Johnny Depp in Cannes: Ist jetzt alles wieder gut?
Blitzlichtgewitter zur Eröffnung der 76. Filmfestspiele in Cannes. Der „Pirat der Karibik" spielt nun den Franzosen-König Ludwig XV. Doch nicht alle sind glücklich über die „Schwamm-Drüber"-Haltung in der Filmindustrie
What a difference a year makes … Vor rund einem Jahr stand Johnny Depp noch knietief im kontroversen Verleumdungsprozess gegen seine ex-Ehefrau Amber Heard. Je nach Sichtweise galt er als unbeherrschter Choleriker oder Frauenverprügler. Der damals 58-Jährige verlor lukrative Rollen und drohte gar für lange Zeit vom Filmbiz gecancelt zu werden. Nachdem Depp den Prozess letztlich zu seinen Gunsten entscheiden konnte, ging er erstmal fern von Hollywood mit seinem Gitarren-Kumpel Jeff Beck, der im Januar 2023 verstorben ist, auf UK-Tour.
Tempi Passati.
Bei den gestern begonnenen 76. Internationalen Filmfestival in Cannes marschierte Johnny wieder über den Roten Teppich. Zusammen mit den anderen Stars der Historienverfilmung „Jeanne du Barry“ (Regie und Drehbuch: Jeanne Vaubernier alias Maïwenn) schickte er Kajalaugen-Blicke in Richtung der Fotografen-Meute.
Die internationale Klatschpresse vermerkt, dass es vor dem Screening des Eröffnungsfilms Standing Ovations für Depp gab und diese Anerkennung sogar zu Tränen rührte. In einem kurzen Clip, der durchs Internet geistert, dankte er den Fans und wischte sich mit einem erleichterten Lächeln über die feuchten Augen.
Doch nicht Alle wollen sich dieser „Schwamm-Drüber“-Position anschließen. Nach einem Report des US-Branchenmagazins „Variety“ ist sich Cannes-Jurorin und Schauspielerin Brie Larson („Captain Marvel“) unsicher, ob sie sich den Depp-Film ansehen wird: „Ich weiß nicht, wie ich mich dabei fühlen werde“, so Larson.
Jury-technisch ist die Schauspielerin nicht verpflichtet, Depps erste Hauptrolle seit drei Jahren zu begutachten, da der Film nicht im offiziellen Wettbewerb läuft. Auf eine Frage eines Reporters, ob sie der Weltpremiere beiwohnen werde, wich Larson aus: „Das fragen Sie mich?“, antwortete sie am Dienstag (16. Mai) auf einer Pressekonferenz der Jury. „Es tut mir leid, ich verstehe den Zusammenhang nicht, und warum gerade ich“.
Auf ein Nachbohren des Fragestellers fügte Larson hinzu: „Man wird sehen, ob ich es sehen werde. Und ich weiß nicht, wie ich mich fühlen werde, wenn ich es sehe.“
Depps unfreiwilliger Rückzug aus Hollywood begann mit der Freistellung aus der „Harry Potter“-Spinoff-Serie „Fantastic Beasts“, als er 2020 einen Verleumdungsprozess in Großbritannien verlor, bei dem es erstmals um die Missbrauchsvorwürfe von Heard ging.
Er wurde jedoch nie völlig aus dem Showbiz verdrängt, sondern erhielt von verschiedenen internationalen Filmfestivals Auszeichnungen für seine Karriere und Ehrungen. Seinen lukrativen Vertrag als Markenbotschafter mit dem französischen Modehaus Dior behielt er ebenfalls. Nachdem ihm ein US-Geschworenengericht im Fall „Heard/Depp“ letztlich 10 Millionen Dollar Schadenersatz von Amber Heard zusprach, gab es zumindest formaljuristisch keinen Grund mehr den emblematischen „Pirat der Karibik“ nicht mehr zu beschäftigen.
Wie „Variety“ bemerkt, ist Jurorin Larson eine erklärte Verfechterin der #MeToo-Bewegung. Sie saß im inzwischen aufgelösten Beirat von „Time’s Up“, einer auf dem Höhepunkt der #MeToo-Bewegung gegründeten Interessengruppe. Bis heute unterstützt sie aktiv Opfer von sexuellen Übergriffen in der (US-)Unterhaltungsbranche. Als sie Casey Affleck, der von zwei Frauen wegen Belästigungsvorwürfen verklagt wurde, 2017 den Oscar als „Bester Schauspieler“ überreichte, verzichtete sie demonstrativ auf Beifall, während das übrige Publikum dem „Manchester-by the Sea“-Star stehende Ovationen spendete.
„Das Leben als Frau zu leben, bedeutet, das Leben in der Defensive zu leben“, sagte Brie Larson im nach dem Harvey-Weinstein-Fall im Jahr 2017. „Wie immer stehe ich an der Seite der tapferen Erdulderinnen von sexuellen Übergriffen und Belästigungen. Es ist nicht eure Schuld; ich glaube und vertraue Euch!“
Angesprochen auf den Heard-Prozess bemerkte Cannes-Festivalleiter Thierry Frémaux dagegen schroff und Tabula-Rasa-mäßig: „Wenn es eine Person auf dieser Welt gibt, die kein Interesse an diesem Prozess hatte, bin es ich.“
Back to Business also für Johnny Depp, der nun unter einer gepuderten Wallehaar-Perücke den französischen König Ludwig XV gibt.
Die Blitzlicht-Fraktion vermeldet unterdessen, dass am Dienstagabend auch Depps Ersatz aus „Dumbledores Geheimnisse“ Mads Mikkelsen am Red Carpet gesichtet wurde – der Däne spielt den Schurken in „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“, der in Cannes seine Weltpremiere feiern wird. Zur Eröffnung der Festspiele ebenfalls stets gut gelaunt präsent: Michael Douglas, der die Goldene Ehrenpalme für Langzeit-Verdienste entgegennehmen durfte. An seiner Seite stand in Treue fest entschlossen Gattin Catherine Zeta-Jones nebst Tochter Carys Zeta Douglas.
Auch deutsche Actricen waren am Croisette-Start: Emilia Schüle und Matthias Schweighöfer etwa. Paula Beer erschien in ihrer Funktion als Jury-Mitglied der Cannes-Nebenreihe „Un Certain Regard“. Franz Rogowski wiederum als Jury-Mitglied für die Sektion „Semaine de la Critique“.
Der Leinwand-Marathon an der Mittelmeerküste geht noch bis zum 27. Mai und endet mit der Verleihung der „Goldenen Palme“.