Boygenius: Gekommen, um uns zu unterhalten
Was treibt die aufregendste Supergroup der Welt an? Freundschaft, aufrührende Bücher und neue Songs.
Es ist zehn Uhr morgens in Malibu und bis auf einen Husky am Ufer und einen Surfer, der hüfthoch im Meer steht, ist der Zuma Beach leer. Der Spätwinterhimmel hat exakt denselben Farbton wie ein blauer Buntstift und das Licht ist fast zu perfekt. Es fühlt sich an wie einer von Tony Sopranos Träumen. Oder vielleicht bin ich gestorben und ich befinde mich in einer Art verschwommenem Jenseits, in dem man mit der aufregendsten Indie-Band der Welt abhängen kann. Als ich diesen Gedanken laut ausspreche, brechen Julien Baker, Phoebe Bridgers und Lucy Dacus – auch bekannt als Boygenius – in Gelächter aus. „Wir treffen euch im Fegefeuer“, sagt Dacus, 27: „Also … Wie hast du dich in deinem Leben geschlagen?“
Aber es ist alles echt: Die drei generationenprägenden Songwriterinnen von Boygenius haben sich vergangenes Jahr zum ersten Mal seit ihrer Debüt-EP von 2018 wieder zusammengetan, ein fantastisches Debütalbum eingespielt, und heute Morgen sind sie hier, um über alles zu reden. Das Trio schlendert am Strand entlang, mit der Art von Swagger, wie die Backstreet Boys ihn in ihrem Video zu „Anywhere For You“ hatten. Nur dass diese Boys sich selbst nicht so ernst nehmen.
BRIDGERS: Meine Mutter hat sich gestern Abend bei mir zu Hause ihr erstes Tattoo stechen lassen.
DACUS: Ich habe in der Highschool ein Tattoo für meine Mutter entworfen.
BRIDGERS: Ich werde ein toxisches Tattoo-Jahr haben, so viel kann ich sagen.
BAKER (DIE VIELE TATTOOS HAT): Willkommen im Club!
Dacus trägt eine Sonnenbrille mit lilafarbenem Gestell und eine weiße Kord-Baseballmütze. Baker, 27, steht im Sand und trägt unter einem schwarzen Pullover ein pinkfarbenes T‐Shirt. Bridgers, eine 28‐Jährige aus L.A., die vor Kurzem im nahe gelegenen Calabasas ein Haus gekauft hat, trägt ihre typische schwarze Kleidung, abgesehen von einer beigen Baseballkappe mit der Aufschrift „Lucy loves me, Dads fear me“. Das bezieht sich auf „Thumbs“, einen Song von Dacus’ Soloalbum „Home Video“ aus dem Jahr 2021, in dem sie darüber fantasiert, den beschissenen Vater ihrer Freundin zu ermorden.
Boygenius lieben klassischen Rock. Nachdem Bridgers 2021 auf Instagram Live mit Paul McCartney gesprochen hatte, brach sie in Tränen aus. Aber Boygenius lieben es auch, männliche Heldenverehrung jeglicher Art zu untergraben. Ihr Bandname ist eine Anspielung auf übermütige Männer, die für jeden ihrer Gedanken gelobt werden. Mehr als alles andere wollen sie einfach wie berühmte Bands von Kerlen behandelt werden. Man denke nur an das Cover ihrer EP „Boygenius“, auf dem sie in der gleichen Formation auf einer Couch sitzen wie Crosby, Stills und Nash auf dem Cover ihres Debüts. Oder werfen Sie einen Blick auf das Cover dieses Magazins, auf dem Boygenius das Nirvana-Cover des amerikanischen ROLLING STONE vom Januar 1994 nachgestellt haben.
Baker, Bridgers und Dacus sind beliebte Solokünstlerinnen, wobei Bridgers während der Pandemie mit ihrem zweiten Album, „Punisher“ (das ihr vier Grammy-Nominierungen einbrachte), und der Zusammenarbeit mit Taylor Swift, Paul McCartney, Lorde und anderen den Durchbruch in der Musikwelt schaffte. Im Frühjahr soll sie im Vorprogramm von Swift auftreten. Doch Gleichberechtigung war schon immer der Antrieb der Bandmitglieder, die sich alle als queer identifizieren: Es gibt keine Frontfrau, und jede wird ermutigt, Ideen vorzuschlagen oder abzulehnen. „Indem wir uns gegenseitig hochheben, schaffen wir etwas“, sagt Bridgers. „Wir dürfen alle die Hauptrolle spielen. Wir bekommen alle das Hochgefühl, wenn wir vorn stehen. Das ist so krass und ist seit dem ersten Tag an das Ethos dieser Band gewesen.“