Bob Seger – Gegen den Wind
Seit 1969 veröffentlicht er Platten, seit 1975 verkauft er auch große Auflagen. Doch der Perfektionist Bob Seger setzte lange auf fremde Songs, Session-Profis und dampfenden R&B – bis Glenn Frey seinen Song „Beautiful Loser“ hörte und Seger zu eigenem Balladen-Songwriting ermutigte.
Natürlich muss er diesen WunschSong jetzt spielen. Nachdem er doch behauptet hatte, in Ohio zu sein … Ohio! Cleveland war vor drei Tagen! Da hilft nur noch, sich selbst auf den Arm nehmen. „Wo bin ich?“, schreit der Mann mit Karohemd und Telecaster-Gitarre jetzt also ins Publikum. „Detroit!!!“ schallt es aus zigtausend Kehlen im Palace Of Auburn Hills zurück. Also los, kurzer Blick in den Teleprompter: „I was born lonely down by the riverside …“
Jetzt diese Zeile zu singen, wäre Bruce Springsten wohl auch ohne Fauxpas à la „Spinal Tap“ ein Anliegen gewesen, hier im Hinterhof seines etwas älteren Bruders im Geiste, der das Arbeitsethos aus der frühen Live-Ochsentour mit ihm teilt. Der auch den Rock’n‘ Roll zur wichtigsten Sache der Welt gemacht und dabei doch nur selten überfrachtet hat mit Parolen und Pathos. Der auch dem Bundesstaat, der ihn groß werden ließ, treu blieb (und sich nicht so lange vom Schein der Hollywood Hills ablenken ließ wie er selbst). Also spielt Springsteen im November 2009 in Detroit „Ramblin‘ Gamblin‘ Man“ von Bob Seger – und nur notorische Nörgler monieren, der Mann aus New Jersey könne dem Michigan-Rocker stimmlich ja immer noch nicht das Wasser reichen.
41 Jahre zuvor singt Bob Seger „Ramblin‘ Gamblin‘ Man“ selbst, in einer US-TV-Show fürs Jungvolk. Mit dem California-Pilzkopf und der Flausch-Weste will er sich womöglich gleich bei Buffalo Springfield bewerben. In der linken Hand hält Seger das Mikro wie ein Schlagerbarde, die rechte tastet nach Keyboard-Akkorden. Drummer Pep Perrine und Bassist Dan Honaker geben alles. Und das so, als ob es echt wäre. Als das Playback verklungen ist, kriegt der schüchterne Seger beim Standard-Interview kaum zwei Sätze raus.
„Ramblin‘ Gamblin‘ Man“ klettert 1968 trotzdem bis auf Platz 17 der US-Charts. Ein Song wie ein Knock-out von Ali gegen Sonny Liston. Robert Clark – genannt Bob – Seger ist gerade 23 und doch schon ein Veteran. Zumindest in und um Detroit herum, wo er bereits auf fünf Single-Hits wie „East Side Story“ zurückblickt. Die regional schon mal mehr verkaufen als die Beatles (die er toll findet, aber lange nicht so toll wie James Browns „Live At The Apollo“). Geschichte ist auch schon ein Angebot von Motown: Seger lehnt ab, weil er sich mit seiner R&B-Variante von Motor City Rock bei Capitol besser aufgehoben fühlt als am lokalen „Hitsville“-Fließband.
Seinen ersten eigenen Song singt Bob Seger noch auf der Highschool. Das Demo wird 1961 sogar von einer Radiostation in Ann Arbor gespielt, wo er aufwächst und der musikalisch gescheiterte Vater die Familie zurücklässt, als Bob gerade zehn ist. „Niemand kann das jemals ändern oder gutmachen“, wird Bob Seger 1986 zu Timothy White sagen. „Man muss ihm das nur vergeben und dann damit leben.“ Stewart Seger erlebt den Hit „Ramblin‘ Gamblin‘ Man“ noch, bevor der Krankenpfleger 1968 bei einem Wohnungsbrand ums Leben kommt. Am Rande eines Promo-Trips nach Kalifornien kann Bob Seger seinen Vater kurz vor seinem Tod noch einmal sehen.
„The Lonely One“ heißt dieser erste eigene Song. Richard Ford beschreibt in „Der Sportreporter“ diese konkurrenzlose Einsamkeit, die einen Mann nur treffe, wenn die Frau nicht mehr an ihn denke. Wie konkurrenzlos aber ist ein Junge, der seinen Vater gleich zweimal verliert? New Jersey, schreibt Ford, habe zwar „die perfekte Landschaft“ für diese Einsamkeit. Aber Michigan „reicht fast heran, mit seinen langen, traurigen Alleen, seinen trostlosen Sonnenuntergängen über sich duckenden Fachwerkhäusern, nachgewachsenen Wäldern, topfebenen Autobahnen und (…) Städten mit Eselsohren.“
Die Musik macht Bob Seger weniger einsam. Da ist zum Beispiel dieser Typ von The Mushrooms. Mit Glenn Frey guckt er sich auch mal „Planet der Affen“ an. „Er schaute zu mir auf, weil ich älter war und schon kleine Hits hatte“, erinnert sich Seger 1976. „Ich war der Heavy-Typ, er mochte die Byrds und Beau Brummels.“ Dankbar registriert Seger, dass der Draht selbst dann nicht abreißt, als Frey später in Kalifornien mit den Eagles abhebt, während er selbst noch kaum vom Fleck kommt – „aber ich war auch sehr neidisch, ja manchmal hasste ich ihn fast“. (aus dem Timothy-White-Interview von 1980)
Noch vor Frey lernt Bob Seger 1964 Edward Andrews kennen, den alle nur „Punch“ rufen. Damit kann der Club-/Label-Betreiber natürlich nur sein Manager werden. Die Legende platziert ihr erstes Treffen in einem Bowling-Center. Was schon deshalb wahr sein muss, weil auch die Pampa-Studios, wo Seger lange aufnimmt, unter Bowling-Bahnen zu Hause waren (weshalb die letzte während der Sessions wegen Vibrationen schon mal geschlossen werden muss). „Er glaubte an mich durch dick und dünn“, sagt Seger später in einem Radio-Interview. „Und allen, die ihn als schlechten Manager fertigmachten, kann er jetzt sagen: Na, so übel war ich wohl doch nicht! Punch war genauso wichtig für meinen Erfolg wie ich selbst.“
Dann ist da noch Doug Brown. Sein Vater bucht die Bands des Sohnes – und das auch schon mal in diesen Strip-Laden in Jackson. Im Roseland Inn steht Seger mit Brown und den Town Criers drei Mal 15 Minuten pro Abend auf der Bühne. Doch ob nur drei Mal 15 Minuten im Rotlicht oder die üblichen drei Mal 45 Minuten auf Wohnheimpartys: Seger ist der „dirty white boy“ (Seger), der „schwarze“ Songs von Otis Redding, James Brown, Wilson Pickett singt. Oder auch mal die drei Spencer-Davis-Hits am Stück. Wie heißt’s im Country-Klassiker „Detroit City“? „By day I make the cars, by night I make the bars.“ Seger macht noch in der Highschool bis zu drei Bars die Woche. Und glaubt schon fast, dass es dabei bleibt und irgendwann dieser Europa-Trip drin ist, „und dann muss ich mir mit 25 nen richtigen Job suchen“. Bis ihn eben Doug Brown ermuntert, doch echt mal ein bisschen mehr an sich zu glauben, und wie’s denn überhaupt wäre, mal eine Platte zu machen …
Und nun – ein paar Singles später – also endlich der nationale Durchbruch? Mitnichten. „Ramblin‘ Gamblin‘ Man“ zuckt samt Album 1968/69 kurz wie ein Blitzlicht, bevor Seger wieder unter die Provinz-Scheinwerfer zurückfällt und sogar überlegt, aufs College zu gehen. Aber dann geht’s doch wieder rein in den alten Station Wagon. Einen ganzen Tag und eine ganze Nacht nach Florida (nach „Mongrel“ lange das einzig gute Pflaster jenseits von Michigan). Drei Shows in Orlando, Miami, Tampa. Irgendwo, irgendwie pennen (Motels waren nicht drin). Einen Tag und eine Nacht wieder zurück. Er habe sich, blickt Seger später auf diese Zeit zurück, „eher als Fahrer denn als Sänger“ betrachtet. So ist es damals also, „the best in the midwest“ zu sein (wie „Creem“ 1972 eine Seger-Story betitelt). „Ich kann heute nicht mehr glauben, dass ich das gemacht habe“, sagt er 1980 in einem Radio-Interview, „aber ich war ja auch sehr jung, als ich’s gemacht habe.“
Warum es sehr lange nicht für mehr reicht? Die Frage beantwortet selbst Greil Marcus nur mit einer Gegenfrage. „How do you make sense of a track record like that?“, blickt der große Rock-Deuter 1976 in der „Village Voice“ ratlos auf eine frühe Karriere, in der halb gare Dylan-Imitationen („Persecution Smith“) neben furiosen James-Brown-Hommagen („Sock It To Me, Santa“) stehen. Die dem großartigen Anti-Vietnam-Song „2+2= ?“ die Barry-Sadler-Parodie „Ballad Of The Yellow Beret“ vorausschickt, und 1971 nicht mal aus einem Benefiz-Auftritt mit John Lennon für White Panther John Sinclair PR-Honig saugen kann. Und dann lässt dieser Bob Seger es sogar zu, dass nach „Ramblin‘ Gamblin‘ Man“ ein gewisser Tom Neme das Steuer übernimmt. Der wird später in einer Hochzeitsband landen und erzählen, Punch habe ihn damals engagiert, weil Seger gerade mit starken „mood swings“ zu kämpfen gehabt habe.
Wahrscheinlich sei „es von allem ein bisschen gewesen“, sagt Seger später zum langen Anlauf. Eine Plattenfirma, die ihn nur als Regional-Act sieht (Warner). Eine andere, die TV-Auftritte immer nur verspricht (Capitol). Er selbst hätte sich wohl auch mehr an Ost- und Westküste zeigen müssen, statt nur Hof in Michigan zu halten. Kaum zu unterschätzen ist auch Segers Weigerung, die Vorschuss-Spielchen der Industrie mitzumachen. „Wir ließen uns nie finanzieren“, sagt er 1978 in einem Dave-Marsh-Interview, „weil wir immer fürchteten, dann plötzlich irgendwo fett in der Kreide zu stehen.“
Sich ja nicht zu verschulden, egal bei wem, das hatte ihm schon Mama Charlotte eingebläut, zumal nachdem die vaterlose Familie aus der Mittelklasse nach unten fällt. Nach der Highschool – sein älterer Bruder George dient bei der Küstenwache – muss Bob auch selbst zum Lebensunterhalt beitragen. Abends hilft er jetzt in einer Pizzeria aus, tagsüber vertickt er Jeans bei Wild and Co. „Einer unserer besten Verkäufer“, wird sich Chef George Wild 1996 erinnern und natürlich auch stolz den Vorschuss erwähnen, den Seger in seine erste E-Gitarre investiert.
Und was ist mit den Autos aus „Detroit City“? Die dienen als Kulisse für die „Grassers“, Musik-Partys auf den weiten Feldern von Michigan. Aber Seger hat tatsächlich auch selbst mal welche gemacht. Er trampt zum GM-Fließband, um Gummi auf Windschutzscheiben zu ziehen. Aber nur drei Wochen lang. Länger bleibt ihm „Ramblin‘ Gamblin‘ Man“ erhalten, und das bald auch als Fluch der guten Tat. „Es war noch schwieriger, als ganz neu zu sein“, erinnert sich Seger 1979 in einem Radio-Interview. „Denn viele hatten uns als Loser ohne Geschäftssinn abgestempelt. Für die war ich nur der One Hit-Typ, der danach nichts mehr gebracht hat. Damit musste ich erst mal klarkommen.“
Doch so groß manchmal der Frust, so erratisch seine Karriere danach gewesen sein mag – auf seine Live-Qualitäten konnte sich Bob Seger immer verlassen. Mehr denn je, als er mit der Silver Bullet Band endlich eine gut geölte Rock’n’Roll-Maschine im Rücken hat. Mit Drummer Charlie Martin Allen (der leider schon 1977 nach einem Autounfall im Rollstuhl Platz nehmen muss). Mit Gitarrist Drew Abbott (der aussteigt, als Seger später zig Studio-Profis einkauft). Kiss heuern Seger & Co. 1974 nach einem Support-Set gleich begeistert für die ganze Tour an. Mit BTO spielen sie nach dem „Beautiful Loser“-Album gleich 90 Gigs am Stück. „Wir lernten jetzt, in großen Hallen vor vielen Leuten zu spielen“, rekapituliert Seger 1981 in einem Radio-Interview. „Und am Ende hatten wir unsere Bühnen-Show gefunden.“
So ist es nur logisch, dass ein Konzertmitschnitt die Wende bringen wird. Und zugleich hübsch ironisch, dass „Live Bullet“ nur eine Notlösung ist. Eigentlich will Seger das nächste Studio-Album, bringt aber den Titelsong nicht zu Ende. Als Capitol auf neues Produkt drängt, folgt er nur skeptisch dem Vorschlag von Punch, die zwei Abende in der Cobo Hall für ein Live-Doppelalbum zu nehmen. Das, fürchtet Seger, könne nach dem Erfolg von „Frampton Comes Alive“ nur wie ein „camp thing“ aussehen. Das sehen die Fans anders. Von den ersten 500.000 Kopien des Top-40-Albums „Live Bullet“ werden ca. 300.000 allein in und um Detroit verkauft. Seger ist endgültig „A Star In His Own State“ (US-ROLLING STONE) und verkauft im Juni 1976 den Pontiac Silverdome mit 78.000 Menschen aus. Aber am nächsten Abend in Chicago kommen immer noch gerade mal 1.000 Leute.
Der Song, der den Lückenbüßer „Live Bullet“ erst ermöglicht hat, wird „Night Moves“ heißen. Und die Inspiration, ihn dann doch noch fertig zu schreiben, „war, Jungleland‘ von Springsteen“, wie Seger später in einem „Against The Wind“-Interview erzählt. „Er hat zwei starke Strophen, aber dann geht’s ganz woanders hin. Und ich dachte: So kriege ich, Night Moves‘ auch hin. Zwei Strophen, was ganz anderes, dann zum Thema zurück. Ja,, Born To Run‘ hat mich damals wirklich umgehauen.“ So wie diese Italienerin mit den großen, dunklen Augen. Die ihm auf dem Rücksitz des alten Chevy erst ihre „points sitting way up firm and high“ (vermutlich die Umschreibung für schöne Brüste schlechthin) und dann „mein erstes gebrochenes Herz“ beschert. „Night Moves“ verewigt die große Highschool-Liebe in einer „American Graffiti“-Szenerie. Der Clou ist, wie Seger die sexuelle Konnotation des Titels in einen dramatischen Leerlauf hinein mit dem einen Wort „the“ auf eine fast philosophische Ebene über das Vergehen von Zeit hebt: „I woke last night to the sound of thunder, how far off I sat and wondered. Started humming a song from 1962, ain’t it funny how the night moves, when you just don’t seem to have as much to lose…“
Nach „Night Moves“ (Nummer 4 in den US-Charts) und dem Top-10-Album dazu hat Bob Seger zum ersten Mal in seiner Karriere so einiges zu verlieren. Zumindest glaubt er das. „Zehn Jahre rennt man mit dem Kopf gegen die Wand, und plötzlich kommt alles zusammen“, wundert er sich 1978 im Dave-Marsh-Interview. „Das macht mir bis heute Angst. Weil ich mich eingerichtet hatte, einfach gute Platten zu machen. Dann verkauften sie sich doch. Und ich wusste nicht, warum.“
Verlustangst wird nun auch zum Motiv eines Künstlers, der seine Erfolgsformel mit „Against The Wind“ auf die ersehnte Spitze eines Nr.1-Albums treibt. Während seine Angst loszulassen zunehmend die Studio-Arbeit prägt. Segers Geschichte ist voller Songs, die er über Wochen hundertfach neu abmischt, nur um sie dann doch auf Nimmerwiederhören verschwinden zu lassen. Denn anders als andere Künstler seiner Generation und seiner Klasse, die ihr Archiv längst für mindestens ein Boxset aufbereitet haben, pflegt Seger bis heute ein doch ziemlich unentspanntes Verhältnis zu seinem Alternativ- und (kaum wiederveröffentlichtem) Frühwerk. Was umso bedauerlicher ist, als gerade Letzteres ihn doch als interessante Künstlerfigur ausweist. Der Gesang sei oft „furchtbar“? Come on, Bob … Symptomatisch ist in diesem Kontext das Album „Early Seger, Vol 1.“ ( 2009) – siehe Diskografie.
„Ich habe“, erklärt Seger einmal seine Risikoscheu, „immer gedacht, ich könnte nicht so weit gehen“. So weit etwa, um 1982 aus „The Distance“ ein Doppel-Album zu machen. Nachdem ihm Punch und Capitol das lange ausreden, erzählt Seger in einer ROLLING STONE-Anekdote Springsteen davon. Der fragt nur: „Warum hast du es nicht einfach gemacht?“ Als Seger später der Freundin von dem Telefonat erzählt, weiß sie sofort, wie Bruce reagiert hat. Und sagt nur: „Eines Tages wirst du auch den Mumm haben, den er hat.“
Jan Dinsdale darf so etwas noch sagen, bevor die langjährige Beziehung wenig später zerbricht. Seger versucht es auch mit einer Model-Ehe (Annette Sinclair) und ein bisschen Hollywood-Luft. Schon nach einem Jahr ist sie wieder raus. Sein bis heute einziger Nr.1-Hit kommt später mit „Shakedown“ trotzdem aus einem Soundtrack („Beverly Hills Cop II“) – und ist für Seger noch weniger repräsentativ als „Philadelphia“ für den Boss. Er war ja auch nur schnell für Buddie Glenn Frey eingesprungen. Das schlechtere Album der Dekade („Like A Rock“) lässt Seger auch schon mal lamentieren, er sei „ein Gefangener meiner Hits“. 1989 stirbt Mutter Charlotte, ihr Sohn sitzt über 13 Monate täglich an ihrem Krankenbett. Ja, so waren sie, die 1980er-Jahre. Auch für Bob Seger nicht gerade berauschend.
Als dann Juanita Dorricott, kurz: Nita seinen Weg kreuzt, und ihm bald Tochter Samantha und Sohn Cole schenkt, erkennt Bob Seger, dass nun die Zeit gekommen ist, vieles von dem richtig zu machen, was früher falsch lief. Lange, bekennt er 1994 freimütig, habe er seine Beziehungen „praktisch nur per Telefon“ geregelt. Jetzt bleibt er gern daheim, um seinen Kindern das zu geben, was er von seinem Vater kaum bekommen hat. Als er sich dann mal raustraut – mit dem vergleichsweise mutigen Album „It’s A Mystery“ -, muss Seger feststellen, dass er jetzt in der Classic-Rock-Falle festhängt. Die einen wollen nur seine alten Hits – die anderen sehen ihn auch mit neuen Songs nur als Mann von gestern. Als Live-Act funktioniert Bob Seger natürlich nach wie vor: Gut 900.000 Besucher machen seine US-Tour 1996 zur viertpopulärsten des Jahres.
Als Seger 2004 in die Ruhmeshalle des Rock’n’Roll einzieht (mit Prince, Jackson Browne und George Harrison), ist Detroit mit Eminem, Kid Rock, den White Stripes längst wieder gut auf der Musik-Landkarte verzeichnet. Sein Comeback-Album „Face The Promise“ (2006) macht er trotzdem in Nashville, lange schon eine gute Adresse für alternde Rocker, die zu alt für ganz neue Maschen sind, aber nie alt genug für die pure Oldies-Show. Schon seit „Night Moves“ war ja die Musik immer weiter hinter den Sänger Bob Seger und seine Erzählung zurückgetreten. Auch wenn ihn das nicht zum Country-Sänger gemacht hat. Midtempo-Songs und Balladen zu schreiben sei, so Seger, „der Wendepunkt meiner Karriere“ gewesen. Glenn Frey schaute nämlich vorbei, als Seger an „Beautiful Loser“ schrieb. „Wenn er nicht gekommen wäre“, erinnert sich Seger, „hätte ich wohl noch ein Rock’n’Roll-Album gemacht. Aber Frey fand, Beautiful Loser‘ toll und sagte: Bleib dabei, Mann! Und seitdem bin ich dabeigeblieben.“