Blick zurück nach vorn
Es sei kein leichtes, aber ein lohnendes Unterfangen gewesen, sagt Pegi Young schmunzelnd, die eigene Jugend noch einmal zu vergegenwärtigen, in alten Kartons zu stöbern, in vergilbten Highschool-Jahrbüchern zu blättern, das Gedächtnis zu martern. Auf der Suche nach Beweisen für frühe lyrische Anwandlungen, Jungmädchenpoeme und Songfragmente. „Es war eine purgatorische Erfahrung“, sagt sie, „weil mich die Fundstücke zuerst eher peinlich berührten, bis mir bewusst wurde, dass sie untrennbar zu meinem Leben gehören, Facetten meiner Entwicklung sind.“
Ein paar der rührend romantischen Versuche hat Pegi Young für ihr erstes Solo-Album zu beschaulichem Country-Rock vertont. „I sit here in my solitude and write soft poems of love“, schrieb sie als 19-jähriges, liebeskrankes Hippie-Girl, „wondrin‘ why it went so fast, who’s got the key to love?“ Und singt die Zeilen heute wie eine Reminiszenz, leicht wehmütig, doch unbeirrt. „Natürlich ist das dankbarer Stoff für Zyniker“, weiß Pegi, „aber wenn du dich nicht zu deiner Vergangenheit bekennen kannst, hast du keine Zukunft.“
Mehr Mut habe es gekostet, einen frivoleren Song aus ihrer Zeit als ungebundene Kellnerin aufzunehmen, der sich über die zwanghafte Zweisamkeit der Gäste wundert: „Who wants to be a part of the coupled heterosexual masses/ When you can have such fun telling lies and pinching asses?“.
Eine Phase ihres Lebens, die jäh endete, als sie eines Tages einen Gast bediente, der großen Gefallen an ihr fand. Neil und Pegi wurden ein Paar, doch dauerte es noch eine Weile, bis Pegi die zweite Mrs. Young wurde. Neils erste Ehe hatte sich zwar längst erledigt und auch seine Beziehung zur Schauspielerin Carrie Snodgrcss lag auf Eis, doch war daraus ein Sohn hervorgegangen, was die Situation komplizierte. Nicht annähernd so nachhaltig freilich wie dann die Geburt des gemeinsamen Sohnes Ben, der mit einer geistigen Behinderung zur Welt kam. Heute könne sie das alles richtig einordnen, lächelt Pegi, damals habe sie sich völlig zurückgezogen und war nur noch für Ben da. „In den Jahren daraufhatte ich das Glück, viele Leute kennenzulernen, die vergleichbare Probleme meisterten und mir Kraft gaben.“ Genug, um mit Neils tatkräftiger Unterstützung die „Bridge School“ zu gründen, eine gemeinnützige Bildungseinrichtung für behinderte Kinder, die Pegi seither leitete und deren Präsidentin sie immer noch ist. Ben, inzwischen 29, ginge es gut, so die Mutter. „Er hält mehr als hundert Hühner, aber nur der Eier wegen, die er an Bio-bewusste Restaurants verkauft.“ Und da sich die „Bridge School“ nun einen Geschäftsführer leiste, habe sie selbst wieder Zeit und Muße für anderes.
Für Musik vor allem. Um ihr Album zu bewerben, bestreitet Pegi Young das Vorprogramm für den Göttergatten, im wesentlichen mit denselben Musikern im Rücken, die auch die Studio-Sessions bestritten. Live gewinnt Pegis Stimme an Strahlkraft, die Songs wirken belastbarer als auf Platte. „Sicher, wir werden besser“, erwidert sie, „wir haben ja auch gerade erst angefangen“.