Breaking Bad: Die Chemical Brothers
Vom Chemielehrer zum Meth-Dealer: Keine Metamorphose eines Serienstars war je radikaler als die des Walter White. Brian Hiatt sah sich hinter den Kulissen von "Breaking Bad" um.
Die Geschichten werden bizarrer, Starregisseure drehen Episoden, Superstars kämpfen um Hauptrollen. Löst die Fernsehserie tatsächlich den Kinofilm als Maß aller Dinge ab? Zwar ist das Ritual des Gemeinsam-Schauens obsolet, doch dem Reiz der Serie verfallen immer mehr Menschen: Sie machen uns süchtig mit ihren komplexen Spannungsbögen, Rätseln und Verzögerungstaktiken. Seriengucker sind Einzelkämpfer, Trüffelschweine in der Bilder-Bonanza. Wir werden in den nächsten Tagen einen Blick auf unsere liebsten Serien werfen. Den Anfang macht Breaking Bad. Alle Infos zum Serien-Special gibt es hier.
Walter White starrt mich an, und was er da sieht, scheint ihm nicht zu gefallen. Es ist kurz vor Mitternacht und wir stehen auf einem schummrigen Parkplatz in Albuquerque, umgeben von Dutzenden weißer Wohnwagen. Sein frisch rasierter Schädel glänzt im Licht einer entfernten Straßenbeleuchtung. „Vielleicht ein kleiner Angsthase?“, fragt er. „Oder gar ein großer?“ Er ist inzwischen nicht mehr Walter, sondern sein Alter Ego, der Drogenbaron Heisenberg, der sein Gegenüber mit stahlblauen Augen fixiert und in ihm offensichtlich ein ausgemachtes Weichei erkennt.
Zum Glück ist der Spuk schnell vorbei. Seine eisigen Augen tauen auf, ein spöttisches Lächeln huscht über das Gesicht mit dem diabolischen Spitzbart – und plötzlich steht Bryan Cranston vor mir, der joviale 56-jährige Schauspieler, der am Ende eines 13-stündigen Drehtags schnell noch einmal in „die Rolle meines Lebens“ schlüpft.
Er will mich dazu überreden, auf dem Rücksitz seiner „Quadrophenia“-tauglichen Vespa (ein Geschenk des Produzenten) zu einer knapp zwei Kilometer entfernten Bar zu fahren. Natürlich ohne Sturzhelm. Und während er auf mich einredet, entfaltet er die bemerkenswerte Suggestivkraft, die den Walter White aus „Breaking Bad“ so gefährlich macht. „Die Rolle hat tatsächlich auf mich abgefärbt“, sagt er in seinem wohlklingenden Bariton. „Es ist schon erstaunlich, wie leicht man Menschen einschüchtern kann, indem man seine Stimme senkt und sie provozierend anstarrt. Die meisten Leute knicken erschreckend schnell ein.“
„Breaking Bad“ ist letztlich die Geschichte einer Transformation – der Metamorphose eines Menschen, wie sie radikaler nicht sein könnte. In 62 Episoden erleben wir keine graduelle Wandlung, sondern den Absturz in einen moralischen Abgrund. Oder, wie Vince Gilligan, der Mastermind der Serie, es formuliert, „die Metamorphose von Mr. Chips zu Scarface“, die Entwicklung von einem bescheidenen, vom Leben gebeutelten Chemielehrer zu einem skrupellosen Gangster, der vor nichts zurückschreckt, um sein Crystal-Meth-Imperium zu verteidigen.
In der letzten Staffel beispielsweise hatte er keinerlei Hemmungen, ein unschuldiges Kind zu vergiften. „Bryan kann sich alles erlauben“, sagt Aaron Paul, der Whites untypischen Partner spielt, den sentimentalen Hänger Jesse Pinkman. „Er kann die unfassbarsten Taten begehen, aber immer werden seine Fans jubeln: ,Yeah, Walt! Du kannst das blöde Kind ruhig vergiften. Schließlich hast du ja Krebs und stehst mit einem Bein im Grab. Wir können dein Verhalten vollkommen nachvollziehen.‘“ „Ob es nun Walter White ist, Tony Soprano oder Don Draper“, ergänzt Vince Gilligan, „sie alle können die unsäglichsten Dinge anstellen, aber da sie nun mal die Protagonisten der Serien sind, sieht man die Welt unweigerlich aus ihrer Perspektive.“
Mit seiner gnadenlosen Paranoia erinnert „Breaking Bad“ an die hysterische Schluss-Sequenz von „Goodfellas“ – nur dass hier der Wahnsinn sechs Staffeln lang tobt. Es ist ein fiebriger Traum von einem trostlosen Amerika, allerdings haben die wenigsten Albträume ein Script, das derart minutiös durchkonstruiert ist. Wobei es nicht unbedingt Realismus ist, was den Ton von „Breaking Bad“ prägt. Oft genug sind die Situationen weniger plausibel als in den anderen TV-Serien („The Sopranos“, „Mad Men“ oder „The Wire“), die um den Preis der „greatest show ever“ wetteifern. „Wir versuchen mit aller Macht, Szenen und Situationen zu kreieren, die der Zuschauer nicht mehr vergisst“, sagt Gilligan, der sieben Jahre lang Drehbücher für „Akte X“ schrieb. „Und manchmal grenzen sie schon ans Überdramatische oder Hyperreale, wenn nicht gar Surreale. Es ist halt alles nur Show.“
Aber wenn Walter White – oder auch nur sein Doppelgänger in der Realität – dich auffordert, ohne Helm auf seine Vespa zu steigen, lehnt man den Vorschlag besser nicht ab. Wir entfernen uns von dem Parkplatz mit seinen Produktions-Trailern und sehen Lokalitäten, die alle Bestandteil der Show sein könnten – und es oft genug auch tatsächlich sind: Ron Peterson Firearms, Ace Cash Express, De Anza Motor Lodge oder Octopus Carwash. Als wir an einer Ampel anhalten müssen, holt Cranston tief Luft. Die glühende Hitze hat sich längst verzogen und ist einer kühlen Abendluft gewichen.
„Eine wunderbare Nacht“, sagt er. Die Ampel springt auf Grün, und Cranston, der in den Siebzigern mal einen zweijährigen „Easy Rider“-ähnlichen Road-Trip unternahm, drückt aufs Gas. „Was soll uns schon passieren?“, ruft er fröhlich nach hinten, während der Bürgersteig in beängstigendem Tempo an uns vorüberfliegt.
Cranston steuert die Vespa sicher zu einem Irish Pub namens „O’Niell’s“, wo wir Aaron Paul auf einen Drink treffen. Paul, der gerade seine Aufnahmen für die nächste Staffel abgeschlossen hat, ist in Partylaune und schleppt mich später noch mit zum Casino. „Privat ist Bryan ein fürchterlicher Waschlappen und will natürlich nicht mitkommen“, sagt er. „Das können Sie gern als Zitat für Ihre Geschichte verwenden.“ Trotz des Altersunterschieds von 24 Jahren sind Paul und Cranston dick befreundet. Mit Cranstons Gattin und Pauls Verlobter planen sie momentan sogar einen gemeinsamen Trip nach Los Angeles, um sich dort ein Sigur-Rós-Konzert anzuschauen.
Als wir auf die Terrasse hinaustreten, drehen sich alle zu uns um.Überwiegend sind es wohl College-Studenten, die zu so später Stunde noch hier sitzen, und fast unisono kommt das Wort „Breaking Bad“ über ihre Lippen. In der Crew wird erzählt, dass absolut jeder Bewohner von Albuquerque die Show verfolge, in der ihre Stadt als Hybrid aus vorstädtischem Idyll und Drogenhölle dargestellt wird.
Aber einige Leute nehmen sich die Serie wohl mehr zu Herzen als andere. Wir bestellen Bier bei einer Kellnerin, doch ein männlicher Angestellter mit traurigen Augen bringt sie uns an den Tisch. „Ich lieb’ eure Show ja“, sagt er, „schau’ sie mir aber nicht so oft an, weil ich einen Entzug hinter mir habe und von Albträumen geplagt werde. Ich bin jetzt seit fünf Jahren clean. Eure Show bringt ’ne Menge Wahrheiten ans Licht, aber für mich ist sie immer noch geschönt.“
„Wenn ich fragen darf: clean von was?“, fragt Paul. Natürlich, so erfahren wir, ist es Crystal Meth. Als sie später die Rechnung begleichen, lassen Cranston und Paul 20 Dollar als Trinkgeld zurück – auch wenn sich Cranston einen deprimierenden Scherz nicht verkneifen kann: „Wir geben ihm Geld für Meth.“
Eine Woche zuvor sitzt Gilligan in einem Vorführraum des Burbank Studios, 1.300 Kilometer von Albuquerque entfernt. Er arbeitet heute am Sound für die zweite Episode aus Staffel 5, gibt Anweisungen zum Schnitt für die dritte und überwacht online die Dreharbeiten zur siebten Episode, die zeitgleich in Albuquerque stattfinden. Die Ermüdung ist an seinen rot geäderten Augen abzulesen. „Sie zeigen mir die Fotos der Requisiten, die morgen zum Einsatz kommen – und ich sage dann: ,Die Stiefel, die der Typ da trägt, gefallen mir nicht‘ oder so was. Es laugt einen aus, ist aber zumindest nie langweilig, weil man sich ein bisschen wie der Sonnenkönig fühlt. 300 Leute sind am Drehort, und den ganzen Tag heißt es: ,Was hältst du hiervon, was hältst du davon?‘ Und ich spiele Nero – Daumen hoch oder Daumen runter.“
Gilligan ist berüchtigt für seine Liebe zum Detail – oder, wie es ein Mitglied der Crew durchaus mit Bewunderung ausdrückt: „Er ist der absolute Kontrollfreak.“ Gern erzählt wird der Nagellack-Vorfall aus Staffel 3, als Skyler eine Affäre mit ihrem Boss Ted hat: Wir sehen ihre Füße auf dem beheizten Fußboden des Badezimmers, und Gilligan benötigte eine halbe Stunde, um die gewünschte Farbe des Nagellacks zu bekommen. Anna Gunn, die Skyler spielt, meint sogar, dass es erheblich länger gedauert habe: „Wenn meine Fußnägel verführerisch rot gewesen wären, dann hätte es etwas anderes bedeutet als ein dezentes, zögerliches Pink. Er wusste genau, was meine Fußnägel aussagen sollten. Zunächst denkt man: ,Wow, das geht aber nun wirklich etwas zu weit‘, aber nach einer Weile versteht man’s.“
Als die Zeit fürs Abendessen gekommen ist, nimmt Gilligan mich zu einer leeren Kulisse mit, damit wir unser Gespräch in Ruhe fortsetzen können. Er gießt uns ein Glas Maker’s Mark ein und nibbelt an einem Berg frittierter Maisbällchen. „Mein Appetit ist nicht der beste“, sagt er, „und mein Schlaf auch nicht. Und ich trinke vermutlich auch mehr als gewöhnlich, um mich irgendwie zum Schlafen zu bringen. Was vermutlich ein weiterer Grund ist, warum diese Show bald ein Ende finden muss.“ Als Cranston im vergangenen Jahr einer der ausführenden Produzenten wurde, machte er es sich zur Aufgabe, „Vince vor sich selbst zu schützen“, indem er ihm so viele nebensächliche Entscheidungen wie möglich abnahm – keine kleine Aufgabe neben seinem eigentlichen Job.
Cranston ist alles andere als der klassische Method Actor. Zwischen den Aufnahmen trällert er gerne ein Liedchen (heute ist es das obskure „Please Come To Boston“ von Dave Loggins), scherzt mit Crew und Kollegen, begrüßt auf dem Set Gäste – um in der nächsten Minute vor die Kamera zu treten und in die unergründlichen Tiefen seiner Rolle abzutauchen. „Er setzt sich seinen verdammten schwarzen Hut auf und wird in diesem Moment zu Heisenberg“, sagt Dean Norris, der Walters Schwager, Hank, den untersetzten Chef des Rauschgiftdezernats, spielt. „Er ist keiner von denen, die den ganzen Tag in der Ecke sitzen und sich suggerieren: ,Ich bin Heisenberg, ich bin Heisenberg, ich bin Heisenberg.‘ Er spielt es einfach so, wie nur große Schauspieler es spielen können.“
Was Walters Wutausbrüche betrifft, konnte Cranston immerhin auf eigene Erfahrungen zurückgreifen. Vieles davon geht auf sein Elternhaus zurück: Seine Eltern, beide Schauspieler, lernten sich 1948 in einer Schauspielklasse kennen, trennten sich aber schon bald nach Bryans Geburt. Das Haus wurde versteigert, und Bryan und seine Geschwister wurden bei den Groß-
eltern untergebracht. „Es gab kein Geld“, erzählt er mir eines Abends, „aber dafür umso mehr Alkohol. Es waren zwei gescheiterte Existenzen, die einander das Leben zur Hölle machten. Ich habe meinen Vater zehn Jahre lang nicht gesehen.“
Noch heute habe er ein Problem mit unkontrollierten Emotionen, sagt er, die „offensichtlich auf mein Elternhaus zurückgehen. Manchmal kommen sie beim Joggen raus – und plötzlich schreie ich nur noch: ,Motherfucker – aaarrrgh.‘ Es ist wie ein Dämon, der sich jahrelang versteckt hatte und nun irgendwie rauswill.“ Von diesen Ausbrüchen abgesehen, ziehe er es aber vor, Expeditionen zu seinen dunklen Gefühlen nur als Schauspieler zu unternehmen. „Ich schaue mir meine Frau an, die so unglaublich emotio-nal und wunderbar ehrlich ist – und kann Frauen einfach nur bewundern. Wenn es so etwas wie ein zweites Leben gibt, möchte ich es liebend gern als Frau erleben.“
Als Teenager fehlte es ihm an jeglichen Perspektiven. Er folgte dem Beispiel seines älteren Bruders, der einer Jugendorganisation der Polizei beitrat,die den Jugendlichen auch ausgedehnte Reisen ermöglichte. Die Laufbahn eines Polizisten rückte dann aber doch in weite Ferne, als er mit 19 die Mädchen und – als Mittel zum Zweck – die Schauspielerei entdeckte. „Ich sagte mir: Frauen – das ist der Beruf, den ich meistern möchte. Es waren also tatsächlich die Hormone eines 19-Jährigen, die meinen Weg als Erwachsener vorzeichneten. Ganz schön verrückt.“
Nach ein paar Aushilfsjobs machte er mit seinem Bruder einen zweijährigen Motorrad-Trip, über den man wohl einen abendfüllenden Film drehen könnte (sie arbeiteten auf Jahrmärk-
ten und als Aushilfskellner). Er heiratete überstürzt, spürte aber schnell, dass er dafür noch nicht reif war, und kniete sich in die Schauspielerei. Mit 26 spielte er in einer Seifenoper, hatte den großen Durchbruch aber erst mit 42, als er in der amerikanischen TV-Serie „Malcolm mittendrin“ den etwas schusseligen Vater Hal spielte. Aufgrund des späten Erfolgs hob er nie ab oder verlor die Orientierung. „Pot ist die einzige Droge, die ich in meinem Leben genommen habe“, sagt er. „Und selbst die macht mich nur müde.“
Seine wohl folgenreichste Rolle spielte er in der sechsten Staffel von „Akte X“, wo er einen abstoßenden Zeitgenossen mimt, der das Opfer eines Experiments der US Navy wird: Der von ihm gespielte Mann ist zum Tode verurteilt, wenn er sich nicht mit stets gleichbleibender Geschwindigkeit durchs Leben bewegt. Der Autor dieser Episode war Vince Gilligan, der nie vergaß, wie überzeugend Crans-ton diesen zwielichtigen Charakter spielte, so dass man sogar Sympathie für ihn entwickelte. Selbst sechs Jahre „Malcolm mittendrin“ konnten Gilligan nicht davon abhalten, Cranston für die Hauptrolle in „Breaking Bad“ vorzuschlagen. „Natürlich waren Sony und AMC nicht überzeugt, dass ich die richtige Wahl sei“, sagt Cranston, der davon Wind bekam, dass auch mit Steve Zahn über die Rolle verhandelt wurde. „Walter White konnte einfach nicht der Mann sein, der Hal in ‚Malcolm in the Middle‘ gespielt hatte.“ Er ließ verlautbaren, dass er ein Angebot für eine Serie bei Fox habe (in der er einen Arzt spielen sollte), und ist überzeugt, dass dies den Ausschlag gab.
Und trotzdem: „Wenn er Walter gespielt hätte“, sagt Cranston, „dann würden wir alle heute sagen: ,Mein Gott, Steve Zahn ist Walter White! Kann man sich überhaupt jemand anderen für diese Rolle vorstellen?‘ Und natürlich könnte man das nicht.“
An einem der Drehorte in Downtown Albuquerque steht ein lädiertes Telefonhäuschen, und Aaron Paul hat sich einen Spaß daraus gemacht, via Twitter die Nummer des Telefons zu verraten und zwischen Dreharbeiten Fragen seiner Fans zu beantworten. An einem unerträglich heißen Nachmittag steht er wieder mal an dem Häuschen und fantasiert über das mögliche Finale der letzten Staffel. „Jesse wird am Ende ins Gras beißen“, sagt er und blinzelt in die Sonne. „Aber erzähl’s niemandem weiter. Sein Kopf wird in der Tür eines Wohnwagens eingeklemmt und abgerissen. Walt lässt die Leiche in Säure verschwinden, die er dann für ein ganz neuartiges Crystal Meth verwendet. Vorher entschließt er sich aber noch, auf Kannibale umzusatteln und Teile des Körpers zu essen.“
Nach einer Weile beendet Paul das Gespräch und klatscht begeistert in die Hände. „Der Typ sagte nur: ‚Wirklich? Und ich dachte, Jesse würde richtig langsam und dramatisch sterben'“ Inzwischen dreht sich alles nur noch ums Finale. Noch weiß niemand, wie es konkret aussehen wird, auch nicht Vince Gilligan (der beeindruckt zur Kenntnis nimmt, dass „Mad Men“-Macher Matthew Weiner bereits weiß, wie die letzte Einstellung seiner Serie aussehen wird). „Wir tun so, als wären wir Bobby Fischer und spielten Schach“, sagt er. „Wir versuchen so viele Züge im voraus zu planen wie möglich. Aber das kann schnell ins Auge gehen, weil sich die besten Geschichten grundsätzlich eher organisch beim Schreiben entwickeln.“
Man darf zumindest annehmen, dass die letzten Folgen auf den gleichen Kunstgriff zurückgreifen, den man auch in der ersten Episode der letzten Staffel einsetzte: Ein schwerbewaffneter Walter White, im Exil untergetaucht, kehrt per Zeitsprung nach Albuquerque zurück. Es war wohl die einzige Szene, bei der Cranston unsicher war, wie er seine Rolle spielen sollte. „Ich stellte Vince ganz konkrete Fragen: ,Komme ich allein zurück?‘ Was er bejahte. ,Warum komme ich überhaupt nach Albuquerque zurück?‘ Er sagte: ,Weil du jemanden beschützen musst.‘ Und ich: ,Hat der Krebs sich zurückgemeldet?‘ Worauf er nur ausweichend ,Vielleicht‘ sagte.“
Natürlich liegt das große Finale auch Gilligan auf dem Magen – und das nicht nur, weil er die hohen Erwartungen der Fan-Gemeinde nicht enttäuschen möchte. „Ich habe den reinsten Horror vor dem Tag, wenn alles zu Ende ist“, sagt er. „Ich habe Angst, dass es der Höhepunkt meiner Karriere gewesen sein könnte. Und man möchte natürlich lieber Clint Eastwood als Orson Welles sein, man möchte seine wichtigen Arbeiten lieber zum Ende seiner Laufbahn abliefern, als bereits am Anfang zu verglühen. Obwohl, andererseits: Mit Orson Welles würde ich natürlich auch jederzeit tauschen.“
Lange Zeit hatte Cranston damit gerechnet, dass Walt am Ende über die Klinge würde springen müssen – was sich bei einem Mann mit unheilbarem Krebs durchaus anbieten würde. „Aber je länger ich drüber nachdenke, desto mehr komme ich zu der Überzeugung, dass es vielleicht gerade der Bote des Todes ist, der überlebt – der Mann, der dieses Gift unter die Menschen bringt. Nein, es würde mich nicht überraschen: Der Mann, der eigentlich sterben sollte, ist der einzige Überlebende.“
Wenn es etwas gibt, was niemand erwartet, dann ist es ein Happy End. „Wie im Märchen wird’s mit Sicherheit nicht enden“, meint Paul, als wir mit Crans-ton im Irish Pub sitzen. „Ich weiß nur, dass der Tag kommen wird, wo ich nicht mehr in Jesses Haut schlüpfen kann – und ich liebe diesen Typen von ganzem Herzen.“
Bei so viel Pathos fühlt Cranston sich sichtlich unwohl. „Ich kann’s gar nicht abwarten“, sagt er, „bis ich euch Arschlöcher nicht mehr sehen muss.“ „Das sagt er doch nur, weil er tief in seinem Inneren so furchtbar sensibel ist“, entgegnet Paul.Cranston lächelt und sieht für einen Moment wie das exakte Gegenteil von Walter White aus. „Nein“, sagt er trotzig, „bin ich nicht.“
Die ersten vier Staffeln von „Breaking Bad“ gibt es auf DVD, die fünfte läuft derzeit auf AXN.