Brüderliche Arbeitsteilung
Zuerst sah es gar nicht gut aus für „Drawn Front Memory“, das neue Album von Embrace. Der „Bunker Song“ erzählt noch ein Lied von den Anfangsschwierigkeiten der Briten. Sie begannen die Aufnahmen in einem Keller in Leeds, wo sie kein Sonnenlicht sahen und „vor allem damit beschäftigt waren, die vielen Fliegen zu verjagen“. Gitarrist Richard McNamara graut’s noch bei der Erinnerung daran. Gleichzeitig weiß er, dass der Erfolg ihres Debüts „The Good Will Out“ Embrace zumindest die nötige Ruhe gab, erst einmal unterzutauchen und ungestört zu komponieren.
„Dieses Mal konnten wir uns wenigstens konzentrieren und mussten nicht zwischendurch noch EPs aufnehmen, touren und Promotion machen.“ Nach den unerfreulichen lagen in Leeds zogen Embrace um in ein Country-Haus in Gloucestershire – „so riesig, dass man einen Fußball nicht mal bis zur Decke kicken konnte“, strahlt Richards Bruder, Sänger Danny. „Verglichen mit Leeds war das der Himmel.“ Und mit den Aufnahmen klappte es plötzlich auch. Computer und Overdubs spielten jetzt keine Rolle mehr, die meisten Lieder wurden einfach live eingespielt Mehr als ca. elf Takes pro Song waren nicht nötig, die Single „Hooligan“ wie auch andere Songs sind aus den ersten Demos entstanden.
„Wir müssen uns nicht hinter State-of-the-art-Elektronik und Equipment verstecken,“ verkündet Richard und schickt gleich hinterher, wie gut seine Kumpels inzwischen geworden sind. Die Gleichung „Fünf sind mehr als zwei“ gefällt den McNamaras, besonders Danny: „Wir sind nicht nur zwei Brüder und eine Backing-Band. Ohne Mike, Mick und Steve wären wir nicht Embrace. Wenn einer ausstiege, mussten wir unseren Namen ändern.“ Sein Wort in die Ohren von R.E.M., Depeche Mode und all den vielen anderen, die stets daraufbestanden, dass jeder in der Band gleich wichtig sei.
Die beiden Brüder verstehen sich indes so gut, dass jeder Vergleich mit den Gallaghers blanker Hohn wäre. Hier gibt’s keinerlei Ego-Clashes, keine Beschimpfungen, nur Komplimente. Zuerst von Richard: „Danny ist ein viel besserer Texter als ich.“ WoraufDanny erwidert: „Bei den langsameren Stücken eventuell. Aber es gibt da diesen Song, ,Tough On The Shoulder‘, der so lässig klingt, als hättest du ihn in zwei Minuten geschrieben.“ – „Habe ich ja auch.“ – „Na also.“ Tatsächlich sind die McNamaras „maximal zehn Minuten lang“ böse aufeinander, und der Rest der Familie wird auch noch in die Embrace-Arbeit eingebunden: Der jüngere Bruder entwirft die Website der Band ( www.embrace.co.uk ).
Musikalisch waren sich alle fünf einig über die Veränderungen, die „nach dem jähen Ende des Britpop“ nötig waren: „Wir wollten alles ausprobieren und auch zeigen, dass wir mehr drauf haben als hymnische Popsongs.“ Daher gerieten die Songs teilweise härter denn je, manchmal beinahe funky und dann wieder ganz zart und leise. – Ein Meisterwerk, und weniger wollten Embrace auch nicht: „Das Gute darf dem Großartigen niemals im Wege stehen.“ Ist das vielleicht der Stoff, dem auch Amerika zu Füssen liegen könnte? Richard schüttelt barsch den Kopf. „Die USA zu knacken“ sei kein Thema, obwohl er um zwei Vfarteile dieses Landes weiß: „Der Großteil der Staaten ist sonnig, und im Restaurant kriegt man immer Riesenportionen.“ Danny ist wieder einmal ernster: „Mich stört die Ignoranz der Briten, das Eroberer-Denken. Ich glaube nicht an diese Columbus-Einstellung. Wenn man unsere Musik zu Hause liebt und vielleicht noch irgendwo sonst auf der Welt, dann reicht das schon. Ich muss sie anderen Leuten aber nicht in den Kopf prügeln.“