Blödeln für die Generation Golf
Der erstaunliche Erfolg des ARD-Zeitgeist-Magazins „POLYLUX" mit Tita von Hardenberg verdankt sich dem Humor und dem Fernsehen der späten 80er Jahre
Tita von Hardenberg muss, das überrascht manche Menschen, arbeiten, obwohl sie adelig ist. Deshalb betreibt Tita mit ihrem Gatten eine Produktionsgesellschaft, die das Fernsehmagazin JPolylux“ herstellt. Die Sendung, seit Jahren im dritten Programm versteckt, schaffte es Anfang des Jahres nach einer Empfehlung von (wem sonst?) Harald Schmidt ins ARD-Programm. Dort allerdings läuft ,,Polylux“ montags um Mitternacht als „das Letzte im Ersten“. Tita trat die Reise durch die Talk-Shows an: Zuallererst saß sie natürlich bei Gönner Schmidt, und zwar in einem T-Shirt mit der Aufschrift „Danke, Harald!“. Dies solle in der Redaktion für ein halbes Jahr Pflichtwäsche sein. Bei Titas nächster Moderation fehlte das Hemd.
Was aber ist Polylux? In den schönen Zeiten der DDR bezeichnete der Begriff das, was westdeutsche Schüler als „Overhead-Projektor“ kennen, die Marter unzähliger Physik- und Erdkundestunden. Der erstaunliche Erfolg der Sendung „Polylux“ – immerhin fast zwei Millionen Zuschauer schalten zeitweilig ein – gründet sich allerdings eher auf die Erinnerung an selige BRD-Zeiten. Die Achtziger kehren zurück, wenn Tita von Hardenberg bezaubernd lächelnd lauwarme Satirebeiträge über die Atomproteste der Grünen anmoderiert, gerade so giftig, dass man die Ironie bemerkt. Tatsächlich ähnelt die Gräfin frappierend dem aus dem Dienst genommenen „Talk, Talk, Talk“-Luder Jessica Stockmann, ehemalige Stich. Wie diese kann auch Tita prima Texte auswendig lernen und sie roboterhaft und frischeversiegelt aufsagen.
Tita ist die Erbin von Andreas Lukoschik, dessen Münchner Schickimicki-Schmähsendung „Leo’s“ Ende der Achtziger den „In und Out“-Terror auslöste. Lukoschik, der stets eine Fliege trug und keiner was zuleide tun konnte, verließ sich bei den gedrechselten Texten auf die Fachkräfte Philipp Reichenberger und Claudius SeidL deren spöttisches Geplänkel voller Anspielungen, Alliterationen und Wortspielen noch Jahre nach Leos Ende von den „Frontal“-Pimmelköpfen Kienzle und Hauser fortgesetzt wurde. Bloß war es nicht mehr lustig.
Lustig ist auch „Polylux“ nicht Der Begriff „Zeitgeist“ wurde reaktiviert, zum ersten Mal seit dem Abschied der Zeitschrift „Tempo“. In Wahrheit gemahnen die zusammengeschnipselten Filmchen samt AußenreporterKasper und Fußgängerzonen-Befragungen an die bemüht blödeine Politsatire „Extra Drei“ in den dritten Programmen, an die Wohnungsbegehungen in „Zimmer frei!“ und vor allem an den Doyen des Magenbitter-Textens, Friedrich „ZAK!“ Küppersbusch. Dessen hastig vorgetragener Wortschwall wurde zuletzt bei „Privatfernsehen“ abgewürgt und geistert heute nur noch selten durch „taz“ oder „Die Zeit“.
Mit Tita von Hardenberg kommt jener Gratishumor zurück, der sich an Solarien für Pferde ergötzt und Hippies im Strickpullover „California Dreaming“ singen lässt. Politik ist bloß Anlass zum Klamauk, Rinderwahn taugt für jede Pointe. Das so genannte Absurde, das ja im Lokalfernsehen jeden Abend Feste feiert, wird hier angestrengt zelebriert. „Polylux“ ist das Schulfernsehen der Klasse von ’89. Es ist die Nachtwache für Florian Illies und seine „Generation Golf“, die alles irgendwie lustig finden, solange Aktien nicht besteuert werden und sie in Altbauwohnungen mit Stuck leben.
Insofern sollte „Polylux“ von einem Profi moderiert werden. Cherno Jobatey hätte Zeit