Boygenius: Gekommen, um uns zu unterhalten
Was treibt die aufregendste Supergroup der Welt an? Freundschaft, aufrührende Bücher und neue Songs.
Nach unserem Strandspaziergang esse ich mit Boygenius im Little Beach House in Malibu zu Mittag, wo Fotografieren verboten ist. (Trotzdem geht ein Mann auf Bridgers zu, sagt: „Meine Freundin schläft in einem Phoebe-Bridgers-Shirt“ und bittet um ein Foto. Bridgers kommt dem gern nach.) Alle drei Bandmitglieder haben spezielle Anekdoten über absurde Interaktionen mit Fans: Baker wird manchmal beim Laufen angehalten, Dacus wird oft gegrüßt, wenn sie auf einer Bank liest (sie steht aber nicht für ein Foto auf, wie sie zugibt), und Bridgers hatte einmal ein tränenreiches Gespräch mit ihrer Mutter, während sie spazieren ging, ohne zu merken, dass sie fünf Blocks lang verfolgt wurde.
„Ich möchte nicht über Fans herziehen“, sagt Bridgers. „Aber man kann auch Fan sein, ohne dass man mich ohne meine Erlaubnis hinter meinem Rücken filmt und mich die Straße entlang verfolgt.“ Bridgers nippt an einem Hafermilch-Cortado und steht gelegentlich auf, um ihre Hände an einem Feuer in der Nähe zu wärmen. Ihr gegrillter Heilbutt mit Yuzu-Aioli und Kokosnussreis ist unterwegs, ebenso wie Dacus’ Caesar Salad und ihre Fisch-Tacos. Als Bakers Thunfisch-Poke nicht kommt, fragt eine besorgte Phoebe Bridgers den Kellner, wo er bleibe. „Danke, Mom!“, sagt Baker strahlend zu ihrer Bandkollegin.
Boygenius lesen gern, und das meine ich nicht in einem beiläufigen Sinne. Die meiste Zeit unseres Mittagessens verbringen wir damit, über Literatur zu sprechen, wobei sie mit ihren neuesten Lektüren Pingpong spielen: Rachel Yoders „Nightbitch“, C. S. Lewis’ „The Great Divorce“, Jenny Offills „Weather“, Leslie Feinbergs „Stone Butch Blues“ und Rebecca Rukeysers „The Seaplane On Final Approach“, von dem Bridgers mir am nächsten Tag ein Exemplar schenkt.
„Selbsthass ist manchmal ein Gottkomplex, bei dem man denkt, man wäre der abgefuckteste Mensch, der je gelebt hat – Lucy Dacus.“
Der Boygenius-Buchclub kann ganz schön schräg werden, vor allem wenn eine Sexszene in Elif Batumans „Either/Or“ zur Sprache kommt. „Ich hatte ein fast vollständig geschlossenes Jungfernhäutchen“, erzählt Bridgers, während Baker und Dacus hysterisch lachen. „Das sollte die Überschrift zum Artikel sein!“, prustet Dacus. So ist das, wenn man mit allen drei Mitgliedern von Boygenius zusammen ist: Alles liegt auf dem Tisch, von Schleimhäuten bis zu der Frage, wie es wäre, wenn Shakespeare die Musiksoftware Ableton lernen würde. Der „The Record“-Track, der diese Art von Freude am besten ausstrahlt, ist „Not Strong Enough“. Es ist das gemeinschaftlichste Stück, und der Refrain „I don’t know why I am/ Not strong enough to be your man“ baut sich auf und explodiert in Euphorie, mit scharfen Riffs und chaotischen Drums. Dieser Rausch wurde von Bridgers inspiriert, als sie sich in einer großen Frank-Black-Phase befand und Pixies hörte.
Sie hatte die Zeile „Not strong enough to be your man“, eine Anspielung auf Sheryl Crows „Strong Enough“, schon lange auf Eis gelegt und auf den perfekten Song gewartet. „Selbsthass und Selbstverherrlichung können zwei Seiten einer Medaille sein“, erklärt Bridgers. „‚Ich bin nicht stark genug, um für dich da zu sein. Ich kann nicht der Partner sein, den du von mir erwartest.‘ Aber auch: ‚Ich bin zu verkorkst. Ich bin auf eine tiefe Art und Weise unerkennbar!‘ Selbsthass ist manchmal ein Gottkomplex, bei dem man denkt, man wäre der abgefuckteste Mensch, der je gelebt hat. Das ist man aber gar nicht. Und er kann Menschen dazu bringen, sich wirklich egoistisch zu verhalten, und ich liebe jede unserer Interpretationen dieses Konzepts.“
Es sollte nichts Besonderes sein, dass eine großartige Band zufällig ausschließlich aus Frauen besteht. (Aber kann man sich vorstellen, Led Zeppelin oder CSNY als „All-Male Supergroup“ zu bezeichnen?) Das ist etwas, das Baker, Bridgers und Dacus im Laufe der Jahre in Interviews oft angesprochen haben. Sie haben ihre Verärgerung darüber zum Ausdruck gebracht, dass ihr Geschlecht „bemerkenswert“ sein muss, und ihre Verachtung für das „Virtue-Signaling“: als Symbole statt als Künstlerinnen behandelt zu werden. „Etwas, das für uns wirklich wichtig war, ist, dass wir wie jede andere Band existieren können: einen kranken Song zu machen, der nicht durch all diese fremden Identifikationsmerkmale, mit denen wir arbeiten, belastet wird“, sagt Baker. „Es wäre effektiver für ein Kind, sich Fotos des Live-Sets oder die Album-Credits anzusehen und zu verstehen, dass diese Welt zugänglich ist, als zu versuchen, eine explizite Aussage darüber zu machen, dass die Band nur aus queeren Menschen besteht.“