Britpop ist out. Bescheidenheit heißt nun der Trend, und SUNHOUSE sind seine Sendboten
Es geht ein Raunen und Munkeln durch die britische Popszene: Die Zeit der stil- und attitüdenbewußten Britpop-Bands gehe langsam zu Ende. Das Ganze erweise sich nun ab zu stark aufgeblasener Ballon, der endlich platzen müsse. Bands wie Oasis haben sich konsequent am Godzilla-Motto „Size does matter“ orientiert, jetzt aber sollen auch die inneren Werte wieder zählen.
So wird ein neuer Hype vorbereitet, der diesmal wohl von der Bescheidenheit und von der Rückkehr zur Seelenbotschaft handeln wird. Schon werden Scheinwerfer angeknipst – und in ihrem Licht sind plötzlich Bands zu erkennen, die verschreckt aus der Wäsche gucken. „Mir geht’s gar nicht ums Geld“, sagt denn auch prompt Gavin Clarke, Sänger und Songschreiber des zur Zeit vielgefeierten Trios Sunhouse. „Wir wollen gar nicht, daß unsere Gesichter jeden Tag auf MTV zu sehen sind. Es geht uns um die Songs, um nichts anderes.“
Das sind natürlich diese typischen, hundertprozentig narkotisierenden Interviewsätze. Die gehören zum Standardrepertoire eines jeden Musikers. Man müßte ihnen keine weitere Beachtung schenken, brächten Bands wie Sunhouse nicht einen alten Ton in Englands Popwelt neu zu Gehör: Musik soll auch wieder von Erlebtem erzählen, den Austausch von Erfahrungen ermöglichen. Das im Interview am häufigsten gebrauchte Wort ist „heartfelt“ – Clarke träumt von Songs, die aus dem Herzen fließen. Goodbye, Ironie. Auf Wiedersehen, Zitatrock. „Obwohl auch wir natürlich an unserer Plattensammlung nicht vorbeikommen“, wie Clarke zugibt.
Vieles verbindet die Band mit dem Filmregisseur und Neorealisten Shane Meadows. Sunhouse wurden eigentlich erst gegründet, als Meadows einen Soundtrack brauchte. Im Frühjahr lief seine Schwarzweiß-Ballade „Twenty Four Seven“ auch in deutschen Kinos: Bob Hoskins spielt einen Boxtrainer, der verwahrloste Jugendliche von der Straße holen wilL Er bringt ihnen vieles bei über den richtigen Punch und manches über das Leben – aber das genügt nicht. Der Film nimmt eine zutiefst pessimistische Wendung: Es ist der Trainer selbst, der vor der Gewalt kapituliert und vor die Hunde geht.
„Der Film ist leider ziemlich realistisch“, meint Clarke. „So geht es zu in unseren Vorstädten.“ Tony Blairs neues England ist aus dieser Perspektive nichts anderes ab eine gigantische PR-Veranstaltung. Nicht nur PR aber war es, ab Sunhouse nach Deutschland kamen, um diesen Film mit ein bißchen Live-Musik zu promoten. Zwar war er später allenfalls in winzigsten Kinohöhlen zu sehen – so grau und finster wie der Film selbst Aber die Band legte sich ins Zeug, ab ginge es um die Oscar-Verleihung. Auf einer riesigen Bühne sahen die drei ziemlich verloren aus, nur ein paar Zuhörer hockten im Saal. Aber das Trio schien sich fast in Trance zu spielen. Als sei die Band urplötzlich ein Perpetuum mobile, das sich selbst in Bewegung bringen kann.
Sunhouse stehen in engem Kontakt mit Unbelievable Truth, einer weiteren Band, die Songs ab gesungene Tagebuchnotizen versteht Wenn aber der Authentizitäts-Trend erst einmal greift, könnten sich beide Acts in die gleichen Widersprüche verstricken wie einst die ersten der Grungebands. „Aufrichtigkeit“ verkauft sich gut. Nirvana sind noch in bester Erinnerung. Lady Di ist tot, der Markt der Herzen jedoch ist noch nicht gesättigt.