Charlotte Gainsbourg
Und nein - über die Eltern spricht sie lieber nicht!
Mit Air, Divine Comedy und Pulp-Jarvis hat die Actrice die erste echte Platte gemacht. Live zu singen traut sie sich aber nicht.
Das erste ernstzunehmende Album von Charlotte Gainsbourg, Tochter von Serge Gainsbourg und Jane Birkin, ist genau so, wie man es sich vorgestellt hatte. Auf „5.55“ wird viel geflüstert von alles absorbierender Liebe und Leidenschaft, von Kontrolle, Abhängigkeit und den Wirrungen der Nacht insgesamt. Die Musik dazu ist milder französischer Elektro-Pop und stammt von Air, die Texte übernahmen Neil Hannon (ein bisschen) und Jarvis Cocker (fast alles), und Charlotte Gainsbourg singt und rezitiert dazu in besagter Weise. Im Gespräch wirkt die 35-Jährige nicht wie das scheue Reh, als das sie oft beschrieben wird: Die Gedanken sind klar, die Worte wohlüberlegt – man hat es mit einer Frau zu tun, die feinsinnig wirkt, der Kunst verschrieben und voll femininer Intuition. Aber das Fragile fehlt glücklicherweise ebenso wie das überkandidelt Abgehobene der Eltern. Apropos Eltern: Über die soll, sagt das Management im Vorweg, nicht gesprochen werden. Wie es wohl war im Garten von Jane Birkin, wie es wohl ging mit dem Vater und seinen jungen Mädchen, dem Alkohol, den Exzessen – tabu. Aber der wilde Serge ist dann natürlich doch ein Thema.
Warum ist jetzt ein guter Zeitpunkt für Ihr erstes richtiges Album?
Ich hatte schon lange den Wunsch, wusste aber nicht, wie ich’s anfangen wollte – ich liebe Musik sehr, und deshalb wollte ich einen guten Start erwischen. Sicher, ja, ich habe früher mit meinem Vater ein paar Lieder aufgenommen. Aber mit einem eigenen Statement als Sängerin hatte das natürlich nichts zu tun. Als JB und Nicolas von Air vor Zweijahren auf mich zukamen und mir eine Zusammenarbeit vorschlugen, schien mir der Moment gekommen zu sein, auch wenn ich zunächst große Bedenken hatte. Aber ich liebe Air schon seit dem Debütalbum und hatte mir genau so einen Stil für meine eigene Platte vorgestellt. Da habe ich es gewagt.
Und dann haben Sie zusammen im Studio gesessen und komponiert?
Ich weiß, dass ich kein Songwriter bin – ich habe andere Menschen gebraucht, um eine Platte zu machen. Ich war am Songwriting nicht direkt beteiligt, sondern habe mir angehört, was JB und Nicolas jeweils für mich vorbereitet hatten. Trotzdem stelle ich mir vor, dass ich das Endergebnis durch meine Anwesenheit im Studio beeinflusst habe. Wie eine Muse vielleicht.
Sind Sie denn die Frau in ihren Liedern?
Eher nicht, würde ich sagen. Natürlich erkenne ich Teile von mir wieder, aber es geht auf dem Album nicht darum, mich selbst zu inszenieren. Ich wollte mir die Texte zu eigen machen, wie ich mir eine Filmrolle zu eigen mache. Ich wollte in ihnen leben, sie atmen.
Haben Sie denn nicht irgendwie vorgegeben, was getextet wird?
Song ihres Vaters: „Lemon Incest“ erregte die Gemüter, zumal die beiden sich im Video leicht bekleidet im Bett wälzten. Danach sang sie auf den Soundtrack „Charlotte For Ever“. den ebenfalls der Papa komponierte. Später gab es weitere Soundtrack-Lieder sowie diverse Kollaborationen.
Nein, nicht wirklich. Neil Hannon hatte ein oder zwei Sachen geschrieben, hatte dann aber keine Zeit mehr. Richtig spannend wurde es, als Jarvis kam – wir haben uns zusammengesetzt und viel geredet, um einen Anknüpfungspunkt für die Platte zu finden. Es kristallisierte sich dann bald diese nächtliche, leicht traumartige Szenerie heraus, von der aus alle Texte entstanden sind. Es war fantastisch, mit Jarvis zusammenzuarbeiten – fast, als würde er in mich hineinsehen können.
Konnte man nicht auch sagen, dass die Texte – und auch die Musik – zunächst mal nur das Bild bestätigen, das Menschen von Ihnen und Ihren Eltern im Kopf haben?
Mir ist schon bewusst, dass es in der Musik durchaus Ähnlichkeiten zu der meines Vaters gibt, aber gerade bei den Texten wollte ich mich von denen meines Vaters distanzieren.
Wie haben Sie das gemacht?
Ich habe mir meine Muttersprache verkniffen und stattdessen englisch gesungen. Das ist ein sehr großer Unterschied.
Werden Sie ab jetzt Musikerin sein, regelmäßig Platten veröffentlichen und Konzerte geben?
Ich mache keine Pläne, es kommt, was kommt. Aber ich habe Bedenken, was mögliche Konzerte angeht – ich finde, man muss gut sein auf der Bühne und als Performer bestehen können. Ich habe aber keinerlei Erfahrung und kann sie auch nicht über Nacht sammeln, zumal ich mir sicher bin, das Talent meines Vaters nicht geerbt zu haben. So recht glaube ich also nicht daran, dass ich als Sängerin auf der Bühne stehen werde.
Charlotte Gainsbourg bleibt Schauspielerin?
In erster Linie, ja. Ich liebe diese Arbeit, und ich kann mir nur schwer vorstellen, viel Zeit für etwas anderes zu opfern. Aber ich gebe durchaus zu, dass die Aufnahmen für das Album mir Lust auf mehr gemacht haben…