Bob Dylan spricht: Interview über „Rough And Rowdy Ways“, die Rolling Stones und seine Gesundheit
In einem Interview anlässlich seines neuen Longplayers „Rough And Rowdy Ways“ zeigte sich Bob Dylan ungewohnt auskunftsfreudig.
Bob Dylan gibt schon seit vielen Jahren so gut wie keine Interviews mehr. Für sein demnächst erscheinendes Album „Rough And Rowdy Ways“ machte der 79-Jährige eine Ausnahme. Dylan sprach über die Entstehung seiner beiden Songs „Murder Most Foul“ und „I Contain Multitudes“, zollte verstorbenen Kollegen Tribut und nahm sogar auf seinen aktuellen Gesundheitszustand Bezug.
Bob Dylan über „Murder Most Foul“
Ein nostalgischer Blick auf lange vergangene Zeiten sei „Murder Most Foul“ dabei nicht, erklärte Dylan gegenüber der „New York Times“: „Für mich ist der Song nicht nostalgisch. Ich betrachte ‚Murder Most Foul’ nicht als eine Verherrlichung der Vergangenheit oder als eine Art Abschied von einem verlorenen Zeitalter. Es spricht mich für den Augenblick an. Das tat es immer, vor allem, als ich den Text schrieb.“
Mehrere in den 1990er-Jahren versteigerte Manuskripte, in denen Dylan angeblich über den ermordeten US-Präsidenten geschrieben hatte, seien Fälschungen gewesen: „Ich bin mir nicht bewusst, dass ich jemals ein Lied über J.F.K. schreiben wollte. Viele dieser versteigerten Dokumente sind gefälscht worden. Die Fälschungen sind leicht zu erkennen, weil immer jemand unten mit meinem Namen unterschreibt“, so Dylan im Gespräch mit Professor Douglas Brinkley von der Rice University, das in der New Yorker Zeitung veröffentlicht wurde.
Darauf angesprochen, dass „Murder Most Foul“ ein apokalyptisches Szenario zeichnet, antwortete er: „Es gibt heute definitiv viel mehr Angst und Nervosität als früher. Aber das gilt nur für Menschen in einem bestimmten Alter wie mich und Sie, Doug. Wir haben die Tendenz, in der Vergangenheit zu leben, aber das trifft nur auf uns zu. Jugendliche haben diese Tendenz nicht. Sie haben keine Vergangenheit, also wissen sie nur, was sie sehen und hören, und sie werden alles glauben. In 20 oder 30 Jahren werden sie an vorderster Front stehen. Wenn Sie jemanden sehen, der 10 Jahre alt ist, wird er in 20 oder 30 Jahren die Kontrolle haben, und er wird keine Ahnung von der Welt haben, die wir kannten. Junge Menschen, die jetzt im Teenageralter sind, haben keine Erinnerungsspur, an die sie sich erinnern könnten. Deshalb ist es wahrscheinlich am besten, sich so schnell wie möglich in diese Denkweise hineinzuversetzen, denn das wird die Realität sein.“
Gedanken über Vergänglichkeit in „I Contain Multitudes“
Auch zum Stück „I Contain Multitudes“ verriet Dylan seine Sichtweise. „Ich denke über den Tod der menschlichen Spezies nach. Die lange, seltsame Reise des nackten Affen. Ich will nicht leichtfertig damit umgehen, aber das Leben eines jeden Menschen ist so vergänglich. Jeder Mensch, egal wie stark oder mächtig, ist zerbrechlich, wenn es um den Tod geht. Ich denke in allgemeinen Begriffen darüber nach, nicht auf eine persönliche Art und Weise“, erklärte der Musiker.
Dylan zollt Little Richard Tribut
Im Gespräch zollte Dylan auch seinen kürzlich verstorbenen Kollegen Little Richard und John Prine Tribut. „Beide triumphierten in ihrer Arbeit. Sie brauchen niemanden, der ihnen Tribut zollt. Jeder weiß, was sie getan haben und wer sie waren. Und sie verdienen all den Respekt und die Anerkennung, die ihnen zuteil wurde. Daran besteht kein Zweifel. Aber Little Richard, mit ihm bin ich aufgewachsen. Und er war vor mir da. Er hat ein Streichholz unter mir angezündet. Hat mich auf Dinge eingestimmt, die ich alleine nie erfahren hätte. Also denke ich anders über ihn. John kam nach mir. Es ist also nicht dasselbe. Ich erkenne sie anders an.“
Dylan über Rolling Stones, Coronavirus und Gesundheitszustand
Außerdem verriet die Musiklegende, welche Songs der Rolling Stones sie gerne geschrieben hätte („Oh, ich weiß nicht, vielleicht ‚Angie’, ‚Ventilator Blues’ und was noch, mal sehen. Oh ja, ‚Wild Horses“’) und erklärte, wie er die Covid-19-Pandemie erlebte („Sicher, ich habe es gesehen und es hat mich beeinflusst. Ich sah es als anonymer Zuschauer, nicht als jemand, der etwas damit zu tun hatte. Ich habe es einfach geschehen lassen.“)
Zu guter Letzt beantwortete Dylan sogar noch eine etwas persönlichere Frage – nämlich die nach seinem Gesundheitszustand. „Wie steht es um Ihre Gesundheit? Sie scheinen fit wie ein Turnschuh zu sein. Wie gelingt es Ihnen, Körper und Geist im Einklang zu halten?“, so der Interviewer. Dylan darauf: „Oh, das ist die große Frage, nicht wahr? Wie macht das überhaupt jemand? Ihr Geist und Ihr Körper gehen Hand in Hand. Es muss eine Art von Übereinstimmung geben. Ich stelle mir den Verstand gerne als Geist und den Körper als Substanz vor. Wie man diese beiden Dinge integriert, habe ich keine Ahnung. Ich versuche einfach, auf einer geraden Linie zu gehen und auf ihr zu bleiben, auf der Ebene zu bleiben.“