Bob Dylan: Bizarre Debatte um Retro-Klamotten

Spannendes Detektivspiel für echte Fans.

Auf der aktuellen Festival-Sommertournee Outlaw Music ist Bob Dylan gerade in den USA unterwegs, mit Robert Plant und Alison Krauss, Gitarristin Celisse sowie Lukas Nelson, der für seinen kranken Vater Willie eingesprungen ist. Das Publikum goutierte höflich Dylans Abschied von der Setlist von „Rough and Rowdy Ways“, die in den letzten drei Jahren zum Einsatz kam. Stattdessen spielte Dylan nie gehörte Coversongs aus den 1950er Jahren. Der langjährige Pedal-Steel-Spieler Donnie Herron fehlt. Schlagzeuger Jim Keltner aus seiner Gospel-Ära sitzt wiederum an der Schießbude.

Aufmerksame Geister haben jedoch ein merkwürdiges T-Shirt ausgemacht, das jeden Abend am offiziellen Merchandising-Stand im Angebot ist. Auf der Vorderseite steht „Tempest Tour 2012“. Dazu sind Songtitel wie „Pay in Blood“, „Scarlet Town“ und „Early Roman Kings“ aufgedruckt. Auf der Rückseite finden sich die 2012er-Live-Daten.

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Was wie ein simpler Nachdruck eines alten T-Shirts ausschaut, gibt Rätsel auf.

Denn das Hemd wurde im Jahr 2012 gar nicht verkauft. Auch lief die Tour nie als „Tempest“-Tour. Es wurden seinerzeit nur ganz wenige Songs von diesem 35. Studioalbum gespielt. Ein Leser des amerikanischen ROLLING STONE machte darauf aufmerksam, dass das Shirt-Zertifikat einen Copyright-Zeichen von 2024 trägt. Also eine neue Edition.

Hat das Dylan-Team damit ein Fake-Retro-Hemd hergestellt?

Die Spurensuche beginnt: Zum Auftakt der „Outlaw“-Tour am 21. Juni 2024 in Alpharetta, Georgia, spielte Dylan immerhin vier Songs vom Album „Tempest“: „Early Roman Kings“, „Long and Wasted Years“, „Pay in Blood“ und „Scarlet Town“. Von keinem seiner vielen anderen Alben wurde mehr als ein einziger Song gespielt. Zumindest für diesen Abend hatte das „Tempest“-Shirt einen gewissen Sinn. Doch es sollte eine einmalige Sache bleiben.

Am nächsten Abend in Charlotte, North Carolina, gab es er eine komplette überarbeitete Show, die seitdem bestehen geblieben ist. Es gibt fortan nur noch zwei „Tempest“-Songs („Early Roman Kings“, „Soon After Midnight“) sowie zwei „Highway 61 Revisited“-Songs („Ballad of a Thin Man“, „Highway 61 Revisited“) und zwei Songs von „Time Out of Mind“ („Can’t Wait“, „Love Sick“). Doch von diesen Platten existieren keine History-Shirts.

Ist das T-Shirt ein sehr spezieller Insider-Scherz?

Das Rätsel geht weiter: Auf der Shirt-Rückseite ist eine Show vom 10. November 2012 in Rosemont, Illinois, aufgeführt, die niemals stattgefunden hat. Der US-ROLLING-STONE bringt dieses Phantom-Konzert scherzhaft mit dem 2019er-Film „Rolling Thunder Revue: A Bob Dylan Story“ von Martin Scorsese zusammen. Eine Pseudo-Dokumentation, die echtes Filmmaterial der „Rolling Thunder Revue“ von 1975 mit fiktiven Elementen zusammenbrachte. Überhaupt hat Dylan seit seinen frühen Tagen in der Folkszene von Greenwich Village immer wieder Fakten und Fiktion vermischt. Ist das T-Shirt ein sehr spezieller Insider-Scherz?

Der Verlauf auf Retro-Motiven ist bei Classic Rockern längst üblich. Doch normalerweise stehen dabei Erfolgs-Alben oder Touren im Fokus. Es geht ja um möglichst fette Umsätze. „Hotel California“ bei den Eagles etwa oder „Dark Side of The Moon“ bei Pink Floyd. Aber „Tempest“ als Referenz für das riesige Dylan-Ouevre? Es bleibt ein Mysterium seiner Mannschaft, warum man für solche Editionen nicht „Blood on the Tracks“, „Blonde on Blonde“ oder „Desire“ von 1976 neu aufgelegt hat.

Während im Dylan-Lager der Experten-Alarm ausgebrochen ist, bemerkt ein „False_Prophet44“ auf X kenntnisreich, dass bei den 2023er-Konzerten ein T-Shirt der „Outburst of Consciousness“-Tour von 1992 verkauft wurde. Mit Copyright von 2023. Hier stimmten immerhin alle Daten, doch vermischt mit albernen Titeln wie „The Money Never Runs Out Tour“, „Why Do You Look at Me So Strangley Tour“ oder „Don’t Let Your Deal Go Down Tour“.

Offenbar gibt es in Bob Dylans Live-Team eine Abteilung für offizielle Merch-Witze ….

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