Car-Hi-Tech: Die Abbey Road Studios auf vier Rädern
Die Londoner Abbey Road Studios luden zur Präsentation eines neuen Soundsystems ins legendäre Studio 2. Dessen Klang kann man nun quasi im Auto haben.
Der Eingang der Abbey Road Studios ist eigentlich ziemlich unscheinbar. Würde man nicht immer wieder Touristen dabei beobachten, wie sie sich beim Passieren des anliegend gelegenen Zebrastreifens fotografieren lassen und das Albumcover des nach dem Studio benannten Beatles-Albums nachstellen, würde man nicht zwingend vermuten, dass hier Popgeschichte geschrieben wurde und es immer noch wird. Die Tür steht an diesem Abend für ein besonderes Event offen: Bowers & Wilkins und die Abbey Road Studios laden in Kooperation mit Volvo zur Präsentation des „Abbey Road Studios Modes“ – einer neuen, eigens entwickelten Soundtechnologie, die den Raumklang des Studios in das Innenleben eines vollelektrischen SUV bringt. Wie das funktioniert und wie das klingt, bekommen wir später an diesem Abend eindrucksvoll vorgeführt.
Wir spazieren durch Gänge voller alter Bandmaschinen und Bilder, die bekannte Abbey-Road-Gäste zeigen, hinein in die Räumlichkeiten des Studio 2. Ohne Zweifel befinden wir uns in einem der wichtigsten Räume der Popgeschichte. Hier nahmen The Beatles einen Großteil ihrer Songs auf, Pink Floyd arbeiteten an „The Dark Side Of The Moon“, aber auch Oasis, Shirley Bassey, Stormzy, Kate Bush, Massive Attack und Adele nahmen hier auf. Zu den jüngeren Bands, die hier arbeiteten, gehört das Ezra Collective, eine britische Jazzband, die in ihrer Heimat Stadien füllt und später an diesem Abend ein besonderes Set performen wird.
Neben der Bühne steht ein altes Steinway-Klavier, ein Vertegrand, auch als Model K bekannt. Das Klavier stammt aus dem Jahr 1905, ein Teil der Tasten ist bereits ziemlich abgenutzt. Auf dem Piano steht ein Schild, auf dem zu lesen ist: „Bitte keine Getränke abstellen.“ Eine bescheidene Bitte für ein Klavier, das auf den Beatles-Platten „Sgt. Pepper“ und dem „Weißen Album“ zu hören ist und auf dem Paul McCartney „Penny Lane“ und „Ob-La-Di, Ob-La-Da“ einspielte.
Bowers & Wilkins und die Abbey Road Studios verbindet eine lange, gemeinsame Geschichte. Seit 1980 nutzt Abbey Road Lautsprecher des renommierten britischen Audiotechnik-Unternehmens. Wirft man einen Blick in den Kontrollraum des Studios, stehen dort drei Bowers & Wilkins 800 Series Diamond Lautsprecher, Speaker, die mit einem ultrarealistischen Klangbild bestechen. Genau in diesen Kontrollraum werden wir als Nächstes geführt und dürfen am Mischpult, einer Neve-88RS-Konsole, Platz nehmen.
Um den Abbey Road Studios Mode so richtig zu verstehen, ist es wichtig, einen der Schlüsselfaktoren der Abbey-Road-Magie zu hören – nämlich den Raumsound. Den hat das Abbey Road Studio Musikern in der Vergangenheit bereits mit einer Reihe von Plug-ins zugänglich gemacht. Nun steht genau dieser Raumsound zum ersten Mal auch in einem Kontext außerhalb der Audioproduktion zur Verfügung.
Als Beispielmusik wird uns an diesem Tag zunächst ein Werk von Ludovico Einaudi vorgespielt. Die Tontechnikerin spielt zunächst die Aufnahme ohne Raumsound ab – also nur die Nahmikrofonierung. Dann bekommen wir den tatsächlichen Raumsound des Abbey Road zu hören, und zwar nur den Klang der Raummikrofone. Anschließend werden beide kombiniert – und es klingt schließlich eben so, wie die Aufnahme veröffentlicht wurde. Es ist beeindruckend, vor der Neve-Konsole zu sitzen und den Raumklang durch die 800 Series Diamond zu hören. Anschließend geht es für uns weiter ins Studio 3, wo wir mehr über die Entstehung und die Konzeption des Abbey Road Modes erfahren. Wir lernen, dass das Projekt seinen Anfang in der Pandemiezeit nahm.
Mit Hilfe der Impulse-Response-Technik wurde akribisch der Sound des Studios eingefangen und unter Berücksichtigung diverser Faktoren (Geschwindigkeit, Lärm et cetera) hin konzipiert. Eines muss man beim Abbey Road Mode nämlich bedenken: Wir befinden uns beim Hören nicht in einem Tonstudio mit optimalen akustischen Bedingungen, sondern in einem Fahrzeug – genauer gesagt in einem Fahrzeug, dessen akustische Rahmenbedingungen je nach Geschwindigkeit und anderen Außenfaktoren variieren. Beim Abbey Road Mode, erklären uns die Audio-Techniker, kann jeder die wahrgenommene räumliche Aufteilung der Musik nach eigenen Vorstellungen verändern.
Dies kann man anhand eines optisch ansprechenden User-Interfaces mit einer Reihe von Parametern tun. Der untere Teil des Interface zeigt den Producer Mode und stellt eine Studiosituation dar. Wählt man den Parameter „Control Room“, bekommt man einen relativ trockenen Sound zu hören. Schiebt man die Regler auf der Horizontalachse zu den Parametern „Vintage“, „Live Room“ oder „Modern“, ändert sich der Sound und der Raumklang entsprechend. Mit einem einfachen Wischen des Fingers kann man auch Zwischenstufen einstellen.
Wer lieber auf fertige Presets setzt, bekommt mit „Intimate“, „Open“, „Energised“ und „Expansive“ eine breite Auswahl an Klangmöglichkeiten. Wir nehmen im Volvo EX90 Platz, in dem es den Abbey Road Mode exklusiv geben wird. Wir hören (bei parkendem Auto, wohlgemerkt) Musik aus verschiedenen Genres, von Soul bis Singer-Songwriter-Musik. Sechs Continuum-Konus-Mitteltöner und fünf Nautilus-Doppelkalotten-Hochtöner von Bowers & Wilkins sind in dem Auto verbaut, dazu acht Kopfstützen- und Deckenlautsprecher sowie ein zentraler Tweeter-on-Top auf dem Armaturenbrett. Insgesamt ist der Wagen in dieser Ausführung also mit 25 Lautsprechern ausgestattet.
Tatsächlich sind die verschiedenen Klangmodi alles andere als reine Placebo-Einstellungen – je nach Preset oder Einstellung im Producer Mode ändert sich die Räumlichkeit beziehungsweise der Raumklang der Musik teils drastisch. Einige Modi sind dezenter, andere etwas radikaler – hört man im Anschluss nochmal die „trockene“ Aufnahme, kommt diese einem plötzlich noch viel trockener vor.
Der Abbey Road Mode bietet ausreichend Parameter – allerdings, und das ist bei Consumer-Elektronik oft eine ausgezeichnete Idee, nicht so viele, dass man den Sound eigenhändig verschlechtern könnte (was bei einer inflationären Anzahl von verstellbaren Parametern durchaus möglich wäre). Es wäre natürlich interessant, aber in diesem Rahmen nicht möglich gewesen, den Abbey Road Mode in einem tatsächlichen Straßenkontext zu hören – etwa bei einer Fahrt auf der Autobahn oder im Londoner Straßenverkehr. Eindrucksvoll war es definitiv.
Nach einer Panel-Diskussion, bei der die Verantwortlichen von Abbey Road, Bowers & Wilkins und Volvo über ihre Zusammenarbeit sprachen und Ezra-Collective-Schlagzeuger Femi Koleoso über die Beziehung der Band zu den Studios erzählte, beschließt ebenjenes Ezra Collective mit einem großartigen Set den Abend. Letzte Drinks werden ausgeschenkt, das im Raum stehende Aufnahmeequipment noch einmal begutachtet, die historische Atmosphäre des Raums aufgesogen – und dann entlassen die Abbey Road Studios ihre Gäste in die verhältnismäßig milde und unverregnete Novembernacht.