Bob Dylan: Revolutionäre unter sich
Als Coverstar von Bob Dylans zweitem Album "The Freewheelin' Bob Dylan" wurde Suze Rotolo weltberühmt. Nun erscheinen ihre beeindruckenden Jugenderinnerungen in deutscher Sprache.
Ein junger Mann in einer dünnen Wildlederjacke läuft durch die schneebedeckten Straßen des New Yorker Greenwich Village. Seine Freundin Suze, ein blondes Mädchen im dicken dunkelgrünen Lodenmantel, schmiegt sich lächelnd an seinen zitternden Körper.
Ein Schnappschuss, der als Coverfoto des Albums „The Freewheelin‘ Bob Dylan“ weltberühmt wurde. Weil er so gut funktioniert als Sinnbild für den Aufbruch einer Generation im eisigen Klima des Kalten Krieges. Suze Rotolo war gerade mal 19, als dieses Foto auf der Jones Street entstand. Ein paar 100 Meter von der Wohnung an der West 4th Street entfernt, die sie mit Bob Dylan bewohnte.
45 Jahre später veröffentlichte Rotolo ihre Memoiren, die nun unter dem Titel „Als sich die Zeiten zu ändern begannen“ (Parthas, 24 Euro) auch in deutscher Sprache vorliegen. Wer hier große Enthüllungen erwartet, wird nach der Lektüre der 370 Seiten enttäuscht sein. „Als sich die Zeiten zu ändern begannen“ ist kein Bericht über ein paar Jahre an der Seite einer Legende, auch keine Pop-Geschichtsstunde. Es ist ein Buch über eine Jugend, über Ideale und die Suche nach einer eigenen Identität. „Wenn ich Bücher über diese Zeit lese, vermisse ich immer eines: den Spaß, den wir damals hatten“, erklärt Rotolo. „Wir haben uns keine Gedanken darüber gemacht, Geschichte zu schreiben. Wir waren nicht diese ernsten, vollkommen entwickelten Künstlerpersönlichkeiten. Wir waren jung und wollten uns amüsieren.“ Man wird Zeuge, wie sich die jungen Musiker Anfang der Sechziger von der älteren Folk-Generation um Pete Seeger abgrenzten. „Natürlich habe ich großen Respekt vor Seeger. Aber dieses Wir-sind-alle-gleich- und Love-and-peace-Getue kam uns damals ziemlich abgedroschen vor“, so Rotolo, „Wir wollten anders sein.“ Der brave Folk wurde mit Blues vermischt, der saubere Studienrat-Look mit Straßendreck beworfen. „Bob stand oft lange vorm Spiegel, um seinen gammeligen, zerknitterten Look zu perfektionieren. Image war alles.“
Doch Dylan ist nur eine von vielen beeindruckenden Figuren in diesem Buch. „Als sich die Zeiten zu ändern begannen“ ist das buntes Panoptikum einer Ära, Dylans surrealem Song „Desolation Row“ oft nicht unähnlich. Etwa wenn Rotolo die Kuba-Reise beschreibt, die sie kurz nach der endgültigen Trennung von Dylan 1964 unternahm: Sie sah ein Baseballspiel an der Seite von Fidel Castro und traf Che Guevara in einem Klassenzimmer. „Ich wünschte, ich könnte mich besser erinnern“, lacht sie. „Che hatte die Füße auf das Pult gelegt und gab Auskunft über politische Entscheidungen. Er sah genauso aus wie auf den Fotos.“ Und Image hatte bei den Revolutionären der Sechziger ja Priorität.