Black Keys – Immer auf der Reise
Das letzte Album brachte den Durchbruch. Eine Entwicklung, mit der die Black Keys bisweilen hadern. Trotzdem kann man zu vielen neuen Songs sogar tanzen, es geht also weiter nach oben.
Bescheidenheit ist eine Zier: Am Anfang wollten die Black Keys angeblich nichts weiter erreichen, als irgendwann ein richtiges Album aufnehmen zu können. Hat bekanntlich funktioniert. Jene erste Platte hieß „The Big Come Up“, aber wenn man neun Jahre später mit Dan Auerbach und Patrick Carney über ihre Anfänge spricht, könnte man den Eindruck gewinnen, sie hätten es damals besser gelassen.
„Als die Platte fertig war, wurde uns klar, dass wir auf Tour gehen müssen, um sie zu promoten“, sagt Carney mit missmutiger Miene. Eine Bookingagentur kam ins Spiel, endlich konnten ein paar Rechnungen bezahlt werden und natürlich machte das Livespielen Spaß – am Anfang. „Es gibt nichts Aufregenderes als die ersten zwei Wochen auf Tour“, sagt Auerbach, „danach ist es wie mit Heroin: Man versucht immer wieder, das Glücksgefühl des ersten Mals zu wiederholen, aber das ist unmöglich. Stattdessen hat man Heimweh und ist chronisch erschöpft.“
Ihr neues Album haben sie dennoch der Straße gewidmet: „El Camino“ ist der Name eines Chevrolet-Modells aus den 50er-Jahren und bedeutet übersetzt „der Weg“. Unterwegs waren die Black Keys sehr viel in den letzten zehn Jahren. Allerdings zumindest am Anfang nicht in einem El Camino, sondern mit einem alten Transporter – der jetzt konsequenterweise das Cover ziert. „Patrick und ich haben Jahre in diesem Wagen verbracht“, sagt Auerbach. „Wir hatten keine Ahnung, was wir eigentlich taten, wussten nur, dass wir aus Akron raus wollten.“
In Akron, Ohio sind die Nachbarskinder Auerbach und Carney miteinander aufgewachsen. Auerbachs Mutter spielte Bluegrass und machte den Jungen früh mit den klassischen amerikanischen Stilen vertraut. Mit 15 begann er eine Art Doppelleben: Daheim übte er Gitarre zu alten Blues- und Country-Platten, danach traf er sich mit seinen Freunden, einer HipHop-Gang. Auerbach ist bei den Black Keys der Traditionsbewusste.
Nur ein Haus weiter wuchs Pat Carney derweil mit den Klassikern auf: Stones, Led Zeppelin, Beatles. In seiner Jugend addierte er die Musik des amerikanischen Undergrounds der 80er-Jahre, also Bands wie Sonic Youth und Dinosaur Jr. Der mit einem enzyklopädischen Musikwissen ausgestattete Carney ist der Indie-Rock-Slacker bei den Black Keys.
Aus diesen Einflüssen destillierten die beiden schließlich ihr brodelndes Garagenblues-Amalgam, mit dem sie es inzwischen aus Akron hinaus in die Welt geschafft haben. Man kann gar nicht so genau sagen, wann es passiert ist, und ganz gewiss hätte man nicht damit gerechnet, aber irgendwann zwischen dem fünften Album, „Attack & Release“, und dem sechsten, „Brothers“, begannen die vielen Meilen auf den staubigen Highways sich auszuzahlen. Eine Entwicklung, die Carney abermals an Konzerten festmacht: „Wenn wir früher in New York spielten, dann im Vorprogramm irgendwelcher Bands. Das Publikum bestand aus unseren 50 Freunden. Zum Ende der ‚Attack‘-Tour gaben wir dann zwei aufeinanderfolgende Konzerte vor jeweils 3.000 Leuten, bei ‚Brothers‘ kamen 13.000 und jetzt ist der Madison Square Garden ausverkauft – 25.000 Leute, das ist geradezu lächerlich!“
Man hat bei solchen Sätzen nicht unbedingt den Eindruck, als würden die Black Keys ihren neuen Status genießen. Tatsächlich gab es in all den Jahren eigentlich nur eine Kontinuität: Die chronische Übellaunigkeit der Parade-Stiesel Dan Auerbach und Pat-rick Carney. Dabei sind die Musiker nicht einmal direkt unfreundlich. Sie hassen nur alles, was der Erfolg so mit sich bringt, also auch Interviews. In einer idealen Welt würden die Black Keys zwei Wochen im Jahr Konzerte spielen, ohne zwischendurch reisen zu müssen -, und die restliche Zeit im Studio verbringen. Vor allem Auerbach ist die Aufnahmestätte zum natürlichen Lebensraum geworden. Daheim in Nashville, wohin die Band vor einigen Jahren gezogen ist, verbringt er jede freie Minute im Kontrollraum und produziert neben seinen eigenen Sachen auch andere Musiker wie zuletzt Dr. John und die Growlers.
Im Studio trafen die Black Keys auch den Mann, der die Erfolgs-Explosion der vergangenen Jahre unter anderem ermöglich hat: Brian Burton (Danger Mouse) arbeitete damals gerade an einem Ike-Turner-Album, für das er die Black Keys als Backingband gewinnen wollte. Leider starb Turner, bevor Nennenswertes zustande kam. Also arbeitete Burton einfach mit den Black Keys alleine weiter.
Auch bei „El Camino“ war der Produzent wieder dabei. „Brian ist nicht so sehr daran interessiert, wie die einzelnen Instrumente klingen, wir können den Drumsound so einstellen, wie wir wollen“, sagt Carney. „Ihm geht es vielmehr um Arrangements, Tempi, Melodien, da hat er uns sehr geholfen.“ „El Camino“ entstand in einem Rutsch binnen vier Wochen. Es ist das erste Album, das die Band komplett aus dem Stand und überwiegend live aufnahm. „Wir sind einfach jeden Morgen ins Studio gegangen und haben losgelegt, auf diese Weise haben wir noch nie gearbeitet“, sagt Auerbach.
So entstand die bislang Rock’n’Roll-lastigste Platte der vormaligen Blues-Adepten The Black Keys. „El Camino“ ist deutlich geprägt vom irrwitzigen Tempo, das die Karriere der Band zuletzt aufgenommen hatte. Zudem ist die Platte die bislang tanzbarste der beiden. „Das ist mir auch aufgefallen“, sagt Carney und erweckt dabei den Eindruck, er würde jeden Moment einschlafen. Kein Wunder: Auch mit viel Fantasie kann man sich Carney nicht auf dem Dancefloor vorstellen. „Ich bin absolut kein Tänzer“, bestätigt er. „Natürlich verstehe ich das Konzept, dass bestimmte Rhythmen ein Bedürfnis nach körperlicher Bewegung auslösen können, aber für mich ist das nichts. Ich bewege mich ja schon beim Schlagzeugspielen.“
Die Black Keys haben eine Platte gemacht, zu der junge Mädchen tanzen können. Es ist ihre bislang beste, was leider bedeutet: Sie werden noch mehr reisen müssen.