Charly Hübner und Sven Regener über den neuen Element-Of-Crime-Film

„Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin“ kommt in die Kinos. Ein Film, der eine Band feiert, die sich selbst nie so wichtig nimmt: Element Of Crime.

Regisseur Charly Hübner begleitete Element Of Crime durch Berlin, das Ergebnis kommt jetzt ins Kino. Wir haben mit ihm und Sven Regener über die Freuden und Tücken des Projekts gesprochen.

Am 1. Oktober kommt „Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin“ in die Kinos – ein Film, der eine Band feiert, die sich selbst nie so wichtig nimmt: Element Of Crime. Es ist Charly Hübners dritte große Regie-Arbeit nach „Wildes Herz“ (2017) und „Sophia, der Tod und ich“ (2024). Er hat die Elements auf ihrer Berlin-Tournee im Sommer 2023 begleitet: fünf Konzerte von ganz klein (Privatclub) bis ziemlich groß (Zitadelle Spandau).

Und zwischendurch haben Sänger/Songschreiber/Trompeter Sven Regener, Gitarrist Jakob Ilja und Schlagzeuger Richard Pappik über alte Zeiten geredet und auch ein paar Archiv-Aufnahmen rausgerückt. Wir haben mit Hübner und Regener über das Herzensprojekt geredet.

Wie kam die Idee überhaupt zustande und war gleich klar, dass die fünf Konzerte im Mittelpunkt stehen?

Hübner: Der zweite Teil der Frage ist schon die Antwort. Der erste Teil: Charlotte Goltermann, die Managerin von Element Of Crime, hat mich vor drei Jahren im Frühling angerufen und gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, bei dieser Städte-Tournee die Band mit der Kamera zu begleiten und das zu einem Kinofilm zu machen. Und ich habe sofort ja gesagt. Also war klar, dass es irgendwann diese fünf Konzerte geben wird – aber mir war nicht klar, dass das innerhalb nur einer Woche sein würde.

Regener: Es war alles Charlottes Idee. Wir wollten das zuerst gar nicht. Ich kann zumindest von mir sagen, dass ich nicht davon überzeugt war und Angst davor hatte. „Es muss jetzt mal einen Film über euch geben!“ – „Ach nee, jetzt hör auf!“ Das ist ja anstrengend und man muss aufpassen und so … Und dann sagte sie: Charly Hübner, fünf Tage, eine Tournee durch Berlin.

Da wussten wir, dass es auf jeden Fall eine starke, exzentrische Note in dem Film geben würde, denn er sollte ja auf keinen Fall eine Lobhudelei sein, die sich die Band bestellt hat. Das wäre ja peinlich. Oder wie so ein Lebenswerk-Preis: Das war’s dann. Dann wird nur noch über die Vergangenheit geredet. Deshalb war die Idee mit der heutigen Tournee so gut. Die Band ist ja am Leben und schwärmt nicht nur über die alten Zeiten. Und dann fand ich es toll, die Band mit Charlys Augen zu sehen – das ist ja eine sehr spezielle Sicht.

Der Film besteht neben den Konzertaufnahmen auch aus Interviews und Archivmaterial. Was war der komplizierteste dieser drei Bestandteile?

Hübner: Es ist immer das, was es ist. Es war klar, dass ich bei den Interviews in die offene Entspannung reinkommen muss. Was die Musik ja macht, ist, dass sie das Herz öffnet – um mal in so einem Klischee zu sprechen. Mich zumindest erreicht sie eher vegetativ – ich höre auch die Texte so, nicht verstandesgemäß. Für mich war verblüffend, dass ich erst am fünften Tag – nach 30 Jahren! – „Weißes Papier“ zum ersten Mal in Gänze begriffen habe. Das ist ja verrückt!

Durch die Musik wird man so in das Gefühl getragen, dass man eigentlich nur Fragmente wahrnimmt. Und unterm Kopfhörer habe ich das auf einmal ganz anders gehört – weil ich ja schon überlegt habe, was das passende Bild dazu für den Schnitt ist. Das war ein fortlaufender Vorgang, diese Auseinandersetzung mit der Band.

Auch die Gespräche haben wir nicht mit einer Ziellinie im Blick geführt, im Gegenteil. Wir setzen uns an Orte, wo sie sich gern zeigen lassen wollen. In die Madonna-Bar oder ins Schwarze Café, wo Richard mal gekellnert hat. Dann redet man erst mal darüber und kommt irgendwann nach 40 Minuten bei Element Of Crime an.

„Ach, ganz schön viel ältere Männer, die über sich selbst reden“

Dadurch hat man aber schon ganz viel verstanden, und die Gesprächssituationen hatten eine gelassene Ruhe – von der man dann zu den musikalischen Extremen geht. In die Stille, wie bei „Moonlight“ oder ins schön Wegfliegende wie bei „Draußen hinterm Fenster“ oder das tolle Midtempo von „Nur der Anfang“.

Danach kommt natürlich noch die Schnittarbeit. Da zeigst du das der Band, und die sagt: Ach, ganz schön viel ältere Männer, die über sich selbst reden … Das allein trägt als Kinofilm natürlich nicht. Wenn die alle eine Leiche im Keller hätten, vielleicht, oder sich live vor der Kamera erstmals seit 30 Jahren wiedersehen würden. Deshalb sind die Konzerte so wichtig.

 

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Was habt ihr euch denn als Zielpublikum vorgestellt – Element-Of-Crime-Fans, bei denen man einiges an Wissen voraussetzen kann?

Hübner: Ich finde, das ist ein schwieriger Begriff. Wenn ich einen Film über Element Of Crime oder auch über Feine Sahne Fischfilet oder auch „Sophia, der Tod oder ich“ mache, dann denke ich erst mal nicht an ein Zielpublikum. Ich möchte erst mal nur dem Sujet gerecht werden. Wenn ich von Anfang an gedacht hätte, ich möchte nicht nur die Fanbase erreichen, sondern auch neues Publikum akquirieren, wäre ich sofort gelähmt gewesen.

Regener: Ich glaube, das ist auch der richtige Weg. Man macht erst mal das, was man für richtig hält, und dann überlegt man, wer daran Interesse haben könnte. So war es bei Element Of Crime letztendlich auch immer. Wir haben uns ja weiß Gott nicht überlegen können, wer das Zielpublikum für unsere Art von Musik ist. Mitte der 80er-Jahre war da nicht viel. Also haben wir die Songs so gemacht, wie wir sie mochten, und dann wird sich schon jemand finden, der auch was davon hat.

So ähnlich sehe ich es auch mit dem Film – wir wollten einfach mal zeigen, was da ist. Da hatte Charlotte eben doch recht: Es war Zeit dafür, wir machen das ja nicht umsonst seit fast 40 Jahren. Da ist eine Kraft in dieser Band, die sehr besonders ist. Deshalb hält man daran fest, auch wenn es nicht immer einfach ist. Ich bin froh, wenn ich sehe, dass der Film dem hinterherspürt und versucht, das darzustellen. Es ist nichts Endgültiges oder Erschöpfendes, sondern eine Momentaufnahme.

Da ist eine Kraft in dieser Band, die besonders ist

Sven, bei unserem letzten Gespräch, vor den Dreharbeiten, hast du noch gesagt: „Wir sind dann eben die Objekte“, und dass ihr die Kontrolle abgeben müsst. Wie habt ihr denn zum Beispiel das Archivmaterial ausgewählt? Habt ihr da allzu Peinliches zurückgehalten?

Regener: Also ich finde den sehr jungen Regener, der da bei Zatopek (seiner Band vor Element Of Crime) die große Fresse hat, schon ziemlich peinlich! Aber dann habe ich mir gesagt: Da musst du schon durch, Sven. Irgendwie ist es ja auch geil, diese Frechheit. Und ich muss sagen, das Video zu „Murder In Your Eyes“, an der Mauer mit diesem gelben Himmel – das muss man sich auch erst mal trauen. Insofern haben wir uns eigentlich nichts geschenkt. Was viel Peinlicheres gab es nicht!

Manche Videos hatte ich schon verdrängt. Wir sind ja eine Band von Videoclip-Skeptikern, aber es ist schon gut, diese Aufnahmen von der jungen Band zu haben, auch zum Beispiel die von der „WDR-Rocknacht“. Jakob hat viel Archivmaterial zusammengesucht.

„Die wichtigste Phase beim Schneiden ist, wenn der Film sagt: Ich atme“

Hübner: Wir haben viele Videos jetzt ganz anders eingesetzt, dadurch kriegst du auch noch mal das Konkretere und das Diffusere gleichzeitig. Wie Element Of Crime eben sind. Wir haben Videos und Songs zusammengesetzt, die gar nicht zusammengehören. Gern hätten wir noch das Fußballspiel reingekriegt, aus dem Video zu „Jung und schön“.

Aber irgendwann hat der Film seine Mitte, und dann musst du – wie bei einem Teenager – darauf achten, dass du nicht noch zu viel Bildungsauftrag reinhaust. Die wichtigste Phase beim Schneiden ist, wenn der Film sagt: Ich atme. Dann darfst du nicht sofort noch mehr draufpacken. Wenn du alles zukleisterst, ist es nur noch eine Tapete.

Regener: Wenn der Tannenbaum überschmückt ist…

Hübner: … siehst du nur noch die Kugeln.

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Die Rezension zu „Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin“ lesen Sie in der Oktober-Ausgabe des ROLLING STONE.

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