Bonnie Prince Billy – Hübsch und knuffig
Bonnie "Prince" Billy über Bärte, Wölfe, Merle Haggard, neue Songs und Nebenjobs.
Es ist Sommer in Louisville, Kentucky. Da hat selbst Will Oldham, unter dem Nom de Plume Bonnie „Prince“ Billy der Vater aller Waldschrate und vollbärtigen Indie-Folk-Eigenbrötler, eine Fast-Komplettrasur vorgenommen und trägt einen luftigen Schnauzer. „Zum Winter hin lass ich die Gesichtshaare wieder wachsen“, sagt er, „dann habe ich einen praktischen natürlichen Schal.“ Es ist noch früh am Morgen, aber Oldham ist in Eile.
Ich habe gehört, Sie sind auf dem Sprung?
Ja, ich muss gleich zur Arbeit. Wenn ich zu Hause bin, arbeite ich hier für die Stadtbibliothek – die haben ein Programm, um Immigranten und Flüchtlingen die Integration zu erleichtern. Gleich gehe ich mit einem Freund zu einem Aufnahmelager, in dem Leute aus Somalia, Kuba und vor allem Burma untergebracht sind.
Die haben natürlich keine Ahnung, wen sie vor sich haben.
Nein, die haben sicher andere Sorgen. Aber wenn sie fragen, erzähle ich ihnen schon, dass ich Musiker bin. Und manchmal treffe ich sie später wieder, wenn sie sesshaft geworden sind, und sie rufen mir von Weitem entgegen: „Hey, ich hab dich auf YouTube gesehen.“
Spiegelt sich die Arbeit auch in Ihren Liedern wider?
Es ist natürlich inspirierend, Zugang zu fremden Kulturen und Musiken zu haben – was aber viel wichtiger ist: Ich lerne viel über die Gefühle anderer Menschen. In meinem Fall hilft das, die Selbstzufriedenheit, die sich mit dem Alter und dem wachsenden Erfolg einstellen könnte, zu überwinden. Denn ich habe ständig vor Augen, wie andere Leute sich durchs Leben schlagen müssen. Außerdem lerne ich durch die Arbeit die Vielfalt und Komplexität von Louisville besser kennen. Und statt zu Hause zu sitzen und – wie ein Gefangener in meinem eigenen Heim – Lieder zu schreiben, kann ich regelmäßig und dazu noch ohne erkannt zu werden mit Menschen zusammenarbeiten. Das ist toll.
Ihr neues Album heißt „Wolfroy Goes To Town“ – Wölfe scheinen schon immer eine große Faszination auf Sie auszuüben.
Ich kann’s mir auch nicht erklären. Das muss etwas Unbewusstes sein. Vielleicht liegt es daran, dass „Wolf“ ein Wort mit vier Buchstaben ist, das mit einem „W“ beginnt – und ich mich als jemand, der Will heißt, damit identifiziere. Oder es hat damit zu tun, dass das Heulen des Wolfes für mich die beneidenswerteste emotionale Ausdrucksform überhaupt ist. Und Wölfe sind natürlich, so wie ich, unglaublich hübsch und weich und knuffig – wenn man ihnen aber zu nahe kommt, kann es passieren, dass dir diese weiche knuffige Kreatur deinen verdammten Arm abbeißt. (lacht)
Ich werde mich hüten. Die neuen Lieder scheinen aber nicht besonders aggressiv zu sein.
Vor ein paar Jahren habe ich eine für mich enorm wichtige Platte gemacht, die heißt „Lie Down In The Light“. Da ist es mir gelungen, Dinge auszudrücken, die in meinem Werk bis dahin zu kurz gekommen waren – Formen von Optimismus und Sicherheit. Das nächste Album, „Beware“, war dann eher ein Rückschritt in eine zornige Düsternis. Die Kollaboration mit meinem Gitarristen Emmett Kelly alias The Cairo Gang auf „The Wonder Show Of The World“ hat mich schließlich darin bestärkt, wieder dort weiterzumachen, wo ich mit „Lie Down In The Light“ aufgehört hatte.
Sie haben vor Kurzem auf einer Single Merle Haggard gecovert. Sein Einfluss scheint sich auch auf dem neuen Album bemerkbar zu machen.
Seit ich in den Neunzigern im „New Yorker“ mal einen Artikel über ihn gelesen habe, bin ich Fan. Auf dem Album gibt es tatsächlich ein Stück, das von ihm inspiriert ist: „Time To Be Clear“. Ich habe es eigentlich für eine Aufnahmesession geschrieben, die ich mit Abe Manuel Jr. in Lousiana machen wollte. Abe war eine der kreativen Kräfte hinter Haggards Album „1996“, das ich sehr liebe. Daher dachte ich, ich schreibe vielleicht einen Song, der etwas von der Energie hat, die ich aus Haggards Musik ziehe. Es gibt von ihm dieses Lied namens „Footlights“, in dem er auf sein Leben schaut. Er war damals gerade 41 geworden – und ich bin Anfang des Jahres auch 41 geworden. Das war der Ausgangspunkt.
Bis nach Louisiana haben Sie es dann aber gar nicht geschafft.
(Lacht) Stimmt. Als ich mich hinsetzte, um den Song zu schreiben, stellte ich fest, dass ich schon wieder ganz schön viel neues Material hatte. Wenn ein Album fertig ist, denke ich meistens: „Ich werde nie wieder eine Platte machen, weil mir nichts mehr einfällt“. Als ich dann aber sah, wie viele Songs sich angesammelt hatten, bin ich einfach hier geblieben und habe die gleich alle aufgenommen.