Cherry Poppin‘ Daddies
Um das von vorneherein klar zu stellen: Die Cherty Poppin‘ Daddies sind keine Swingband, sondern eine Band, die swingt Alles klar? Die acht Burschen aus Eugene/ Oregon, die sich in den späten 80er Jahren aufmachten, der aufblühenden Grunge-Szene Paroli zu bieten, waren nämlich schon immer vielseitiger als die meisten ihrer eher rückwärts orientierten Kollegen und mischten unbekümmert Ska, Punk und andere Klänge mit traditionellerem Jump-Blues und Bigband- Sound. Doch erst das vierte Album, „Zoot Suit Riot“, eine Kompilation von Swing-Nummern früherer Alben, entpuppte sich als Überraschungshit, der den Neo-Swing-Boom in den Vereinigten Staaten noch mehr ins Rollen und ins Rampenlicht brachte.
Die Kehrseite des kommerziellen Erfolges? „In den Second-Hand-Läden kosten die gleichen Klamotten, die wir früher für einen Dollar kriegten, jetzt 50 Scheine oder sogar noch mehr“, lamentiert Sänger Steve Perry. „Wenn wir das doch bloß vorher gewusst hätten…“
Meet the Band
Steve Perry, Vocals; Jason Moss, Gitarre; Dan Schmid, Bass; Tim Donahue, Drums; Dana Heitman, Trompete; Sean Flannery und Ian Early, Saxofon; Johnny Goetchius, Keyboards.
Swing goes Metal
Perry: „Noch gestern Abend spielten wir in New „York als Zugabe eine Hardrock-Nummer; ganz ohne Bläser! Keine der anderen Swingbands würde so was machen. Und unsere Fans sind davon auch nicht alle begeistert. Viele haben halt mit ‚Zoot Suit Riot’gehört und wissen nicht, dass wir grundsätzlich ganz gerne herumexperimentieren, auch völlig andere Stile ausprobieren. Sei’s drum – wir machen’s trotzdem aus Überzeugung. Bloß weil wir jetzt erfolgreich sind, müssen wir ja nicht gleich unsere Seele verkaufen.“
Daddy is a Punkrocker
Schmid: „Wir versuchen, grundsätzlich alles zu spielen, was irgendwie swingt egal, was auf dem Etikett steht: Swing, Punk, Soul, Bigband, Funkrock. Diese Schubladen sagen nichts darüber aus, ob die Musik nun swingt oder nicht. The Damned aus England etwa sind ein prima Beispiel für eine Punkrock-Band, die durchaus swingen kann. Swing wird letztlich viel mehr vom Gefühl als vom nackten Metronom diktiert. Andererseits gibt es die Zweihundertprozentigen, die aus Swing gleich einen Lebensstil, ja gar eine komplette Weltanschauung machen. So weit würde ich nun nicht gehen wollen. Es ist mehr eine Art zu leben, etwas, das du entweder im Blut hast oder nicht.“
In the mood
Perry: „Meine ganze Persönlichkeit kommt in den fiktiven Charakteren unserer Songs zum Vorschein. Ich gehe sogar so weit, sie zu quälen, sie zu foltern. Ist sicher etwas gewöhnungsbedürftig, wo heutzutage doch die meisten Songs so ich-bezogen sind: „Ich hab das gemacht“, „Ich fühle jenes“, „Schau, was ich für’n cooler Typ bin, geh ins Bett mit mir, Süße“. So was interessiert mich nicht. Natürlich, über das Bett könnte man reden, aber das hat ja nichts mit Musik zu tun.“
Stilfragen
Perry: „Wenn’s um Mode geht, könnten ein paar von uns nicht mal ein Scheunentor auf zwei Meter treffen du weißt schon, total ätzende Krawatten und bescheuerte Schuhe. Diejenigen von uns, die ein bisschen mehr auf der Pfanne haben, tun ihr Bestes, um den modisch Minderbemittelten was beizubringen. Aber in punkto Lebenshilfe sollte man generell vorsichtig sein: Vor ein paar Wochen hab ich meine ehemalige Freundin wiedergetroffen, und die meinte: Jetzt läufst du auch schon in diesem albernen Retro-Look mm. Als Punkrocker gefielst Du mir besser. Kannst du nicht ’n bisschen variieren?‘ Ich war sowas von gefrustet.“
Mode oder mehr?
Schmid: „Diesen durchschlagenden Erfolg hatten wir wirklich nicht erwartet. Wir dachten, wir könnten genug Platten verkaufen, um zumindest den Vorschuss unserer Plattenfirma wieder einzuspielen. 1,2 Millionen Alben allein in Amerika, das ist wirklich der Hammer. Naja, es liegt wahrscheinlich nur daran, dass wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren.“
Perry: „Das Problem ist nicht, dass die meisten Leute vermutlich schon nächstes Jahr Swing wieder blöd finden werden und das Ganze in der Versenkung verschwinden wird. Das tangiert mich überhaupt nicht, schließlich haben wir schon 1989 Swing gespielt, als sich noch kein Schwein dafür interessierte. Das Problem ist vielmehr das, dass wir heute einfach nur wir selber sein und nicht mit dem Swing-Boom in eine Ecke gedrängt werden möchten. Wir haben tolle Songs in unserem Repertoire, die rein gar nichts mit Swing zu tun haben, und die sollen die Leute auch hören. Und wenn wir neues Material schreiben, möchte ich nicht das Gefühl haben, von dieser Image-Geschichte eingeengt zu werden. Ich will nicht dauernd versuchen müssen, etwas zu sein, das ich nicht bin.“