Casanovas Triumph – Der große Unzeitgemäße Neil Hannon und The Divine Comedy spielen barocken Pop
Schon vor zehn Jahren hat dieser Außenseiter und Stubenhocker grandiose Songs komponiert, damals ein belesener junger Mann mit einem Talent für Komposition, dem vorerst noch das Orchester fehlte. Die ersten Alben von Neil Hannon „Promenade“ und „Liberation“, waren genialisch und verspielt, Michael Nymans Musik für Peter Greenaways Filme war nicht fern. Mit „Casanova“ gelang 1996 das große, verschwenderische Pop-Werk, Scott Walker und Noel Coward im Walzertakt, Venedig kann sehr entzückend sein – und das Tüchlein immer in der Brusttasche. Mit Daddys Auto rauschte man in Champagner-Laune in die tödliche Romanze.
Die Songs für „A Short Album About Love“ wurden dann tatsächlich live mit Orchester aufgenommen, für solchen Aufwand fehlte sonst meistens das Geld. In Deutschland hörte man The Divine Comedy im Vor-Vorprogramm von Radiohead und 2001, zur seltsam missglückten Platte „Regeneration“, noch einmal mit anderen, denkbar unpassenden Bands. Hannon fühlte sich damals nicht wohl, und seine lustlose Darbietung destruierte alles, was seine Musik sonst ausmacht: Melodie, Grandezza, Operettenenzauber. Der Sensibilist und Ästhet kann sehr launisch sein, wenn seine Ansprüche unterschritten werden. Rock’n’Roll als Geisteshaltung ist ihm zuwider.
Allerdings wurden Hannons Alben zwischenzeitlich seinen eigenen Erwartungen nicht gerecht, der Flirt mit elektronischem Instrumentarium blieb eine gescheiterte Episode, und eine verfrühte Best-Of-Sammlung erweckte dann den Eindruck, Hannon sei mit 30 Jahren bereits am Ende seines Wegs angekommen. Der zierliche Mann soll auch schon mal mehreren Gläsern Brandy gegen die Melancholie zugesprochen haben (und manchem Stimulans der Dichter).
Das jüngste Album „Absent Friends“, ist indes sein vielleicht schönstes -jedenfalls sind Hannons Texte und seine Arrangements endlich zur Blüte geteilt. Melodrama und Komödie halten sich die Waage, wenn Liebeswirren, Schauerromantik und lichte Ironie durcheinanderwirbeln.
Leider tritt The Divine Comedy nur beim Haldern-Festival mit Orchester auf. Aber auch kleine Clubs verwandelt dieser luxuriöse Pop schnell in glamouröse Gala-Bühnen.