Chris Cacavas , Tübingen Cafe Parterre
Das ist eine Tour für hart arbeitende Menschen. 28 Konzerte in 33 Tagen, auch am Ostersonntag, unter anderem an attraktiven Plätzen wie Wedel und Tutlingen. Und für Chris Cacavas nicht nur jeden Abend die Frage, wie tief er seine Ambitionen noch schrauben soll, sondern auch zum ungezählten Mal der Test für eine neue Band: Studioarbeit schön und gut, aber würden Sie mit diesen Leuten in Europa-Urlaub fahren? Erst im Oktober war er als Keyboarder von Kumpel Steve Wynn auf großer Reise gewesen, als One-Man-Vorgruppe und Pokerface in einer ansonsten gut gelaunten Kapelle, zu der er nicht richtig zu gehören schien. Und als sich im Zugabenteil der Tübinger Show ein ausgelassener Zuhörer „Pale Blond Hell“ von Cacavas‘ vorletzter (oder gar vorvorletzter) Band Junkyard Love wünscht, reagiert der Mann tatsächlich leicht gereizt.
Der logische Vorteil im Bistro Parterre, in dem wie bestellt kurz vor Schluss die Sicherung rausfliegt und die Musiker sich auf dem Weg nach Backstage durch die Biertrinker drängeln müssen: mit rund 60 Zuhörern ausverkauft. Viele werden an der Eingangstür wieder heimgeschickt Der Verdichtungs-Effekt wirkt noch stärker, weil Chris Cacavas‘ neues Begleit-Trio (mit dem er jüngst die Platte „Bumbling Home Front TheStars“ gemacht hat) eine Art galoppierendes Crazy Horse ist und den Leader so weit nach vorn stößt, dass er es sich leisten kann, auf seiner Akustik-Gitarre voll verzerrte Soli zu spielen. Angekündigt war ja, dass Chris Cacavas den puren, unbehauenen Song simulieren werde. Der pure, unbehauene Krach, der sich dazwischenkuschelt und in einigen berauschten Momenten freiförmig wuchert, ist eigentlich zu groß für das Cafe.
Man kann sich weiterhin auf die zynischen Aspekte von Cacavas‘ Liedern konzentrieren, auf die Geschichte von „I Just Killed A Man“, in dem der amerikanische Mörder sich in Disneyland Absolution holen will und beteuert, nie einen Finger als Souvenir behalten zu haben. Dass er sich mit der neuen Band erstmal wohlfühlt, dass er sich nicht mehr als „Anonymous“ gefällt, ist offensichtlich. „Eigentlich bin ich Chris Cacavas!“ sagt Gitarrist Jesse Wilder, als er Lead Vocals singt Und der Chef: „Gott, seh‘ ich plötzlich gut aus!“