Cat Power – „Und immer tickt die Uhr“
Für das neue Album ließ sich Cat Power ihre Rente auszahlen, kaufte Badmintonschläger und sprach mit Flea über Außerirdische
Man kann nur erahnen, wie viel Mühe Chan Marshall alias Cat Power in ihr neues Werk „Sun“ investiert hat. Im Lauf von drei Jahren komponierte und produzierte die Sängerin in diversen Studios, ließ sich ihre Rente ausbezahlen und kaufte ein Haus in Miami, um in Ruhe arbeiten zu können. Genau versteht man nicht, was passiert ist, weil Chan Marshall sich nicht in lineare Erzählungen pressen lässt. Gespräche mit der US-Amerikanerin sind assoziative Reisen hierhin und dorthin, die man so wenig lenken kann wie einen Schwarm Seifenblasen. Am Ende ist man mit der Platte wieder allein – mit den Delta-Blues-Fragmenten und der Elektro-Atmosphäre, die Marshall zusammen mit dem französischen Beat-Meister Philippe Zdar (Phoenix, Beastie Boys) herstellte.
Das Repertoire wirkt ungewöhnlich frisch und entschlossen – weil es in dieser Karriere immer auch um die Befindlichkeit der labilen Sängerin geht, möchte man darin eine Wendung zum Guten erkennen. Auch im Gespräch wirkt Marshall wohl gewohnt exzentrisch, doch die gefährliche Düsternis, die sie vor ihrem Zusammenbruch 2006 umgab, scheint gewichen zu sein.
Miss Marshall, wie ist Ihr neues Album zustande gekommen?
Vor ungefähr drei Jahren wollte ich zwölf Monate lang Pause machen, Kurse besuchen, meine Familie sehen und mich um mich selbst kümmern. Aber dann traf ich einen Mann und richtete mein ganzes Leben auf ihn aus. Ich zog nach L.A. und begann in seinem Haus, mit ihm Musik zu machen.
Sie haben die neuen Lieder zusammen mit Ihrem Freund geschrieben?
Nein, die Jams waren toll, aber es kam nichts dabei heraus – ich kann nicht schreiben, wenn jemand in meiner Nähe ist, nicht mal im selben Haus. Ich ging dann in ein Studio in der Nähe und begann dort zu schreiben. Aber als ich die Ergebnisse einem guten Freund vorspielte – er ist wie mein großer Bruder -, sagte er mir: „Chan, die Lieder sind furchtbar depressiv.“ Das hat mich sehr traurig gemacht – ich fühlte mich wie ein Versager, der nur depressive Lieder schreiben kann. Ich habe dann acht Monate lang nicht gearbeitet.
Das ist eine sehr starke Reaktion.
Ja, aber ich wusste nicht, was ich tun sollte. Als ich wieder ins Studio ging, wollte ich weder Gitarre noch Klavier spielen – das war meine Regel, jedenfalls zu Beginn. Die Frau in dem Studio zeigte mir einen Schrank mit alten Synthesizern und schloss sie für mich an. Ich hab da Monate lang gesessen – ein paar Tage aufnehmen, dann anhören. Aber immer tickte die Uhr, immer gab es nicht genug Zeit. Ich kann erst um vier, kannst du morgen um neun – nicht inspirierend. Obwohl es das Studio von Flea ist! Ich habe ihn öfter um Rat gefragt, aber irgendwie haben wir nur über Außerirdische und Bio-Essen geredet.
Sie sind dann nach Miami gezogen.
Mein Großer-Bruder-Freund sagte ständig, welche Band nimmst du, wer ist dein Produzent? Das hat mich gestresst – vielleicht bin ich deshalb gegangen. Ich hab mir meine Rente auszahlen lassen, die ich ja eigentlich brauche, falls ich arm werde oder auf der Straße leben muss. Na ja, ich kaufte ein Haus in Miami und dieses ganze musikalische Equipment. Ich flog meine Band ein und sagte ihnen, setzt die Kopfhörer auf, spielt etwas, ich mach Frühstück oder Mittag oder Abendbrot. Ich liebe diese Menschen, ich möchte es ihnen schön machen. Ich habe ihnen Fahrräder und Badmintonschläger gekauft und den Schlüssel zu einem privaten Strand gegeben. It was so fucking beautiful.
Aber am Ende spielte die Band doch nicht auf der Platte.
Nein, nur bei einem Lied. Ich habe sie im Studio aufgenommen, dann habe ich verschiedene Tourneen gebucht. Wir haben überall auf der Welt gespielt, und zwischendurch habe ich sie die neuen Lieder aufnehmen lassen. Auf Tour, dann wieder in Miami. Fünf- oder sechsmal habe ich sie hin- und hergeflogen.
Und dabei ist nichts herausgekommen?
Nein, irgendwie nicht. Ich wollte etwas sehr Lebendiges, ich wollte, dass sich ihre superklare Science-Fiction-Musik mit meinen Liedskeletten mischt. Aber es passte einfach nicht zusammen. Dann spielte mir mein Freund ein Lied von den Beastie Boys vor und ich dachte – so klingen meine Liedskelette! Ich traf ihren Mischer (Philippe Zdar) dann in einem Café in Paris und bat ihn, den Mix zu machen.
In der Vergangenheit war Ihr persönliches Befinden Thema vieler Berichterstattungen – man hatte den Eindruck, es gehe Ihnen oft nicht gut. Das Album klingt im Vergleich zu ihren vorigen Werken entschlossen und fast optimistisch – heißt das, Sie fühlen sich jetzt besser?
So kann man meine Musik nicht lesen. Ich singe nicht über die Sonne, weil ich mich sonnig fühle. Der Titel des Albums ist sehr klar, gegenwärtig, aber es geht mir mehr um Beobachtungen. Ich verarbeite einen Eindruck. Ich weiß natürlich schon, was ich meine, wenn ich singe – aber nicht sofort. Du willst wissen, was die Platte bedeutet? Frag mich später.