Blumfeld: Wovon wir handelten
In Hamburg beenden Blumfeld ihre Abschiedstournee. Ein allerletztes Konzert
FABRIK, HAMBURG. Das letzte schwarze Band-T-Shirt ist schon wenige Minuten nach Beginn des Konzerts weg – auch wenn der Aufdruck an die Inschrift eines Grabsteins erinnert: „Blumfeld 1991 – 2007″. Ein letzter kleiner Fetisch vor dem Verschwinden eines Klassikers. Seit Monaten ist das Abschiedskonzert von Blumfeld ausverkauft. Aus politisch und sexuell anders denkenden Studenten wurden im Lauf der Jahre offensichtlich dezent angegraute Akademiker. Menschen, wie man sie auch bei einer Pollesch-Inszenierung treffen kann. Aber auch die obligatorischen Pauli-Fans. Ein paar sehr junge Leute sind auch da.
Zu Zirkusmusik läuft die Band kurz nach Neun auf die Bühne – die Spiellaune scheint prächtig. „Draußen auf Kaution“ macht den Anfang, schon als zweites Stück lassen Blumfeld ein mitreißendes „Mein System kennt keine Grenzen“ aus dem System. Zu „Ich – wie es wirklich war“ spielt Lars Precht den Basslauf von New Orders „Bizarre Love Triangle“, ein gelungener und schon seit längerem erprobter „Mash-Up“. „Der Apfelmann“ wird frenetisch gefeiert, Distelmeyer animiert und dirigiert dazu das Publikum geradezu grönemeyeresk. Am Ende übertreibt erein bisschen: „Ahhh, ich steh auf Rock’n’Roll! Ich find das geil. Macht euch das auch so heiß?“
„Die Diktatur der Angepassten“ kommt mitreißend zornig, „So lebe ich“ berührt an diesem Abend noch mehr als sonst. Und während man noch den Zeilen nachsinnt, verlassen Jochen Distelmeyer, Andre Rattay, Lars Precht und Vredeber Albrecht auch schon die Bühne. War’s das, nach knapp zwei Stunden? Selbstverständlich nicht. Als Zugabe gibt’s natürlich die Playback-Version von „Tausend Tränen tief“. Ganz allein steht Jochen auf der Bühne – ein Blick in die Zukunft? Dann kommt zu „Liebeslieder“ die gegenwärtige Band zurück – und es geht in die Vergangenheit: Blumfeld-Mitbegründer Elke Bohlken spielt Bass bei „Penismonolog“ und „Zeittotschläger“.
Natürlich ist das alles ungeheuer emotional. Normalerweise liest man in der Zeitung davon, wenn sich eine Lieblingsband aufgelöst hat. Oder ein paar verwitterte Giganten kündigen ihre allerletzte Tour an, und man ahnt, dass in drei, bis vier Jahren eine allerallerletzte Tour stattfinden wird. Blumfeld sind ein Stück der eigenen Geschichte, von dem man persönlich Abschied nehmen kann, ja: muss. Von den Liedern, die einen begleitet haben, weil man sich nicht nur an den Text erinnert, sondern auch an zugehörige Bilder aus dem eigenen Leben. Als schließlich der erste Zugabenteil mit „Verstärker“ zu Ende geht, glaubt man, da sei sie nun zu Ende, die gemeinsame Geschichte. Ein würdiger Schluss. Aber von wegen. Wir hören noch fünf weitere Songs – inklusive des alten Moody Blues-Schiebers „Nights In White Satin“, bis die Ära Blumfeld mit „Superstarfighter“ endgültig zu Ende geht: „Vergiss die Lieder, die ich spiel/ Die hatten nie etwas zu tun mit Dir/ Die sind so hohl wie ich/ Und darauf Du: Und davon handeln wir.“ Ein neues Kapitel beginnt.