„Brutal ehrlich“
Fünf Fragen an MTV-Pionier Steve Blame, der das Drehbuch seines Lebens geschrieben hat
Eine sprechende Vagina ist nicht das gewöhnliche Inventar einer Autobiografie. Aber Ex-MTV-Moderator Steve Blame hat ja auch keine normalen Memoiren verfasst. „Getting Lost Is Part Of The Journey“ (Bastei Lübbe, www.steveblame.com) erzählt nicht bloß Geschichten von Rockstars und Exzessen (von denen es genug gab), sondern vom langen Kampf, den Stephen James mit der Kunstfigur Steve Blame führte, die er in den 80er-Jahren für die TV-Karriere erfand, und mit seiner Homosexualität, die er damals nicht öffentlich zeigen sollte. Die Vagina ist wohl seine Nemesis, die ihn ermahnt, dass Ruhm und Reichtum wenig bringen, solange er mit sich selbst nicht klarkommt. Heute lebt der 51-Jährige in Köln und schreibt Drehbücher.
„Getting Lost“ ist zum Teil wie ein Drehbuch verfasst – um mehr Abstand zum Protagonisten, also zu Ihnen selbst, zu gewinnen?
So konnte ich die zwei Teile meiner Persönlichkeit besser auseinanderhalten: Blame, der zu Extremen neigt, und James, der nachdenklicher ist. Und ich konnte es mir auch erlauben, brutal ehrlich zu sein.
Sehen Sie das Drehbuch Ihres Lebens als Drama oder eher als Komödie?
Definitiv als Initiations-Film. Nicht die dramatische Midlife-Crisis von Lester in „American Beauty“ oder die lustige Reise ins Erwachsendasein von „Napoleon Dynamite“, sondern eher die Abenteuer von Renton in „Trainspotting“. Bloß dass dies hier nicht so einfach ist wie eine Drogenabhängigkeit. Es geht um das Überwinden von Selbstbesessenheit und Selbsthass.
Wenn Sie Ihr Leben umschreiben könnten, würden Sie es tun?
Durch meine Entscheidungen wurde ich der, der ich heute bin. Wäre ich auf dem Weg nicht „verlorengegangen“, gäbe es kein Drehbuch, kein Buch, und um es ganz stumpf zu sagen: Es wäre gar keine richtige Reise gewesen.
Das Ende ist offen. Was wird jetzt passieren?
Das liebe ich ja so am Leben: Bis man stirbt, ist das Ende offen. Dämonen-und-Drogen-Schleier oder Glückseligkeit? Jeder trifft seine eigene Wahl. Und außerdem kann ich ja immer ein zweites Buch schreiben, in dem ich dann den Symbolismus der sprechenden Vagina analysiere.
Wenn Ihr Leben verfilmt würde, wer könnte Steve Blame spielen? Und wer wäre Regisseur?
In meinen Träumen und als junger Mann wäre es Robert Pattinson. In der heutigen Realität wohl eher Eddie Izzard. Als Regisseur würde ich eine Kombination wollen: aus der Sensibilität der Künstler Steve McQueen und Julian Schnabel, der schockierenden Brutalität von Brian De Palma, dem Tempo von Danny Boyle und dem Perfektionismus von Stanley Kubrick. Die Antwort steht im Grunde im Buch: Die Person, die ich mir wünsche, trägt all diese Fähigkeiten in sich, aber sie braucht noch ein paar Jahre, um sie zum Vorschein zu bringen.