Bruce Springsteen: So war das Konzert im Apollo Theater, New York
Unser US-Kollege Andy Greene gehörte zu den glücklichen Zuschauern des Springsteens-Gigs im Apollo Theater in New York am vergangenen Freitag. Hier sein Nachbericht, die Bilder des Abends und das Live-Video zu "Death To My Hometown".
Das Konzert von Bruce Springsteen und der E Street Band im New Yorker Apollo Theater vergangenen Freitag war ein Abend der Premieren. Es war die erste Show nach dem Release von „Wrecking Ball“, es war ihre erste Show in rund zwei Jahren, ihre erste Show mit einer neu zusammengestellten fünfköpfigen Bläsersektion, ihre erste Show mit einem weiteren Percussions-Mann in der Bandbesetzung und ihre erste Show im legendären Apollo. Aber eine Besonderheit schwebte über all dem: Es war ihre erste Show ohne Clarence Clemons. „Wir vermissen heute Nacht ein paar Leute in unseren Reihen“, sagte Springsteen zu Beginn der Show. „Aber wenn ihr hier seid und wir hier sind, dann sind auch sie hier.“
Das Konzert war außerdem die erste Gelegenheit der Springsteen-Fans, Clarences Neffen Jake Clemons auf der Bühne zu erleben, der sich die Saxophonparts mit Ed Manion teilt. Jake (dessen Schicksal es wohl sein wird, „Little Big Man“ genannt zu werden) hielt sich während der ersten zwei Songs im Hintergrund der Horn Section, aber als die Band „Badlands“ anstimmte, trat er ins Rampenlicht und spielte das berühmte Solo seines Onkels. Es war ein großer Moment, eine Fackelübergabe, die Jake glorios bewältigte.
Das Konzert fand zu Ehren des zehnten Jubiläums des Radiosenders SiriusXM statt. Nur ein kleiner Teil der Tickets ging in den regulären Vorverkauf, was für regelrechten Mob-Szenen vor dem Eingang sorgte. Die-Hard-Fans suchten verzweifelt mit Schildern und Rufen nach Tickets, während aggressive Paparazzi und Autogrammsammler die zahlreichen Promis belagerten. Die glücklichen Auserwählten, die es hinein schafften, konnten sich derweil an Free Drinks und Hors d’œuvres erfreuen und dabei Promis begaffen wie u. a. Ben Stiller, Christine Taylor, Elvis Costello, Paul Rudd, John McEnroe, Chad Smith und Steve Earle.
Das Konzert begann damit, dass jedes Mitglied der E Street Band einzeln die Bühne betrat und den berühmten Apollo Theater Baumstumpf als Glücksbringer berührte. Dann eröffneten sie die Show mit den neuen Tracks „We Take Care Of Our Own“ und „Wrecking Ball“. Die Band hat in den vergangenen Monaten viele Stunden mit Rehearsals in New Jersey verbracht, und die harte Arbeit hat sich ganz offensichtlich ausgezahlt. Eingerostet klang in dieser Band niemand, und das, obwohl viele Songs zum ersten Mal vor Publikum gespielt wurden.
Als Springsteen 1974 damit begann, seine Band The E Street Band zu nennen, bestand sie gerade mal aus fünf Personen. Inzwischen ist sie auf 16 angewachsen und klingt bisweilen wie eine Kreuzung aus der alten E Street Band, der Seeger Sessions Band und, zu einem weitaus kleineren Anteil, Arcade Fire. Diese neue Zusammensetzung erlaubt es Springsteen, altes Material mit üppigen neuen Arrangements zu versehen, wie das Gospel-infizierte „My City Of Ruins“, das er im ersten Teil der Show spielte oder das Temptations-Cover „The Way You Do The Thing You Do“, das er mit großem Backgroundchor zelebrierte. Einige Springsteen-Puristen werden diese Veränderungen sicher beklagen, aber die vergangenen Alben haben ja schon recht offensichtlich gezeigt, das Bruce sich weit vom Sound seiner „Greetings From Asbury Park“-Tage entfernt hat.
Springsteen verzichtete zum vielleicht ersten Mal bei einer E Street Band Show auf „Born To Run“. Überhaupt waren die einzigen Hits, die er brachte, „Thunder Road“, „Badlands“ und „The Promised Land“. Der Rest der Setlist war eine Mischung aus neuen Songs („Jack of All Trades,“ „Shackled And Drawn“) mit Soul Covers („Hold On, I’m Comin'“), alten Schätzen (ein umwerfender „E Street Shuffle“ und ein berührendes „Mansion On The Hill“) und bewährten Live-Stücken („Waiting On A Sunny Day,“ „The Rising“). Bei „Rocky Ground“ bat Springsteen die Gospelsängerin Michelle Moore auf die Bühne, die ihren vom Album bekannten Rap live performte. Es war ein riskanter Move von Springsteen, so etwas auf das Album zu bringen, aber dank Moore funktionierte es – und live klang es sogar noch besser.
Der wertvollste Spieler des Abends war eindeutig Jake Clemons. Er muss in wahrlich riesige Fußstapfen treten und zeigte dabei nicht den Hauch von Nervosität. Er sprang dem Backgroundgesang zur Seite bei den Soul Covers und spielte gar Drums bei „We Are Alive“. Es wird interessant zu sehen, wie sich seine Rolle in der Band im Laufe der Tour weiterentwickeln wird – aber es war schon an diesem Abend klar, dass Springsteen eine weise Entscheidung getroffen hat, das Saxofon innerhalb der Clemons Familie zu belassen.
Der vorletzte Song des Abends war „10th Avenue Freeze Out“, ein Lied, das zumindest grob von der Gründung der E Street Band handelt. Als es für Bruce an der Zeit war, zu singen „the change was made uptown and the Big Man joined the band“, stoppte die Musik plötzlich. Springsteen hielt das Mikrofon in die Menge und ließ uns die Zeile singen, während er uns alle aufforderte, Clarence‘ Namen wieder und wieder zu rufen. Es hätte ein sehr trauriger Augenblick sein können, aber Springsteen machte ihn zu einem Moment des feierlichen Überschwangs – genauso wie Clarence es sich gewünscht hätte.