Bluegrass

Der High Lonesome Sound aus den Bergen von Kentucky und Tennessee hinterließ unüberhörbare Spuren im musikalischen wie sozialen Alltag der urbanen Folk-Community.

Bill Keith war ein abgebrochener Student, der sich indes fast täglich auf dem Campus der Harvard-Universität herumtrieb. Nicht um zu studieren, sondern um das Banjo zu spielen, das ihn schlappe 15 Dollar gekostet hatte, und um Bluegrass zu zelebrieren, gemeinsam mit Gleichgesinnten. Davon gab es dort mehr als genug, seit Bill Monroe und seine Bluegrass Boys beim Newport Folk Festival 1959 für Furore gesorgt hatten mit ihren rasant vorgetragenen, Jazz-beeinflussten Improvisationen auf Banjo, Gitarre. Mandoline und Fiddle. Keith und seine Kumpels waren keine Virtuosen, noch nicht, Bill selbst war völlig eingeschüchtert vom genialischen Banjo-Picker Earl Scruggs. aber die Saat war ausgebracht und die musikalischen Ernten würden im Laufe der Jahre immer reicher ausfallen, darin war man sich einig. „Wir ließen uns nicht entmutigen“, so Keith,“.nicht von alten Meistern wie Monroe und auch nicht von gleichaltrigen Pickern, die ungleich begabter waren als wir, wie Peter Rowan oder Clarence White.“

Bluegrass schien altertümlich. Wie Delta Blues oder Ragtime. Doch war dieser von Hillbilly String Bands aus tradierter Old Timey Mountain Music entwickelte, ungeheuer mitreißende Stil nicht nur zum Tanzen geeignet, was bei Hootenannys immer gut ankam, sondern er transportierte auch alte Weisen und Wahrheiten, war unverfälscht und schien immun gegen den Zugriff kommerzieller Interessen. Qualitäten, die unter Folkies etwas galten. So gehörte der einst in den Bergen Kentuckys geborene und nie urbanisierte Country-Ableger ab i960 zur musikalischen Diät in den Folk-Zirkeln an Ost- wie Westküste, und der Appetit des studentischen Publikums auf Bluegrass erwies sich als fruchtbarer Humus für eine Generation neuer, inventiver Bands. Wie die Kentucky Colonels um die Gebrüder White aus Maine und ihr Nebenprojekt, die nicht von ungefähr so genannten Folkswingers. Oder die Dillards, die es von den Ozark Mountains in Missouri 1962 nach L. A. verschlug, wo sie in Folk-Clubs wie dem „Ash Grove“ auftraten, mit den Greenbriar Boys oder den Charles River Valley Boys. Landeier nicht selten, die den Umgang mit ihren kultivierten Bewunderern erst lernen mussten. Und umgekehrt. Als Lou Berline vor einem Auftritt vom wohlmeinenden Conferencier gefragt wurde, was es Interessantes über ihn zu sagen gebe, beschied ihn dieser ungerührt: „Oh, I’m a reaper from damn Kansas and I play the damn fiddle with my damn son Byron.“

Es sei ein Geben und Nehmen gewesen, erinnert sich Jim Rooney. damals Gärtner in den Folk-Biotopen von Cambridge und Boston, „die Grenzen zwischen Bluegrass, Old Timey und Jugband-Music wurden durchlässig. Wo sollte man Dock Boggs einordnen, wo Doc Watson, wo David Grisman? Sie waren alle Mitglieder unserer Folk-Familie. und alles was zählte war, dass wir sie erleben und von ihnen lernen durften“. „Und das“, assistierte Jim Kweskin. „ist nicht weniger als ein Privileg.“

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