Blau-weiß ist die Rache
Wenn der Facebook-Gründer auf seine Lieblingsschuhe starrt, sieht er seine eigene Website vor sich – und umgekehrt. David Finchers Zuckerberg-Film „The Social Network“ setzte das Thema als Highschool-Posse um.
Zugegeben, Shoegazer tragen in der Regel keine Badelatschen. Aber stellen wir uns vor: Ein Shoegazer, ungeliebt und ein bisschen autistisch, schaut auf seine Adiletten. Was sieht er da? Nun, sie sind blau und weiß, schlicht und unsexy – aber praktisch (zumindest wenn es über 20 Grad hat). Eigentlich sind sie also ein bisschen wie eine Facebook-Seite. Vielleicht hat Mark Zuckerberg einfach sehr sehr lange auf sein Schuhwerk geguckt, als ihm die Idee für die Anmutung des von ihm programmierten social network kam. Auffällig ist auch, dass Adiletten – im Gegensatz beispielsweise zu Lederschuhen, die mit zunehmender Tragedauer ein Schuhgesicht, einen Charakter entwickeln – ihre Erscheinung eigentlich nie verändern. Auch Mark Zuckerbergs Gesicht verändert sich nie, scheint eine Maske zu sein. Nicht einmal die Augenbrauen bewegen sich. Was bewegt ihn überhaupt, diesen eiskalten Mark Zuckerberg? Was treibt den Mann an, der in den letzten Jahren zig Millionen Menschen dazu brachte, tagtäglich auf diese schmucklose weiß-blaue Internetseite – ja, sagen wir’s ruhig: auf seine virtuellen Badelatschen zu starren? Wer sich Aufklärung von David Finchers Biopic „The Social Network“ erhoffte, wurde bitter enttäuscht. Von der Eröffnungsszene an sei klar, dass dies ein Film „von 1.0-Leuten über 2.0-Leute“ sei, hat die britische Schriftstellerin Zadie Smith – die an der amerikanischen Universität von Harvard lehrte, als Zuckerberg et al. dort Facebook entwickelten – im „New York Review Of Books“ geschrieben.
In der Tat wird in „The Social Network“ sehr viel auf altmodische Art geredet, die Faszination von sozialen Netzwerken und ihrer Programmierung vermittelt der Film überhaupt nicht. Er wirkt eher wie ein Update von Jeff Kanews „Revenge Of The Nerds“: Ein sozialer Sonderling wird von seiner Freundin verlassen und rächt sich im Rahmen seiner Möglichkeiten zuerst an ihr, dann an allen Studentinnen auf dem Campus, dann an den reichen und schönen Kommilitonen. Und er ist verdammt erfolgreich mit seiner Rache. Dann trifft er einen noch erfolgreicheren Nerd. Napster-Gründer Sean Parker, den Justin Timberlake als eine Art Westentaschen-DiCaprio mit dieser hauchdünnen Selbstüberschätzung spielt, die jederzeit in Paranoia umschlagen kann. Erst nach diesem Treffen wird Zuckerberg richtig unsympathisch und verrät auf dem Weg zur Weltherrschaft seinen besten Freund, den er zuvor als Chief Financial Officer eingesetzt hatte.
Am Ende steht die Rache der regieführenden Generation 1.0 an der Generation 2.0: Wir sehen Zuckerberg armselig vor seinem eigenen Facebook-Profil hocken, wie er alle paar Sekunden auf den Refresh-Button klickt und auf Bestätigung der Freundschaftsanfrage hofft, die er an seine Ex-Freundin geschickt hat. Einmal Shoegazer, immer Shoegazer.