Charles Pasi – Bübischer Beau
Der junge Franzose Charles Pasi irrlichtert zwischen Jazz, Blues und großem Drama - den Saxofonisten Archie Shepp konnte er überzeugen
Charles Pasi sagt, er könne nicht ausschließen, am Abend betrunken auf dem Tresen zu tanzen. Es ist Vatertag in Berlin, und für den französischen Jazz-Modernisten ist es der letzte Tag einer kurzen Deutschland-Tournee. Im A-Trane, einem gediegenen Jazz-Wohnzimmer in Charlottenburg, stellt Pasi „Uncaged“ vor. Ein Album, das milieutypischem Historismus mit forschem Jugendstil entgegentritt. Angesprochen auf den Gehalt des Titels, nimmt Pasi, mit seinen 28 Jahren ein recht bübischer Beau mit angeschmirgelter Blues-Stimme, sogleich Kampfstellung ein: „Ich wollte ausdrücken: ‚Sperrt mich ja nicht in einen Käfig. Ich bin kein Soul- oder Blues-Man. Kein reiner Jazzer, auch kein Rocker‘.“
Pasi ist vor allem kein Pretender. Er sagt zwar, er liebe die „Old Guys“, vor allem Bob Dylan, dessen „Mr. Tambourine Man“ ihn mit 17 Jahren zu seinem ersten Instrument, der Mundharmonika brachte. Dabei fällt Pasi – in Frankreich längst als brillanter Solist und Fernsehgesicht anerkannt – mittlerweile das vernichtende Urteil eines Profis: „Dylans Harmonikaspiel ist furchtbar. Er hat seinen eigenen Stil, aber trifft wirklich keinen Ton.“ Neben Dylan verehrt er den Tango-Virtuosen Hugo Diaz, Stevie Wonder, Hendrix, Bob Marley. Obwohl bei Pasi zu Hause in Paris also viele Büsten herumstehen, die reine Imitation von Legenden ist seine Sache nicht. Vielmehr kontrastiert er auf dem Album moderne Jazz- und Blues-Phrasierungen mit leichtherzigen Pop- und Raga-Elementen. Das Ergebnis klingt ähnlich entfesselt wie einst der unerhörte Funk eines Jamiroquai, was eine Einordnung bisweilen schwierig macht. Pasi nimmt’s locker, er macht sich einen Spaß daraus, auf Tour bei großen Musikeinzelhändlern nach seinem Album zu suchen. In den Abteilungen Jazz, Weltmusik, French Pop und International Pop ist er bereits fündig geworden.
Nur schade, dass sich seine lyrische Ausdruckskraft in ungelenken englischen Sprachbildern erschöpft. In „Old Lady Paris“, in dem er den komplizierten Beziehungsstatus zu seiner Heimatstadt in Gebrauchsmetaphern thematisiert, mag das noch verzeihbar sein. „Es ist eine alte Stadt, die nur noch ihr Erbe verwaltet.“ Wenn er aber in „Lost Generation“ einem noch nicht einmal politischen Jugendskeptizismus aufsitzt und „Better With Butter“ als amouröses Kochrezept aufwärmt, wird der Hörgenuss durchaus eingetrübt.
Zum Glück bespielt Pasi im Zweifel doch ein Milieu, das Musikalität und einen authentischen Vortrag einer blasierten Eloquenz vorzieht. Vielleicht konnte Pasi deshalb auch den altersmilden Sax-Revoluzzer Archie Shepp für zwei Soli auf „Uncaged“ gewinnen. Parsis Überredungsargument: „Ich habe kein Geld, nur einen Traum.“