Campino: Kalte Schauer wegen Künstlicher Intelligenz

Vortragsreihe in Düsseldorf, Teil zwei. Der aufrechte Gang in Zeiten digitaler Stürme

Der Sänger der Toten Hosen muss zur Zeit weder ins Studio noch auf eine Stadionbühne. Er hat Zeit und Muße für den Hörsaal in der Heinrich-Heine-Universität seiner Heimatstadt Düsseldorf. In der zweiten Runde seiner Vortragsreihe als Gastprofessor widmete er sich nach der ersten Runde mit ‚Punkrock und Poesie“ vor 650 Zuhörern am Dienstag (23. April) dem Thema „Alle haben etwas zu sagen. Die Kakophonie unserer Zeit.“

Es ging, man ahnt es schon, um die Auswirkungen von Social Media und seine Erfahrungen mit Künstlicher Intelligenz (KI). Moderiert wurde die emotionale Uni-Sause von „Spiegel“-Kulturchef und Hosen-Biograf Phillip Oehmke, musikalisch begleitet von Hosen-Kumpel Kuddel.

Von seinen Versuchen mit KI in der Musikproduktion wusste Campino zu berichten, dass diese ihm „kalte Schauer über den Rücken gejagt“ hätte. Zweifellos werde die digitale Technik auch in seiner Zunft große Umbrüche auslösen. „Das Gute ist, wir werden bald nicht mehr gebraucht. Man kann sich sein Tote-Hosen-Lied selber basteln, wenn man das mag. „Wenn wir das wollen, wird Olaf Scholz das nächste Tote-Hosen-Album singen“ sagte Campino im sarkastischen Tonfall.

Auch in puncto Social-Media-Algorithmen zeigt sich der Punk-Veteran von der skeptischen Sorte. Bei gesellschaftlichen Diskussionen gewinne in Tagen wie diesen stets „der Lauteste und Aggressivste immer gegen den Sachlichsten“. Zwar habe es auch in analogen Zeiten immer schon Anfeindungen gegeben. „Ich kenne es nicht anders“, so Campino. Sein politisches Engagement habe das eher verstärkt.

Campino hat die erste von zwei Vorlesungen seiner Gastprofessur an der Heinrich-Heine-Universität gehalten. +++ dpa-Bildfunk +++

Chronist Phillip Oehmke kann der Saga von der „spürbaren Verrohung in der öffentlichen Debatte“ nur beipflichten, was in einem seltsamen Gegensatz dazu stehe, dass es immer mehr Regeln und Tabus dafür gebe, was gesagt werden darf. Und was nicht.

Wahrheit, so Campino, sei als höchstes Gut abgelöst worden. Nicht nur Donald Trump habe gezeigt, dass diese nicht mehr die entscheidende Rolle spiele. Ganz Pädagoge forderte er, „Medienkompetenz“ zum eigenen Schulfach zu machen. Eine lockere Unterrichtseinheit würde da bei weitem nicht reichen.

Zum Ende gab es dann mit einer gemeinsam vorgetragenen Balladen-Version des Liverpool-Klassikers „You’ll Never Walk Alone“ noch ein versöhnliches Zusammenstehen gegen den medialen Wahnsinn.

Die Hosen kündigen übrigens für den 21. Juni das Live-Album „Fiesta Y Rudio“ an, eine Mitschnitt-Sammlung ihres Konzertes in Bueneos Aires zum 30-jährigen Argentinien-Jubiläum der „Pantoles Muertos“.

Oliver Berg picture alliance/dpa
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