Carl Carlton
In Friesland wurde er geboren, aber seit er laufen kann, zieht es Carl Carltonin die weite Welt. Dass er hier zu Lande vor allem als "Maffay-Gitarrist" bekannt ist, raubt ihm nicht den Schlaf- obwohl er sich als Frontmann seiner Songdogs wohler fühlt. Für den Rolling Stone hat sich Carlton in seiner Wahlheimat Dublin allerdings auf die Spuren einer anderen Rockband begeben: U2 sind in der irischen Hauptstadt allgegenwärtig.
IN DER WINDMILL LANE
Die Graffiti-Wände weisen immer noch den Weg: In den „Windmill Lane Studios“ nahmen Bono und Kollegen ihre größten Songs auf. Inzwischen ist das Studio an einen anderen Ort umgezogen, aber die Mauern blieben so stehen, wie Fans sie einst gestaltet hatten. „Früher gab es hier noch viel mehr Malereien und Widmungen an U2„, erinnert sich Carl Carlton, der zwar „kein Riesen-Fan“ der Band ist, aber „großen Respekt vor deren Leistung“ hat. Angesichts des kalten Wetters fühlte er sich an einer anderen U2-Pilgerstätte um einiges wohler: Im „Clarence Hotel“ treffen sich zu später Stunde oft Musiker, um nach Konzerten in bisschen gemeinsam abzuhängen. Die Herberge sei zwar „nicht die billigste und schon schick“, gibt Carl zu, „aber auch Rock’n’Roll“, im Art-Deco-Stil ist sie eingerichtet – ein bisschen kühl und doch gemütlich.
Als Carlton 1995 nach Dublin zog, gehörten The Edge und Bono noch zu seinen Nachbarn. Auf die Idee, die irische Hauptstadt zu seinem Lebensmittelpunkt zu machen, kam der Friese jedoch durch einen anderen Kollegen: Ron Wood lud ihn ein, was Carlton gerade recht kam. Durch Bölls Tagebücher hatte er längst eine Liebe zu der grünen Insel entwickelt, ohne sie allerdings recht zu kennen. Inzwischen kann er problemlos den Fremdenführer spielen…
STANDING ON A BEACH
In Sutton, ein wenig abseits vom Trubel Dublins, hat sich Carlton schließlich niedergelassen. Die Strände wecken manchmal schon Erinnerungen an die Nordsee, aber gleich nebenan hat er nun schon wieder einen Vertreter der prominentesten irischen Band zum Nachbarn: U2-Drummer Larry Müllen Jr. wohnt in der Gegend. Im Januar spielt Carl Carlton jetzt erst einmal ein Album voller Blues-Standards mit seinem „Guru“ Robert Palmer ein. Mit dem arbeitet der Gitarrist am allerliebsten zusammen, aber im Sommer soll dann das zweite Album von Carl Carlton And The Songdogs aufgenommen werden. Und da möchte Carlton den Kollegen Millen gerne „verpflichten“, ein bisschen mitzutrommeln – wenn er schon in der Nähe sitzt… Zunächst gehen die Songdogs allerdings im April und Mai auf Europa-Tournee – in der Besetzung, die auch auf dem aktuellen Album „Revolution Avenue“ zu hören ist, mit Sonny Landreth als Gast. Wenn Carlton von seiner Band schwärmt, von der Freundschaft untereinander und der gemeinsamen Liebe zu Südstaaten-Sounds, dann fragt man sich schon, ob es ihm nicht schwerfällt, zwischendurch immer wieder für Maffay zu klampfen? „Ich habe mich an Peters Musik über die Jahre gewöhnt, aber es ist klar, dass mir meine eigenen Songs mehr am Herzen liegen“, sagt er diplomatisch. Ein Liebhaber-Projekt wie die Songdogs will eben auch finanziert sein.
EIN GUINNESS, BITTE!
Natürlich muss man in Dublin auch die hiesige Guinness-Fabrik anschauen. Carlton schätzt das Getränk inzwischen sehr – auch bei dieser Umstellung stand ihm Ron Wood hilfreich zur Seite. Noch mehr mag er allerdings die Umgebung, in der er die Guinness-Pints zu sich nehmen kann. In den Pubs, Restaurants und Clubs der Stadt werden weder ihm noch seinen berühmteren Kumpels Sonderkonditionen eingeräumt: „Die Iren bevorzugen Prominente nicht. Hier werden alle gleich behandelt. Wahrscheinlich fühlen sich genau deshalb so viele Celebrities hier wohl.“ Obwohl Carl Carltons musikalische Heimat eindeutig in den Vereinigten Staaten liegt, käme er nie auf die Idee, Dublin wieder zu verlassen: „Für mich ist Amerika langfristig einfach keine Alternative zu Europa.“