oder? Als junge Männer haben sie wohl beide noch auf dem Feld gearbeitet. Das war eine andere Welt.
Auf „Beyond The Sun“ haben Sie auch Jerry Lee gecovert. Mit Ihren Interpretationen kleben Sie sehr an den ursprünglichen Versionen.
Ich habe nicht versucht, irgendetwas neu zu erfinden. Wenn man sich die Originale anhört, wird man aber feststellen, dass meine Aufnahmen keine Kopien sind. Ich wollte einfach, dass sie klingen, als hätte sie ein anderer Künstler in den 50ern aufgenommen. Ich war immer enttäuscht, wenn Leute betont haben, sie hätten im Sun-Studio aufgenommen, aber dann klang das Ergebnis wie eine Disco-Platte.
Außer Musik scheint Ihnen nicht viel im Leben wichtig zu sein.
Wenn ich mal einen freien Tag habe, weiß ich nicht, was ich damit anfangen soll. Ich zeichne zwar viele Cartoons, aber normalerweise endet es damit, dass ich wieder zur Gitarre greife und versuche, an neuen Songs zu arbeiten. Musik ist nicht das Wichtigste, was ich tue – sie ist alles.
Was sind denn das für Cartoons?
Ich zeichne alles: Comic-Figuren und wilden Sex, andere Sachen sehen niedlich aus wie Disney. Ich habe einen Cartoon, in dem es um ein kleines Mädchen geht. Ihre besten Freunde sind ein Baum und eine Blume. Oder ich zeichne Kerle, die in einer Band spielen. Immer wenn ich auf Tour an einem Bastelladen vorbeikomme, kaufe ich zwei, drei Stifte. Statt im Hotel Fernsehen zu gucken, sitze ich da und zeichne. Es macht viel mehr Spaß, ist entspannender, und nach drei Stunden hat man etwas in der Hand.
Wie sieht’s aus mit Groupies? Sie sind 55 Jahre alt und flirten auf Ihren Shows noch immer mit den Frauen im Publikum …
Ich gehe ins Publikum, und vielleicht flirte ich, jedenfalls bin ich glücklich und lächle. Aber ich denke dabei nicht daran (lacht), mir diese Mädchen zu greifen. Die Leute glauben immer, Rock’n’Roll bedeute Sex und Drogen. Ich nehme keine Drogen, und nach dem Auftritt fahre ich gleich zur nächsten Stadt. Da gibt es nicht viel Sex. Ich wünschte, es wäre so!
Obwohl Sie über Frauen singen und Video-Clips mit Models gedreht haben, halten Sie einige für schwul.
Es ist witzig, dass sich die Leute überhaupt darum kümmern, schließlich bin ich Sänger und kein Sexarbeiter. Es gab mal einen Fototermin in meinem Haus. Als das Team in mein Schlafzimmer kam, sagte einer: „Jetzt weiß ich, dass er schwul ist.“ Ich fragte: „Warum sagen Sie das?“ Es kam so: Am Ende meines Bettes hängen zwei mexikanische Wrestling-Masken. Auf einer steht master und auf der anderen slave.
Ähm …
Das waren Sticker, die ich von den Master- und Slave-Bändern im Tonstudio abgezogen hatte. Das war einfach ein Witz. Aber jemand hat sie gesehen und sich gedacht: „Oh, er ist wirklich abartig!“ Ich finde das großartig. Bisher ist mir zwar nichts Wildes passiert, aber ich bleibe optimistisch. (lacht)
Ihre Mutter soll mal zu Ihnen gesagt haben: „Sohn, du wirst nur wahrhaft glücklich werden, wenn du verheiratet bist.“ Hoffen Sie noch, die Liebe Ihres Lebens zu finden?
Man sollte diese Hoffnung nie aufgeben. Der Großteil meines Lebens war sehr seltsam. Die meisten Leute wollen ein Rockstar sein, um die Welt reisen, in Filmen mitspielen und viel Geld verdienen. Aber die Realität sieht ein bisschen anders aus. Mein Leben besteht zum größten Teil aus Arbeit mit der Band, Reisen und Rennerei, um Deadlines einzuhalten. Ich liebe die Arbeit. Wenn ich all die Dinge getan hätte – wilder Sex, Drogen -, wäre keine Zeit für die Arbeit gewesen. Und wenn ich geheiratet hätte, wäre es wahrscheinlich auch schwer geworden. Meine Eltern sind seit 60 Jahren verheiratet. Ich bin also vollkommen für die Ehe, denn ich habe eine gute gesehen. Aber es wäre schwer, so etwas zu bewahren und gleichzeitig in einem Bus zu leben.