Bono: David Bowie
Meine Auswahl ist rigoros: Es sind meine Teenager-Jahre als Bowie-Fan. Ich bin noch immer ein Fan, war aber damals in Herz und Kopf noch erheblich empfänglicher. Und jeder dieser Songs hatte eine unmittelbare Wirkung. U2 schulden ihm viel. Er machte uns mit Berlin und den Hansa-Studios bekannt, er ist der Auslöser dafür, dass wir mit Brian Eno arbeiten. Von ihm stammt die Freiheit, in hohen Lagen zu singen und so der „männlichen“ Stimme eine weibliche Nuance zu geben. Und nicht zuletzt ist da die ästhetische Überhöhung – der Versuch, auf der Bühne neue Wege zu gehen. Bowie hatte keine Angst, in neuen Größenordnungen zu denken und Drama auf die Bühne zu bringen. Und wenn er auf der Bühne stand, war seine Setlist keine Jukebox, sondern ein Drama mit einer inneren Logik.
1. „Space Oddity“ 1969
Zu diesem Song gehen wir jeden Abend auf die Bühne – wie vier Astronauten.
2. „The Man Who Sold The World“ 1970
Amerika schloss diesen Song ins Herzen und dachte dabei an Kurt Cobain – einen Mann, der der Welt rein gar nichts verkaufen wollte.
3. „Changes“ 1971
Man kann nicht überschätzen, wie sehr Elvis Amerika veränderte. David Bowie bedeutete das Gleiche für England und Irland. Es war ein radikaler Paradigmenwechsel in unserem Bewusstsein.
4. „Five Years“ 1972
Klingt, als sei es ein Echo der Chanson-Tradition. An anderer Stelle auf „Ziggy Stardust“ erwähnt er William Burroughs. Ich kaufte mir daraufhin „Naked Lunch“, hatte allerdings mit 15 Jahren so meine Probleme. Aber Bowie wies mir den Weg – allein dadurch, dass er darüber sprach, was ihn beeindruckt hatte.
5. „Life On Mars“ 1971
Bowies Welt bestand immer aus einem intellektuellen und künstlerischen Knistern. Es war ein weiter Weg von dort bis nach Dublin, wo ich aufwuchs.
6. „Starman“ 1972
Ich sah ihn zum ersten Mal, als er bei „Top of the Pops“ diese Nummer sang. Es war so, als wäre eine fremde Kreatur vom Himmel gefallen. Die Amerikaner schickten einen Mann zum Mond – wir hatten einen Engländer aus der Tiefe des Raumes. Und obendrein hatte er noch eine irische Großmutter.
7. „Lady Grinning Soul“ 1973
Damals ein untypischer, außergewöhnlicher Bowie-Song. Der Einfluss schwarzer Musik, der sich auf dem kommenden Album niederschlagen sollte, ist hier bereits zu hören. Mich würde mal interessieren, was Roy Bittan (von der E Street Band) zu dieser Piano-Passage sagt. Nicht umsonst war Bowie ein großer Springsteen-Fan.
8. „The Jean Genie“ 1973
Immer wieder mal misst sich Bowie mit Jagger. Ich liebe seine Herangehensweise an Blues und R&B – seine Präzision, sein swingender Beat. Und mit diesem Song schlug auch die Geburtsstunde von The Smiths.
9. „John, I’m Only Dancing“ 1972
Auch hier liebe ich die Ökonomie, diesen Rockabilly-Beat. Es reicht nicht, ein großartiger Songschreiber zu sein. Man muss diesen Song in eine Aufnahme transformieren, und das verlangt nach außergewöhnlichen Fähigkeiten in Produktion und Arrangement.
10. „Young Americans“ 1975
Der beste Moment ist der Break auf dieser herrlich verstimmten Gitarre. Ich war hin und weg.
11. „Fame“ 1975
Ich war fasziniert von der Zwickmühle, die er in diesem Song beschreibt. Er war ein ungewöhnliches Talent, das früh gereift war – und das sich weigerte, dumm zu sterben.
12. „Warszawa“ 1977
Ich habe noch immer plastische Erinnerungen an die montäglichen Treffen mit meinem Freund Gavin Friday, als wir in seinem Wohnzimmer Musik hörten, immer wieder dieses Album auflegten und uns fragten, was es wohl zu bedeuten habe.
13. „Heroes“ 1977
Es ist im Kern der Gedanke, der jedem Verliebten durch den Kopf geht: Ich bin nicht allein und kann es mit der ganzen Welt aufnehmen. Und wir hören Robert Fripps fulminanten Ausbruch auf der Gitarre.
14. „Ashes To Ashes“ 1980
Die klanglichen Innovationen von „Low“ und „Heroes“ sind inzwischen ja Pop geworden. Ich erinnere mich noch, dass ich mir seinerzeit den Kopf zerbrach, wie sie wohl diesen Ping-ping-ping-Sound auf dem Piano hinbekommen haben. Wir benutzten ihn später für „Lemon“.
15. „Up The Hill Backwards“ 1980
Der Song steht deshalb auf der Liste, weil er wie mein Leben ist.