CD: New Noises Volume 113
Passend zu den Tagen des abnehmenden Lichts ist unsere neue Zusammenstellung von herbstlicher Melancholie geprägt – mit ein paar zarten Sonnenstrahlen dazwischen.
01. Darf es zur Abwechslung ein bisschen mehr sein? Auf ihrem neuen Album „Charmer“ lässt Songwriterin AIMEE MANN die opulenten Sounds der späten Siebziger aufleben. „Wir haben versucht, die romantische Erinnung an diese Zeit und ihre Songs umzusetzen“, verriet sie dem ROLLING STONE. Das Ergebnis klingt für ihre Verhältnisse erstaunlich poppig und entspannt, was die gefühlvolle Ballade „Soon Enough“ nur unterstreicht.
02. Es ist nahezu unmöglich, ihren Heimatort auszusprechen, ohne einen kleinen Sprühregen zu produzieren: Die RACE HORSES kommen aus Aberystwyth, einem verschlafenen Seebad an der walisischen Westküste. Als Teen-ager widmeten sie sich lieber der Plattensammlung ihrer Eltern als Drogen oder anderen ungesunden Dingen, und das macht sich heute bezahlt. Auf ihrem Debüt spielen sie großspurigen Britpop zwischen Divine Comedy und Dexy’s Midnight Runners. „Sisters“ zeigt, wo es lang geht: ein Song wie ein neuer Tag.
03. Die Brüder Dustin und Graham Hovelis aus Long Beach machen keinen Hehl aus ihrer Vorliebe für die Harmonien der mittleren bis späten Beatles. „Wanderingfoot“ vom ersten Album ihrer Band THE FLING hört sich an, als wären die Fab Four aus Nordengland ins sonnige Kalifornien übergesiedelt: gediegene West-Coast-Psychedelia mit mehrstimmigem Gesang.
04. Es kann so nicht weitergehen, findet MICK FLANNERY, „This Ain’t No Way To Live“. Dabei hat der gelernte Steinmetz aus Cork County eigentlich gar keinen Grund, sich zu beschweren. Sein zweites Album „Red To Blue“ stand wochenlang an der Spitze der irischen Charts, die letzte Tour absolvierte er vor ausverkauften Häusern von Dublin bis Galway. Kein Wunder: Seine Songs verbreiten herbe Melancholie, ohne in folkloristisches Gedudel abzudriften.
05. Diese Frau wird wohl niemals satt. Als die Aufnahmen für ihr drittes Album „The Danger Of Light“ schon abgeschlossen waren, flog SOPHIE HUNGER Sophie Hunger für eine zusätzliche Session nach Montreal und ließ sich nur von Klavier, Kontrabass, Schlagzeug und Cello begleiten. Herausgekommen sind charismatische Songs wie „First We Leave Manhattan“, die nun die Deluxe-Version der CD bereichern.
06. Auch wenn man es ihren warmen Folksongs nicht wirklich anmerkt: TORPUSs & THE ART DIRECTORS kommen aus Hamburg. Mit wechselnden Begleitern ist Sänger und Gitarrist Sönke Torpus dort jahrelang durch Kneipen und Fußgängerzonen getingelt, bevor ihn das hanseatische Allstar-Label Grand Hotel van Cleef unter Vertrag nahm. Vermutlich ist es seinen Erfahrungen als Straßenmusiker zu verdanken, dass sich Unbeschwertheit und Wehmut bei Liedern wie „Dancing Kids & Summer’s Laughter“ so gekonnt die Waage halten.
07. Seine Songwriter-Qualitäten demonstrierte ANDY BURROWS bereits als Schlagzeuger der britischen Indierocker Razorlight, deren größter Hit „America“ auf seine Kappe ging. Dass er auch noch singen kann, beweist nun sein Soloabum „Company“. Der Song „Maybe You“ startet als Midtempo-Schunkler, der sich allmählich zu einer üppig instrumentierten Hymne mit Dixieland-Anleihen verdichtet. Nicht übel für einen Ex-Drummer.
08. Auf den Spuren von Nick Drake und Scott Walker wandelt ADRIAN CRWOWLEY bei seinem Versuch, das traurigste Lied der Welt zu schreiben. Am Anfang von „The Saddest Song“ sitzt der irische Multi-Instrumtalist über einem leeren Stück Papier in einem schlecht beleuchteten Raum, bis ein erhabenes Streicher-Arrangement ihn davon zu tragen scheint wie der Herbstwind ein welkes Blatt.
09. Die Texte für ihr neues Album haben die drei Jungs von ZEUS angeblich im Laufe ihrer letzten Tour auf Servietten, Papierfetzen und ungeöffnete Briefumschläge gekritzelt, und auch beim Song „Are You Gonna Waste My Time?“ geht es ihnen offensichtlich darum, möglichst viele Ideen auf möglichst engem Raum unterzubringen: ein Kracher, der die Sternstunden des Southern Rock heraufbeschwört. Kuhglocke inklusive.
10. Normalerweise ist ein Weihnachtsalbum ein untrügliches Indiz dafür, dass ein Künstler seinen Zenit überschritten hat. Nicht so bei TRACEY THORN: Die Sängerin aus Hertfordshire hatte sich schon lange vorgenommen, eine „saisonale“ Platte ohne die üblichen Evergreens aufzunehmen. „Snow“ stammt aus der Feder von Randy Newman.