Bobby Womack: „Mick Jagger kann nicht unbedingt singen, aber er hat Stil.“
Markus Schneider sprach mit Bobby Womack über sein Comeback-Album "The Bravest Man In The Universe", die Zusammenarbeit mit Damon Albarn und über Kollegen, die er schätzt. Dazu gibt's tolle Fotos aus der langen Karriere des Bobby Womack.
Noch vor ein paar Wochen bereitete man schon die Nachrufe auf Bobby Womack vor, als er erst wegen einer Lungenentzündung und dann mit Darmkrebs im Krankenhaus lag. Mittlerweile spricht er davon, mit seinem neuen Album zu touren, das er mit Unterstützung von Richard Russell, dem Chef des XL-Labels, und Damon Albarn eingespielt hat. Letzterer hatte ihn für das letzte Album der Gorillaz nach langer Pause aus dem Ruhestand geholt.
1944 geboren, begann Womack früh mit der Familienband The Valentinos als Gospelsänger. Sam Cooke holte ihn ins säkulare Lager, wo er seit den späten Sechzigern großartige Alben wie „Understanding“ oder den Soundtrack zu „Across 110th Street“ veröffentlichte, aber auch als ausgezeichneter Session-Gitarrist und -Sänger spielte und „It’s All Over Now“ für die Rolling Stones und „Trust Me“ für Janis Joplin schrieb.
Herr Womack, herzlichen Glückwunsch zur Genesung! Aber auch zu Ihrem wunderbaren neuen Album. Wie kam es dazu?
Als mich Damon gefragt hat, ob ich mit ihm und den Gorillaz arbeiten wolle, da war ich weg vom Fenster. Ich hatte seit 20 Jahren keine Gitarre mehr gespielt. Aus irgendwelchen Gründen wollte ich, nachdem ich mit den Drogen aufgehört hatte, nicht mehr spielen, und ich hatte das Business satt. Die einzige Affenband, die ich kannte, waren die Monkees. Ich sagte: Machen wir die Tour und schauen, was passiert. Damon meinte schon während der Tour, dass wir danach ins Studio gehen sollten, zu zweit. Die Tour war dann beinahe spirituell. Ich habe nirgendwo Drogen gesehen, und die Leute haben ihre Arbeit fast religiös ernst genommen – Damon war der Chef, aber er hat mit mir auf gleicher Höhe, von Künstler zu Künstler gesprochen.
Wie war die Zusammenarbeit im Studio?
Mir ist vor allem einer der Musiker aufgefallen. Ich dachte mir, der hängt sich ja ziemlich rein. Und ziemlich gut ist er auch. Aber er kam die ganze Zeit mit irgendwelchen Vorschlägen an, die seltsamerweise alle gut waren. Irgendwann habe ich Damon gefragt: Wer ist der Typ? Damon sagte: Richard Russell, dem gehört das Label. Ich dachte, er nimmt mich hoch. Ich habe noch nie im Leben einen Firmenchef erlebt, der so hart mitgearbeitet hat.
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Vermutlich waren Ihnen auch die dubsteppigen Beats nicht so vertraut.
Das waren alles Richards Sachen. Er drückte mir das Mikro in die Hand und sagte: Schreib einfach auf, was dir gerade durch den Kopf geht. Richard reichte eine ungefähre Idee. Für mich war entscheidend, dass er sagte: Deine Stimme dominiert die Stücke, wir werden nicht viel Musik dazugeben. Wir wollen deine Stimme, dein Talent als Songschreiber und deine Gitarre. Du bist der Chef.
Sie haben im Lauf Ihrer Karriere ohnehin die verschiedensten Stile von Gospel über Soul, von Rock zu Funk, sogar bis Country überzeugend bedient.
Ich hatte im Gefühl, wie sich die Dinge änderten, wie sich das Business änderte und öffnete. Wir hatten Little Richard, dann Sly Stone, dann Earth Wind And Fire, Prince – es geht immer weiter. Jeder hat Soul, nur wissen die meisten nicht, wo ihre Seele ist. Manche können sie auch nicht singen. Na, es gibt zum Beispiel viele Leute, die Mick Jagger mögen. Ich finde nicht unbedingt, dass er singen kann, aber er hat auf jeden Fall Stil. Soul kommt in allen möglichen Formen und Größen. Wenn man einsehen muss, dass man James Brown nicht ersetzen kann, sagt man sich: Dann bin ich eben ich selbst.
Es gibt auf dem Album mit „Deep River“ auch einen Gospel-Song.
Ich kenne den noch aus meiner Kindheit. Selbst wenn professionelle Gruppen wie die Soul Stirrers sangen, sind die Leute sofort spontan eingestiegen, und man hatte den Eindruck, sie hätten geübt, weil sie so toll waren. Was ich damals gelernt habe und was dann auch den Soul prägte: Die Musik kam aus dem Herzen, und wenn sie dich erreicht, dann bist du bewegt, da hast du gar keine Wahl. Damals konnte man nicht von Gospel leben, aber ich konnte zusehen, wie es wuchs und gedieh. Wenn ich zurückschaue, sind wir ganz schön weit gekommen, aber die Bullshitter sind immer noch da draußen und verdienen wie verrückt.
Ist das auch Ihre Haltung zur aktuellen Musik?
Was mir vor allem auffällt: Früher hatte jeder einen eigenen Stil, ob es Sam Cooke oder James Brown war, Jimi Hendrix oder Eric Clapton. Die hatten Sounds. Heute kannst Du wie irgendwer klingen und vielleicht besser als der selbst.
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Vielen jüngeren Leuten sind Sie vermutlich vor allem ein Begriff durch „Jackie Brown“, für den Tarantino „Across 110th Street“ benutzt hat – ein Song, den Sie 1972 geschrieben haben.
Als sie mich damals gebeten haben, das zu schreiben, habe ich sozusagen „Across 110th Street“ gelebt. Wo ich aufgewachsen bin, war alles so heruntergekommen, dass die „Projects“, die neuen Sozialwohnungen, wie Beverly Hills wirkten. Ich erinnere mich an ein Weihnachten, als wir mit dem Auto durch eine wohlhabende Gegend gefahren sind, um uns anzuschauen, wie sie ihre Bäume und Häuser dekorieren. Es war hell wie auf einem Filmset. Ich dachte nur: Mann, ist das schön! Aber je weiter wir die Straße runterkamen und je näher wir dem Ghetto gekommen sind, desto dunkler wurde es. Ich glaube, wenn ich singe, dann kehrt ein Teil von mir dorthin zurück – in eine bestimmte Tiefe, wo alles beginnt und wohin alles zurückkehrt.